Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

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Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer Praxis der Strafverteidigung

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der herbeigerufene Notarzt habe trotz ihrer Hinweise auf die Unverträglichkeit bzw. Überempfindlichkeit ihrer Mutter bezüglich des Schmerzmittels Analgin dieses zur Schmerzbekämpfung gespritzt. Demgegenüber behauptete der Arzt, er habe die Patientin vor der Injektion über das beabsichtigte Präparat Analgin und dessen Zweck aufgeklärt. In diesem Gespräch habe die Patientin keine Einwendungen wegen einer Analgin-Unverträglichkeit geäußert. Das Ermittlungsverfahren[24] wurde aus tatsächlichen Gründen (Zeugenaussage des Rettungssanitäters) eingestellt. 12. In einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurde dem beschuldigten Chefarzt sowohl ein Behandlungs- als auch ein Aufklärungsfehler vorgeworfen. Er habe zum einen die Koloskopie in völlig unüblicher Weise vorgenommen und dadurch den aufgeblähten Dickdarm perforiert. Zum anderen sei der Patient auf das Perforationsrisiko nicht hingewiesen worden. Beide Vorwürfe stammten von den Oberärzten der Klinik, erwiesen sich jedoch als unbegründet.[25] 13. Bei der Einleitung der Intubationsnarkose aspirierte das 2-jährige Kind, dessen gebrochener Unterarm reponiert werden musste, in erheblichem Umfang, so dass es künstlich beatmet wurde und mehrere Tage auf der Intensivstation lag. Die Eltern waren über „den ganzen Geschehensablauf empört“ und erstatteten „gegen die behandelnden Ärzte“ Strafanzeige wegen fehlerhafter Narkoseführung und mangelnder Aufklärung über das lebensgefährliche Risiko. Auf die erhöhte Aspirationsgefahr des nicht nüchternen Kindes und die eventuelle Notwendigkeit einer Beatmungshandlung waren die Eltern jedoch im Rahmen eines ausführlichen Aufklärungsgesprächs hingewiesen worden.[26] 14. Die Patientin wünschte eine Brustvergrößerung und behauptete als Zeugin in der Hauptverhandlung, in dem präoperativ geführten Aufklärungsgespräch habe sie auf Grund negativer Medienberichte die Implantation eines Silikonpräparates ausdrücklich abgelehnt. Der angeklagte Arzt, der eine Doppellumenprothese mit einem Silikonkern eingesetzt hatte, bestritt dies nachdrücklich. Das Gericht folgte jedoch in vollem Umfang den Angaben der Zeugin, so dass – nach einer Anklage wegen vorsätzlicher (!) Körperverletzung – eine Verurteilung (allerdings wegen Fahrlässigkeit) nicht zu vermeiden war, zumal der gerichtliche Sachverständige auch noch die Lage des Implantats als nicht sachgerecht bezeichnete und damit einen Behandlungsfehler bejahte.[27] 15. Gestützt auf die Zeugenaussage der Patientin erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den bei der Operation verantwortlichen Anästhesisten, da sie im Aufklärungsgespräch ausdrücklich auf einen Lymphstau im rechten Arm aufmerksam gemacht habe und deshalb an diesem keine Blutentnahme oder sonstige ärztliche Maßnahme vorgenommen werden sollte. Der Anästhesist legte jedoch bei Einleitung der Narkose am rechten Arm einen venösen Zugang für die weiterführende postoperative Infusionstherapie. Die gegenteilige Sachdarstellung des Anästhesisten nützte nichts: Weil er sich über die erklärten Bitten der Patientin hinweggesetzt habe, sei er wegen fahrlässiger Körperverletzung zu bestrafen, wobei strafschärfend gewertet wurde, dass das Handeln des Arztes „an der Grenze zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz“ liege.[28]

      Die Fallbeispiele machen deutlich, dass der Arzt gegenüber dem Vorwurf fehlender, unvollständiger oder verspäteter Aufklärung im Strafprozess oft in einer aussichtslosen Verteidigungsposition ist, da der Patient auf Grund seiner Zeugenstellung und der daraus resultierenden Wahrheitspflicht fast immer das „Glaubwürdigkeitsduell“ mit dem Arzt gewinnt, der als Beschuldigter bzw. Angeklagter ohne Sanktion die Unwahrheit sagen darf. Seine Beweisnot ist daher – trotz des Grundsatzes in dubio pro reo im Strafverfahren – in der Praxis kaum anders als im Zivilprozess. Deshalb ist der Arzt auf dem Feld der Aufklärung leicht „verwundbar“.

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      Beispiel:

      In der neuen Hauptverhandlung wurde der Chefarzt wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, doch hat der BGH dieses Urteil wiederum aufgehoben, weil der Tatrichter nicht geprüft habe, ob der Angeklagte „auch hätte erkennen können und müssen“, dass die Patientin im Falle ihrer vollständigen Aufklärung „einen Eingriff dieses Umfangs“ (Totalausräumung des Uterus) „endgültig verweigert“ hätte.

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