Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов
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1. Rechtsquellen
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Primär-, Sekundär-, Tertiärrecht
Wie erläutert, ist das Eigenverwaltungsrecht der EU in seinen Grundzügen im Primärrecht niedergelegt; ferner gibt es insoweit ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts. Das Eigenverwaltungsrecht findet seine Grundlage aber hauptsächlich im Sekundärrecht. Regelmäßig handelt es sich dabei um in den EU-Gesetzgebungsverfahren erlassene Verordnungen und, eher weniger, Richtlinien, die der Kommission bestimmte Verwaltungsaufgaben zuweisen oder die konkret Einrichtungen der EU gründen, ihre Aufgaben und Befugnisse festschreiben und die einschlägigen Verfahrensregeln verankern. Dadurch werden die allgemeinen Grundsätze auch bereichsspezifisch ausgestaltet. Auf dieser Grundlage werden häufig weitere Regelungen in einschlägigen delegierten Rechtsakten und in Durchführungsrechtsakten erlassen, letzteres regelmäßig in Form von Beschlüssen der Kommission. Eine erhebliche Bedeutung im Eigenverwaltungsrecht hat die exekutive Rechtsetzung nach Art. 290 und Art. 291 Abs. 2 AEUV durch die Kommission und ausnahmsweise den Rat. Bei dieser exekutiven Rechtsetzung der Kommission wirken teilweise dezentrale Agenturen vorbereitend mit. Doch kommen ihnen auch begrenzte eigene exekutive Rechtsetzungsbefugnisse nach Art von Durchführungsbeschlüssen gemäß Art. 291 Abs. 2 AEUV zu.[117] Eine weitere Rechtsquelle sind interinstitutionelle Vereinbarungen (Art. 295 AEUV). Für das EU-Eigenverwaltungsrecht ist insoweit die Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung zentral, weil sie – zusammen mit ihrer jüngsten Ergänzung – nähere Regelungen für den Erlass von Durchführungs- und delegierten Rechtsakten durch die Kommission enthält.[118]
2. Handlungsformen
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Traditionelle Rechtsaktsformen
Entsprechend dem allgemeinen Katalog der Rechtsakte in Art. 288 AEUV findet man auch im EU-Eigenverwaltungsrecht Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse und die nicht verbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen. Die Durchführungsbeschlüsse der Kommission sind entweder Einzelfallentscheidungen, also an einen Adressaten gerichtet, üblicherweise entweder an Unternehmen oder an Mitgliedstaaten, oder aber – und das durchaus häufig – an die Mitgliedstaaten adressierte, sekundärrechtliche Vorgaben konkretisierende, die weitere Umsetzung durch die Mitgliedstaaten vorbereitende Beschlüsse.[119] Durchführungsakte können über die Einzelfallregelung hinaus auch allgemein gelten, also für objektiv bestimmte Situationen gegenüber abstrakt bestimmten Personen oder Personengruppen.[120]
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Vielfalt der Handlungsformen
Die Handlungsformen der EU-Eigenverwaltung gehen über den klassischen Katalog hinaus und haben eine große Vielfalt angenommen, für die eine Kategorisierung im Hinblick auf Rechtswirkungen, Verfahrensanforderungen oder Rechtsschutzmöglichkeiten noch aussteht[121]: Es finden sich Verwaltungsverträge, Verwaltungsabkommen (teilweise auch reine Zuständigkeitsfragen regelnd[122]), nicht näher kategorisierte Realhandlungen im Rahmen von Informationshandeln und -austausch, Planungsakte und eine Fülle von soft law Instrumenten wie Rahmen, Mitteilungen oder Leitlinien, wobei letztere Begrifflichkeit durchaus sehr unterschiedlich verwendet wird und unverbindliche Leitlinien zur Anwendungssteuerung im EU-Wettbewerbsrecht genauso erfasst wie die verbindlichen Leitlinien der Kommission im Energiebinnenmarktrecht.[123] In der Beihilfeaufsicht durch die Kommission werden Unionsrahmen gemeinsam mit den Mitgliedstaaten erarbeitet, deren Bindungswirkung dann aus Art. 23 Abs. 1 S. 2 BeihilfeverfahrensVO (EU) 2015/1589 folgt. Die vielfältigen Aufgaben, die von oder in Zusammenarbeit mit Agenturen wahrgenommen werden, erweitern die Handlungsformen zusätzlich. Dort ist auch noch die Handlungsform der Entscheidung anzutreffen, die materiell-rechtlich dem heutigen Beschluss entspricht.[124]
VI. Ausblick
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Trends: Zentralisierung, Diversifizierung
Die Pluralisierung und Ausdifferenzierung der EU-Eigenverwaltung ist Ausdruck eines Trends, den Vollzug von Unionsrecht stärker zu zentralisieren. Jedenfalls nimmt die Zahl der Agenturen weiter zu, wie auch die Fälle, in denen die Kommission entweder selbst Vollzugsaufgaben übernimmt oder durch exekutive Rechtsetzung oder softe Steuerungsmechanismen den Vollzug des Unionsrechts auf dezentraler Ebene stärker determiniert. Andererseits ist nicht jede neue Agenturgründung gleichbedeutend mit der Verschiebung von Vollzugszuständigkeiten auf die zentrale Ebene, da die allermeisten Agenturen eher im Vorfeld der Politikformulierung oder/und im Rahmen der Informationsbesorgung und der Verbesserung der Kooperation der nationalen Behörden tätig werden.
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Trends: Ausdifferenzierung der Vollzugswirklichkeit, Verdichtung der Vollzugssteuerung
Ferner entwickelt sich gerade in manchen klassischen Feldern der EU-Eigenverwaltung ein immer differenzierteres Bild der Vollzugszuständigkeiten: Die nationalen Stellen werden in die Anwendung etwa des EU-Kartellrechts und des EU-Beihilferechts vermehrt einbezogen, zur Entlastung der Kommission, deren Aufgabenwahrnehmung sich dann in Richtung Kontrolle und Aufsicht verschiebt. Es gibt daher keine einheitliche Tendenz der Entwicklung des Verwaltungsvollzugs, die nur in Richtung stärkerer Zentralisierung des Unionsrechtsvollzugs weisen würde. Gleichwohl bleibt, wie bereits aufgezeigt, das Anliegen der EU bestehen, die Effektivität und Einheitlichkeit des Unionsrechtsvollzugs zu stärken, was eine gewisse weitere Verdichtung zentraler Steuerungsmechanismen durch eine Europäische Verwaltung mit sich bringt. Die Stärkung der demokratischen Kontrolle über die EU-Eigenverwaltung, insbesondere über Kommission und Agenturen, gerade auch bei deren exekutiver Rechtsetzung, bleibt daher ein fortwährender Auftrag bei der weiteren gesetzgeberischen Ausgestaltung der EU-Eigenverwaltung.
I. Einleitung: Begriff, Erscheinungsformen, Ebenen
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Unionsverwaltungsrecht: national und unional
Unionsverwaltungsrecht meint das Recht des dezentralen, mittelbaren Vollzugs von EU-Recht durch die Mitgliedstaaten. Im eigentlichen Sinne bezieht sich der Begriff auf die Rechtsgrundlagen oder Anforderungen dafür, die aus dem Unionsrecht stammen.[125] Grundsätzlich bestimmt sich der dezentrale Vollzug nach dem nationalen Verfahrens- und Organisationsrecht (sog. Verfahrens- und Organisationsautonomie[126]), soweit nicht das Unionsrecht Regeln vorgibt und/oder Anforderungen an dieses nationale Recht stellt.[127] Das Unionsrecht kann nicht nur im EU-Sekundärrecht konkrete Vorgaben für die Verfahrensgestaltung, unter Umständen unmittelbar anwendbare Verfahrensregeln für die nationalen Verwaltungsverfahren formulieren, in denen Unionsrecht vollzogen wird, und institutionelle Vorgaben für das Organisationsrecht insoweit festlegen; am umfangreichsten ist das im EU-Zollrecht erfolgt, das von nationalen Behörden nahezu ausschließlich auf der Grundlage des Unionszollkodex[128] vollzogen wird. Das Unionsrecht statuiert auch allgemeine Anforderungen an das nationale Verwaltungsverfahrens- und -organisationsrecht. Rechtsquellen des Unionsverwaltungsrechts sind somit neben den Verträgen und ihren grundlegenden verfassungsverwaltungsrechtlichen Aussagen das Richterrecht, das allgemeine Rechtsgrundsätze hierzu entwickelt, und Sekundärrecht. Insgesamt führt das zu der „Europäisierung“ des nationalen Verwaltungsrechts[129] und damit einer Konvergenz nationaler Verwaltungsrechte der Mitgliedstaaten.[130] Die grundlegendsten Grundsätze