Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich

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Handbuch des Strafrechts - Bernd  Heinrich

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im Vergleich zum Konsens in eine bloße Fremd-Gefährdung eine höhere Hemmschwelle (hier: des Tat-Opfers) überwunden wird. Angesichts des menschlichen Selbsterhaltungstriebes wird ein derartiger erfolgsbezogener Konsens nur dann anzunehmen sein, wenn dem Opfer die hohe Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts deutlich vor Augen stand und es auch nach seinem Vorstellungsbild nur von einem rettenden Zufall, auf dessen Eintritt es nicht vertrauen konnte, abhing, ob das Risiko sich verwirklicht. Im Regelfall wird anzunehmen sein, dass das Opfer darauf vertraut, dass die von ihm konsentierte Gefährdung für seine Rechtsgüter folgenlos bleiben wird.[858] Im Falle einer vom Patienten erklärten Risiko-Einwilligung wird ihm infolge der ärztlicherseits gebotenen deutlichen Aufklärung zwar die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Gesundheit und Leben vor Augen stehen, doch dürfte er im Regelfall die Realisierung des mit der standardunterschreitenden Behandlung verbundenen Risikos keineswegs für wahrscheinlich, sondern gerade durch ärztliche Kunstfertigkeit beherrschbar halten.

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      Auch einem Ausschluss objektiver Zurechnung (infolge Gleichstellung von einverständlicher Fremdgefährdung mit strafloser Mitwirkung an einer Selbstgefährdung:[859] Täter und Opfer für das Gefährdungsgeschehen gleichrangig verantwortlich[860]) sollte nicht nähergetreten werden: Dem steht vorliegend im Regelfall die strukturelle Unterlegenheit des Patienten[861] gegenüber dem ihn behandelnden Arzt entgegen.[862] Stattdessen sollte eine Straffreistellung des Arztes über eine Reduzierung der ihn treffenden Sorgfaltspflichten – infolge des Opferkonsenses in die Gefahrschaffung – gesucht werden.[863] Diesen Weg bei Fahrlässigkeitsdelikten als allgemeingültige Lösung zu beschreiten, überzeugt zwar in Konstellationen nicht sonderlich, in denen gesetzlich vorstrukturierte Sorgfaltsanforderungen,[864] die generell ein drittschädliches Verhalten unterbinden sollen, vorliegen und eine Risikoschaffung insoweit abstrakt verboten ist (z.B. im Straßenverkehr durch die StVO). Diese Vorgaben können nicht herabgesetzt oder gar suspendiert werden, nur weil auch das Opfer „gegen sich selbst fahrlässig“ handelt:[865] Auch sonst wird im Strafrecht ein (überwiegendes) Mitverschulden des Opfers erst im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Beim Facharztstandard als Kriterium ärztlicher Sorgfaltswidrigkeit bestehen derartige Vorgaben aber nicht, im Gegenteil: § 630a Abs. 2 BGB gebietet eine Patienten-Behandlung nach Facharztstandard nur, „soweit nicht etwas anderes vereinbart ist“, siehe Rn. 73.[866]

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      Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten gilt allgemein, dass auch eine zeitlich deutlich vor Eintritt der rechtsgutskritischen Situation – in der dem Täter dann sorgfaltsgemäßes Verhalten nicht (mehr) möglich ist – liegende Pflichtverletzung Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu begründen vermag.[867] Da es sich bei den Fahrlässigkeitsdelikten um in die Vergangenheit hinein offene Delikte handelt, kann bei fahrlässiger Tätigkeitsübernahme bzw.[868] Übernahmefahrlässigkeit[869]. angesichts persönlich nicht vorwerfbarer unmittelbarer Erfolgsverursachung auf ein objektiv und subjektiv pflichtwidriges Vorverhalten rekurriert werden.[870] Der Handlungsunwert fahrlässigen Verhaltens liegt in einer vorab erfolgten objektiven Sorgfaltswidrigkeit, dem der Erfolgsunwert nachfolgt. Dieses Nachfolgen kann relativ zeitnah ausfallen (etwa der Fehlschnitt bei einer Operation infolge Unaufmerksamkeit), aber eben auch einen zeitlichen Abstand aufweisen (bspw. bei einer zu einer Gesundheitsschädigung oder gar zum Tode des Patienten führenden Übernahme einer Krankenbehandlung durch einen hiermit überforderten Arzt[871]). Anders als beim Vorsatzdelikt mit seiner etwaigen Versuchsstrafbarkeit kann der Täter beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht für den an den Tag gelegten Handlungsunwert (Pflichtverletzung) isoliert sanktioniert werden. Er wird erst für das hierdurch bewirkte Herbeiführen des Erfolgsunwertes zur Verantwortung gezogen,[872] also etwa für die Tötung eines Patienten. Auf diesen Erfolg bezogen bildet dann die zeitlich hiervon getrennte Verletzung von Verpflichtungen, die den Schutz von Leib und Leben des Patienten bezwecken (also etwa die Pflicht zur Fortbildung[873] oder zur präoperativen Voruntersuchung), einen Teil des Tatbestandes, nämlich den Handlungsunwert. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Erfolgsherbeiführung setzt dann die Feststellung derartiger Vorab-Pflichten voraus.[874] Diese Annahme einer zeitlich mehr oder weniger deutlich vor der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung liegenden Pflichtverletzung stellt allerdings nur dann eine hinreichende Legitimation für strafrechtlich zu verstärkende Verhaltensanweisungen dar, wenn sie mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Täters vereinbar ist.

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      Es ist in arztstrafrechtlichen Konstellationen insoweit wie folgt zu unterscheiden: Anknüpfungsfähige Tathandlung etwa einer fahrlässigen Tötung kann bspw. nicht der unmittelbar zum Tode führende Operationsfehler sein, sofern es bei diesem Behandlungsfehler an der für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erforderlichen persönlichen Vorwerfbarkeit des Arztes fehlt (ultra posse nemo obligatur). Vielmehr ist auf den Beginn der operativen Tätigkeit des Arztes ohne entsprechend aktualisierte Kenntnisse abzustellen. Ein sorgfaltswidriges Verhalten kann also nicht nur mehr oder weniger zeitgleich zur unmittelbaren Erfolgsherbeiführung (etwa Unaufmerksamkeit während der Operation), sondern hiervon mehr oder weniger deutlich abgesetzt vorab vorliegen (Übernahme einer Krankenbehandlung ohne entsprechende Fortbildung oder bei unzureichender Ausstattung[875]).[876]

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      Gegen eine strafrechtliche Verantwortung des Arztes unter dem Aspekt der Übernahmefahrlässigkeit kann nicht eingewandt werden, dass – seine Sorgfaltswidrigkeit (bspw. Übernahme der Krankenbehandlung ohne hinreichende Fortbildung oder Weiterbehandlung trotz Komplikationen, die die Kompetenz des ursprünglich zulässigerweise die Behandlung Übernehmenden übersteigen[877]) hinweggedacht – das unmittelbare Tatgeschehen möglicherweise entsprechend abgelaufen wäre, also etwa der Behandlungsfehler ihm unter Umständen auch als hinreichend fortgebildet gedachten Arzt unterlaufen wäre. Diese Überlegung ändert nichts an der Zurechnung des Erfolgs zur in der Behandlungsübernahme liegenden Pflichtwidrigkeit, ohne dass hierbei auf die abzulehnende Lehre von der Risiko-Erhöhung[878] zurückgegriffen werden müsste: Bezüglich des wertend zu ermittelnden hinreichenden Pflichtwidrigkeitszusammenhanges[879] steht ja fest, dass das in Beziehung auf die später angerichteten Folgen sorgfaltswidrige Schaffen einer menschlichen Gefahrenquelle (durch Behandlungsübernahme) sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Ein Hinzudenken von Ersatzursachen verbietet sich auch hier.[880]

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      Für ihre Annahme ist entscheidend die – notwendigerweise einzelfallabhängige – Feststellung, aber auch Eingrenzung einschlägiger Sorgfaltspflichten, so dass grundsätzlich auch die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung fahrlässigen Verhaltens durch sachgerechtes Konturieren entsprechender Vorab-Pflichten aufgeworfen ist.[881] So wird im Falle einer ohne hinreichende Vorkenntnisse durchgeführten ärztlichen Operation angesichts der tatstrafrechtlichen Konzeption des StGB das Versäumen einer entsprechenden Vorlesung als Student anders als ein Nicht-Besuch einer einschlägigen Weiterbildungsveranstaltung im Vormonat oder das Unterlassen einer voroperativen Diagnostik nicht zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen können.[882]

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      Für die Statuierung einschlägiger Sorgfaltspflichten kann auf den Ansatz zurückgegriffen werden, den überzeugend Stratenwerth[883] als Grundlage einer die verschiedenen Fallkonstellationen übergreifenden Lehre vom Vorverschulden

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