Einführung in die Praxis der Strafverteidigung. Olaf Klemke
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cc) Vermischung von Tatsachen und Werturteilen
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„Die Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung kann schwierig sein, weil beide häufig miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In diesem Fall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo das nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil anderenfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes droht.“[59]
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„Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts. Das muss auch dann gelten, wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als aus schlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden.“[60]
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Meinungsäußerungen, die (untrennbar) mit Tatsachenbehauptungen verbunden sind, fallen zwar in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, ihre Schutzwürdigkeit kann jedoch vom Wahrheitsgehalt der ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahme abhängen.[61] Sind diese erwiesen unwahr, „wiegt ein Eingriff von vornherein weniger schwer als im Fall nicht erwiesen unwahrer Tatsachenangaben[62], bzw. tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Persönlichkeitsschutz zurück.
b) Schranken der Meinungsfreiheit
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Das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu den auch die ehrschützenden Bestimmungen der §§ 185 ff. StGB gehören. Die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts verlangt bei der Anwendung der strafrechtlichen Norm regelmäßig eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der persönlichen Ehre von der umstrittenen Äußerung auf der einen und der Meinungsfreiheit von einer Verurteilung auf der anderen Seite droht.[63] Dabei sind alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen. Zu den wesentlichen Abwägungsgesichtspunkten gehört auch die Funktion, in welcher der sich Äußernde seine ehrkränkende Behauptung aufgestellt hat. Dies gilt auch für Äußerungen eines Rechtsanwalts in einem strafrechtlichen und berufsrechtlichen Zusammenhang.[64] Danach darf ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen und sogar ad personam argumentieren.[65] Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Anwalt seine Kritik auch anders hätte formulieren können.[66]
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„Ein Rechtsanwalt darf die Interessen seines Mandanten gegenüber Gerichten und Behörden mit Nachdruck und Entschiedenheit vertreten. Im Rahmen dieser Aufgabe kann er mit anderen Verfahrensbeteiligten nicht immer so schonend umgehen, dass diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Bei dem von ihm geführten,Kampf um das Recht„ ist es ihm vielmehr erlaubt, eindringliche, drastische Ausdrücke und Formulierungen zu verwenden sowie Urteilsschelte zu üben und auch,ad personam„ zu argumentieren, um z.B. eine mögliche Voreingenommenheit eines Richters zu kritisieren.“[67]
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Dementsprechend hat das Kammergericht in der zitierten Entscheidung einen Rechtsanwalt vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen, der in Schriftsätzen im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Zivilmandaten ein richterliches Urteil mit den Worten angegriffen hatte, dass dieses „Teil einer bedauerlicherweise mehr und mehr um sich greifenden Verwilderung der Justiz und Durchsetzung mit Personenkreisen (sei), welche besser anderweitig eingesetzt würden“ und hatte der Richterin vorgeworfen, durch ihre Entscheidung einen Bürger „jedweder Rechte zu berauben“. Bezüglich eines anderen Richters hatte er geäußert, dass diesem „entweder die Vorschrift des § 812 BGB nicht bekannt (war) oder es liegt ein Fall der Beugung des Rechts vor... Die Justiz kann sich nach Auffassung des Unterzeichners weder Richter leisten, welche zu dumm sind, noch solche, welche absichtlich Fehlurteile produzieren.“
c) Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB
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Auffällig ist, dass die Fachgerichte im Zusammenhang mit den Ehrdelikten die Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Verteidigerverhalten nicht bereits im objektiven Tatbestand ziehen, sondern vielmehr die Prüfung auf der Rechtfertigungsebene vornehmen.[68] Nach Wohlers ist dies u.a. dem Umstand geschuldet, dass die Fachgerichte der Judikatur des BVerfG zur Bedeutung der Meinungsfreiheit im Rahmen von Verteidigerverhalten Rechnung tragen wollen. Den unter Verwendung eines sehr differenzierten begrifflichen Instrumentariums stark auf den konkreten Einzelfall abstellenden Vorgaben der verfassungsrechtlichen Rspr. lässt sich im Rahmen des § 193 StGB sehr viel einfacher entsprechen als etwa durch die teleologische Reduktion des objektiven Tatbestandes.[69]
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§ 193 StGB enthält für die Beleidigungstatbestände besondere Rechtfertigungsgründe. So sind u.a. Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, nur insoweit strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
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Ehrverletzende Äußerungen, die in Kenntnis ihrer Unwahrheit oder trotz offenkundiger Unhaltbarkeit gemacht werden oder herabsetzende Äußerungen, zu welchen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben, die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen, sowie beleidigende Wertungen, die auf grob leichtfertiger Prüfung der Schlüssigkeit von Tatsachenbehauptungen beruhen, sind durch § 193 StGB nicht gedeckt.[70] Der Rechtsanwalt darf nicht leichtfertig für seinen Mandanten ehrkränkende Schlussfolgerungen tatsächlicher Art ziehen oder ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein die Gegenpartei oder Zeugen verdächtigen, Straftaten begangen zu haben.[71]
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Der Verteidiger sollte niemals andere Verfahrensbeteiligte in Gesprächen mit seinem Mandanten oder Dritten oder in entsprechenden Schreiben schmähen. Solche beleidigenden Äußerungen sind Straftaten, die nicht durch § 193 StGB gedeckt sind, das sie nur bei Gelegenheit der Verteidigung getätigt werden.[72] Der Verteidiger wird zu beachten haben, dass das Mandatsverhältnis zwischen Strafverteidiger und Beschuldigtem keinen generell „beleidigungsfreien Raum“ begründet, da es sich um eine geschäftsmäßige und nicht durch persönliche Bindung geprägte Beziehung handelt.[73] Zudem ist die Vertraulichkeit in diesem Verhältnis nur einseitig abgesichert, da nur der Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 2 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
d) Sachlichkeitsgebot gem. § 43a Abs. 3