Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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style="font-size:15px;">      Über die Möglichkeit solcher Bereichskodifikationen[69] hinaus ermöglicht Art. 298 Abs. 2 AEUV, der im Zuge des Vertrages von Lissabon[70] ins Primärrecht eingefügt wurde, nach h. A. nunmehr auch eine Generalkodifikation des EU-Eigenverwaltungsverfahrensrechts.[71] Die Diskussion, ob eine entsprechende Kompetenz vor dem Vertrag von Lissabon bereits auf der Grundlage anderer Kompetenztitel bestand,[72] ist damit obsolet geworden. Eine solche Generalkodifikation hätte den Vorteil, dass sie die bereits existierenden, über zahlreiche Rechtsakte versprengten verfahrensrechtlichen Vorschriften[73] bündeln, systematisieren und aufeinander abstimmen und auf diese Weise zur Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beitragen würde.[74]

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      Ausschließliche Zuständigkeit

      Insoweit kommt es zunächst darauf an, ob es sich bei Art. 298 Abs. 2 AEUV um eine ausschließliche Zuständigkeit der EU handelt. Dagegen spricht, dass das unionsinterne Eigenverwaltungsrecht der EU nicht im Kompetenzkatalog des Art. 3 AEUV aufgeführt ist. Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, dass es sich in materieller Hinsicht um Politikbereiche handelt, die der EU-Eigenverwaltung zugeordnet sind und damit unstreitig eine ausschließliche Kompetenz der EU darstellen. Demzufolge muss die EU kraft „implied powers“ (ähnlich der Annexkompetenz des Sachzusammenhangs) auch für das betreffende Verwaltungsverfahrensrecht ausschließlich zuständig sein. Dementsprechend sind Rechtsakte, die auf diese Kompetenzgrundlage gestützt werden, allein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Es gelten die allgemeinen Regeln. Abgesehen hiervon dürften die Vorgaben, die sich aus dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Kodifikation des EU-Eigenverwaltungsverfahrensrechts ergeben, eher gering sein, da die entsprechenden Vorschriften allein an die Union adressiert sind und daher die größtmögliche Schonung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume als zentrales Anliegen der Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dies darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit bei der Beantwortung der vorgelagerten Frage, in welchen Fällen die Union überhaupt im direkten Vollzug tätig werden darf, eine umso wichtigere (und begrenzende) Rolle einnehmen.

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      Umfang der angestrebten Kodifikation

      Während eine Unionskompetenz zur Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts für den direkten Vollzug nahezu unbestritten ist, birgt die Frage, ob die EU darüber hinaus auch über die Kompetenz zur Kodifikation der im Rahmen des indirekten Vollzugs durch die Mitgliedstaaten anzuwendenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen und Prinzipien verfügt, erhebliches Diskussionspotential. Insofern ist abermals nach dem Umfang der angestrebten Kodifikation zu unterscheiden.

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      Fehlende Kompetenzgrundlage für Gesamtkodifikation

      Für eine Generalkodifikation der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben für den indirekten Vollzug des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten fehlt es nach ganz überwiegender Auffassung bereits an einer Kompetenzgrundlage in den Verträgen.[75] Ein Rückgriff auf die (eng auszulegende) Vertragsabrundungskompetenz des Art. 352 AEUV scheidet schon deshalb aus, weil die Kodifikation des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts nicht zu den „in den Verträgen festgelegten Politikbereiche[n]“ gehört.[76] Auch Art. 197 Abs. 2 S. 4 AEUV, wonach der europäische Gesetzgeber zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um eine Verbesserung der Fähigkeit ihrer Verwaltung zur Durchführung des Unionsrechts „unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“ die erforderlichen Maßnahmen erlässt, macht deutlich, dass der Unionsgesetzgeber nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügt. Schließlich legt auch Art. 298 AEUV e contrario diesen Schluss nahe.[77]

      43

      Zweckmäßigkeit

      Zur Begründung der Zweckmäßigkeit einer Generalkodifikation des im indirekten Vollzug anwendbaren mitgliedstaatlichen Verwaltungsverfahrens wird überwiegend darauf verwiesen, dass hierdurch die einheitliche und effektive Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Behörden und Gerichte in der gesamten Union befördert würde, was angesichts der beachtlichen Vollzugsdefizite in der Verwaltungsrealität der Union in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen wäre.[78]

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      De lege ferenda

      Rechtlich dürfte eine solche Kodifikation nach derzeitigem Stand jedoch unzulässig sein. So fehlt es der Union wie bereits dargestellt an einer hinreichenden Kompetenzgrundlage. Und selbst wenn eine solche de lege ferenda in die Verträge eingefügt würde, wäre äußerst fraglich, ob einer Ausübung dieser Kompetenz nicht die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit entgegenstünden,[79] wie sie insbesondere im Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten[80] zum Ausdruck kommen.

      45

      Verfahrensautonomie und Subsidiaritätsprinzip

      Als Konkretisierung des allgemeinen Gedankens der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ein auch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsatz.[81] Mit dem Begriff der „Autonomie“ wird nicht etwa eine absolute Kompetenzgrenze definiert, sondern vielmehr geht es ganz im Sinne von Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip darum, die verfahrensmäßige Eigengesetzlichkeit der mitgliedstaatlichen Unionsrechtsanwendung so weit wie möglich zu schützen.[82] Der Begriff des „Verfahrens“ bzw. des Verfahrensrechts wiederum bezieht sich vorrangig auf diejenigen Regelungen, die auch in der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik dem Verfahrensrecht zuzuordnen sind, umfasst als autonomer unionsrechtlicher Begriff darüber hinaus aber auch das Verwaltungsorganisations- und Verwaltungsprozessrecht sowie das Staatshaftungsrecht.[83] Beim Vollzug von Unionsrecht gelangen demnach grundsätzlich die nationalen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, soweit das Unionsrecht keine spezifischen primär- oder sekundärrechtlichen Regelungen bereithält.[84] Auch die Auslegung, Konkretisierung und Ausfüllung von Ermessensspielräumen ist, von wenigen Bereichen abgesehen, Aufgabe der Mitgliedstaaten.[85]

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      Grundentscheidung für die mitgliedstaatliche Verwaltung

      Im Ergebnis ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten keine absolute Garantie des nationalen Verwaltungsverfahrens und der nationalen Verwaltungsorganisation, er ist jedoch auch mehr als eine rein deklaratorische Zustandsbeschreibung.[86] Vielmehr kommt in ihm eine abwägungsfähige „Grundentscheidung der Verträge für die mitgliedstaatliche Verwaltung“[87] und das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht zum Ausdruck. Normativ ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten bereits in Art. 4 Abs. 1 EUV sowie in der Stoßrichtung der die Kompetenzausübung der EU steuernden Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV verortet. Mit dem Vertrag von Lissabon kommt er nunmehr auch in Art. 291 Abs. 1 und 2 AEUV zum Ausdruck, wonach die Mitgliedstaaten alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen „nach innerstaatlichem Recht“ ergreifen.

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