Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug. Bernd Volckart
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Teil 6 Muster von Verteidigungsanträgen
Teil 1 Vollstreckung I
Verteidigung und Rechtsbehelfe
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › I. Einführung
I. Einführung
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Das Strafvollstreckungsrecht ist ein System von Regeln darüber, ob rechtskräftig festgesetzte strafrechtliche Sanktionen durchgesetzt werden sollen oder – ganz oder zeitweilig – nicht. Früher ging es dabei fast ausschließlich um formelle Voraussetzungen der Vollstreckung. Deshalb galt und gilt zum Teil immer noch das Strafvollstreckungsrecht als ein Gebiet, das weitgehend auf Funktionsträger der Justiz mit weniger qualifizierter Ausbildung übertragen werden könne. Heute sind diese Vollstreckungsmaßnahmen nahezu ausschließlich Sache der Rechtspfleger (§ 31 RPflG).
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Dieser scheinbaren Herabstufung des Vollstreckungsrechts stehen aber andere Entwicklungen gegenüber, denn es hat sich als Einfallstor für rechtspolitische Anliegen erwiesen. Einerseits ermöglicht es die Milderung kriminalpolitisch unerwünschter, unverhältnismäßiger Härten und die Verwirklichung des Freiheitsgrundrechts im Strafrecht, denn der zu einer freiheitsentziehenden strafrechtlichen Sanktion Verurteilte hat gleichwohl Anspruch auf Belassung oder Gewährung seiner Freiheit, wenn „kontrollierte Freiheit“ genügt. Alle Freiheitsstrafen sind darauf angelegt, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an die weitere Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann; alle Maßregeln dürfen nur so lange vollstreckt werden, wie ihr Zweck dies erfordert.[1] Die wichtigste Entwicklung des Sanktionsrechts im letzten Jahrhundert war die Möglichkeit der Ersetzung des Vollzugs durch Aussetzung zur Bewährung (§§ 56 ff., 67 ff. StGB) oder durch eine Drogentherapie bei der Zurückstellung der Vollstreckung (§§ 35 ff. BtMG). „In dubio pro libertate“ – wie es sich für einen sozialen Rechtsstaat gehört!
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Andererseits – und insoweit muss der Enthusiasmus früherer Vorauflagen relativiert werden – greift eine gegenläufige Entwicklung in all diesen Bereichen immer stärker um sich, eine Entwicklung, die sich dem Prinzip „in dubio pro securitate“ verschrieben hat. Das individuelle Freiheitsgrundrecht wird gegen ein allgemeines „Grundrecht auf Sicherheit“ ausgespielt; Gesetzgebung und Ministerialbürokratie suchen eifrig nach Sicherheitslücken, um diese sogleich publikumswirksam zu stopfen. Diesem Trend können sich weder das Vollstreckungsrecht noch die zu seiner Ausführung berufenen Behörden entziehen – dass sich alle Beteiligten dabei ihrer hohen Verantwortung bewusst sind und ihr gerecht werden, muss bisweilen bezweifelt werden. Um so wichtiger, dass die Verteidigung ihre Verantwortung für eine effektive Vertretung der Mandanteninteressen wahrnimmt und sich durch Versuche der sozialen Inpflichtnahme nicht irritieren lässt (auch wenn dies in Anbetracht von Medienkampagnen nicht immer leicht fällt).[2]
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Erst seit einigen Jahren erfreut sich das Strafvollstreckungsrecht verstärkter Aufmerksamkeit von Wissenschaft und obergerichtlicher Rechtsprechung, bisher ohne nachhaltige und flächendeckende Qualitätssteigerung: Immer wieder begegnen einem StVK-Beschlüsse und sogar OLG-Entscheidungen, die sich im Wesentlichen darauf reduzieren, die Argumentation von Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden sei „nachvollziehbar“, während man Rechtsvorschriften oder gar die Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Fachliteratur vergeblich sucht. Justizverwaltungen und Gesetzgebung haben auf diese Entwicklung, die zum Teil auch der Komplexität der Materie geschuldet ist, bisher kaum reagiert. Der Zustand der Kodifizierung des Vollstreckungsrechts ist weiterhin desolat: Einiges ist gesetzlich geregelt, und zwar verstreut im allgemeinen Teil des StGB, in StPO, GVG, JGG, IRG, BtMG, JBeitrO und ZPO. Vieles ist nur in Verwaltungsvorschriften festgelegt, nämlich in der von den Justizministerien bundeseinheitlich erlassenen StVollstrO nebst bundeseinheitlichen sowie länderspezifischen Nebenbestimmungen.
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Strafvollstreckung ist ein Teil der Justizverwaltung. Man sollte meinen, dass die beteiligten Funktionsträger der Justiz stets um Rechtsförmigkeit des staatlichen Handelns besorgt und deshalb für Entwicklungen im Verwaltungsverfahrensrecht offen sein sollten. Das war und ist aber nicht immer so: Dem zu einer Geldstrafe Verurteilten z.B. vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. § 28 VwVfG), weil es überall außerhalb der Justiz einem als allgemeinen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit anerkannten Gebot entspricht – dieser Gedanke ist noch kaum aufgekommen; wer bei § 459e StPO das rechtliche Gehör für nötig hält, trifft damit meist auf Unverständnis (s.u. Rn. 229).
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Beklagenswert ist auch der Zustand und die Unübersichtlichkeit des Rechtsbehelfssystems: Gegen die Grundentscheidungen