Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich

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Handbuch des Strafrechts - Bernd  Heinrich

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seinen Fähigkeiten besonders selbstkritisch und sich den unter Umständen lebensbedrohenden Gefahren für einen Patienten bewusst ist, die er etwa durch gedankenloses Festhalten an einem Behandlungsplan, durch Mangel an Umsicht oder das vorschnelle Unterdrücken von Zweifeln heraufbeschwören kann.[907] Eine Sorgfaltspflichtverletzung durch Tätigkeitsübernahme kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Anfänger an der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme noch nie teilgenommen und deshalb insoweit keine Erfahrungen hat.[908] Es versteht sich von selbst, dass Anweisungen des übergeordneten Facharztes zur Behandlungsübernahme ohne Einfluss auf die dem Anfänger vorzuwerfende objektive Sorgfaltswidrigkeit bleiben: Hätte er erkennen müssen, dass der Patient bei der von ihm eigenverantwortlich durchgeführten Operation einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt ist, so darf der Anfänger nicht gegen sein ärztliches Wissen und gegen bessere Überzeugung handeln und die Anweisungen des übergeordneten Facharztes befolgen.[909] Er muss mithin die ihm angesonnene Behandlungsübernahme ablehnen.[910] Die vom 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ins Auge gefasste („wenn es nicht anders geht“) Information des Patienten über diese Sachlage, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Einwilligung zu dem Eingriff zu verweigern,[911] kommt als sog. Risiko-Aufklärung[912] nur dann in Betracht, wenn in einer Notsituation bei akuter Gefährdung von Leib oder Leben des Patienten keine andere Behandlungsmöglichkeit als die durch einen Berufsanfänger besteht.[913] Dann hat der Patient zu entscheiden, ob er dieses Risiko einzugehen bereit ist.

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      Eine belegbare fahrlässige Deliktsverwirklichung (durch Übernahme der Krankenbehandlung) wird nicht dadurch irrelevant, dass eine subjektiv nicht zurechenbare weitere Sorgfaltswidrigkeit (Standardunterschreitung im Rahmen der Behandlung) nachfolgt. Es ist mithin bei der Übernahmefahrlässigkeit ein Rückgriff auf ein vor Eintritt der kritischen Situation liegendes Täterverhalten möglich. Der Arzt wird in Fällen der Übernahmefahrlässigkeit bspw. wegen der standardwidrigen Operation und nicht wegen seiner fehlenden Fortbildung bestraft. Hätte er die Krankenbehandlung unterlassen, so wäre sein Verstoß gegen die ärztliche Fortbildungspflicht strafrechtlich folgenlos geblieben. Seine Strafbarkeit setzt allerdings voraus, dass er den Mangel seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Behandlungsmöglichkeiten kennt oder zumindest hätte erkennen können.[914] Des Weiteren kann seine Strafbarkeit entfallen, wenn er in einer Notsituation eine Behandlung übernehmen musste, weil keine anderweitige Behandlungsmöglichkeit bestand.[915]

C. Weitere Voraussetzungen ärztlicher Fahrlässigkeitsstrafbarkeit I. Aktives Tun oder Unterlassen[916] als Anknüpfungspunkt

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      Die allgemeine Problematik einer Abgrenzung zwischen aktivem Tun und einem bei Erfolgsdelikten nur bei Vorliegen einer Garantenstellung strafbaren Unterlassen kann hier nicht näher abgehandelt werden.[917] Festzuhalten ist aber, dass die im Unterlassen von Sorgfaltsvorkehrungen bestehende „Unterlassenskomponente“ wesensnotwendig auch mit einem fahrlässigen aktiven Tun verbunden, also auch einem aktiven Begehungscharakter des in Rede stehenden Täterverhaltens immanent ist.[918] Da mithin in jedem aktiven sorgfaltspflichtwidrigen Verhalten auf Grund der Nichtvornahme der sorgfaltsgerechten Handlung zugleich ein Unterlassungsmoment enthalten ist, wäre es bei einem derart „doppelrelevanten Verhalten“ verfehlt, aus der bloßen Nichtvornahme einer gebotenen Verhaltensweise (etwa einer fehlenden hinreichenden Desinfektion vor Vornahme einer Operation)[919] auf ein nur bei Vorliegen einer Garantenstellung i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB strafbares und überdies eine fakultative Strafmilderung (§ 13 Abs. 2 StGB) eröffnendes Unterlassen zu schließen.[920]

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      Deshalb dürfte es vorzugswürdig sein, die Prüfung der Strafbarkeit vorab nicht auf ein Begehen oder Unterlassen zu beschränken:[929] Wirkt der Täter durch Energieeinsatz[930] auf einen Kausalprozess ein, so liegt ein aktives Tun vor,[931] das auf seine strafrechtliche Relevanz hin zu überprüfen ist und nicht durch den Kunstgriff einer Umwertung in ein Unterlassen umgedeutet werden darf. Hat der Täter hingegen gar nicht aktiv gehandelt oder vermag sein aktives Handeln strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen, kann anschließend sein Unterlassen in den Blick genommen werden.[932] Sollten sowohl die Handlungs- als auch die Unterlassungskomponente zur Strafbarkeit führen, so würde dann auf der Konkurrenzebene das Unterlassungsdelikt hinter das Begehungsdelikt als subsidiär zurücktreten.[933]

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      Das Verhalten des Arztes muss für den eingetretenen Körperverletzung- oder Todeserfolg nicht nur kausal im Sinne der conditio sine qua non-Formel[934] gewesen sein.[935] Eine Zurechnung des Erfolgs setzt zusätzlich zum einen voraus, dass er im Falle eines hypothetischen, im Rahmen des rechtlich Zulässigen liegenden Verhaltens des Täters nicht eingetreten wäre (sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang[936]). Zum anderen muss sich gerade die durch die mangelnde Sorgfalt des Täters gesetzte Gefahr im eingetretenen Erfolg realisiert haben; auch muss der Erfolg in den Schutzbereich der Norm fallen (sog. Risiko-Zusammenhang[937]).

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      Das Täterverhalten muss gerade in seiner Pflichtwidrigkeit für den Erfolg „kausal“[938] geworden sein, so dass sich der Erfolg als Verwirklichung der vom Täter unerlaubt gesetzten Gefahr darstellt. Es ist also festzustellen, ob der Erfolg vermieden worden wäre, wenn der Arzt die pflichtgemäße Sorgfalt eingehalten hätte. Wäre der Todes- oder Verletzungserfolg hingegen auch dann eingetreten, so beruht er nicht auf der Pflichtwidrigkeit, d.h. es fehlt am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit hypothetischer Kausalverläufe gründet auf dem – strafrechtliche Inkriminierungen limitierenden – Schuldprinzip,

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