Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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style="font-size:15px;">      Zu den Rechtsquellen im weiteren Sinne zählen Einflussfaktoren, die das objektive Recht prägen können.[52] Als derartige Einflussfaktoren werden die Gerichtspraxis, ausländische Urteile, Modellgesetze, aber auch die Volksanschauung genannt.[53] Anstatt von Rechtsquellen im weiteren Sinne ist hier auch oft von Rechtserkenntnisquellen die Rede,[54] was erkennbar quer zu dem deutlich weiteren Begriffsverständnis steht, das durch Peter Liver geprägt worden ist.[55] Die Normbegründung mittels Rechtserkenntnisquellen spielt im Völker- und Unionsrecht eine wichtige Rolle. Wenn hier auf nationales Recht Bezug genommen wird (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut, Art. 6 Abs. 3 EUV), bedeutet dies nicht, dass nationales Recht unmittelbar zur Rechtsquelle wird. Vielmehr wird im Wege einer wertenden Rechtsvergleichung eine eigene Norm des Völker- bzw. Unionsrechts aus dem nationalen Rechtskreis abgeleitet.[56]

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      Prinzipien

      In Anlehnung an Ronald Dworkin,[57] dessen Gedanken in Deutschland vor allem von Robert Alexy aufgegriffen und fortentwickelt worden sind, unterscheidet die Rechtstheorie mit Regeln und Prinzipien zwischen zwei Kategorien von Rechtsnormen.[58] Die Unterscheidung ist auch für die Rechtsquellenlehre von Bedeutung. Regeln sowie Prinzipien sind beides Rechtsnormen, weisen aber eine unterschiedliche formale Struktur auf, die sich vor allem im Kollisionsfall zeigt.[59] Prinzipien sind Optimierungsgebote. Sie gebieten, dass „etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maß realisiert wird“.[60] Konflikte zwischen Prinzipien werden im Wege bedingter Vorrangrelationen durch Bildung einer Regel aufgelöst, die angibt, unter welchen Bedingungen das eine Prinzip dem anderen vorgeht.[61] Demgegenüber gliedern sich Regeln in einen Tatbestand und eine Rechtsfolge auf. Regeln können als strikt zu beachtende Festsetzungen entweder erfüllt oder nicht erfüllt sein. Mit Rücksicht auf diese binäre Struktur kann eine Regelkollision nur durch die Aufnahme einer Ausnahmeklausel oder dadurch aufgelöst werden, dass zumindest eine Regel für ungültig erklärt wird.[62] Traditioneller Schwerpunkt der Prinzipienlehre ist die Grundrechtstheorie.[63] Das Prinzipiendenken Alexys hat darüber hinaus aber auch Eingang in viele andere Rechtsgebiete gefunden.[64]

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      Zentrale Aufgaben der Rechtsquellenlehre

      Im Prozess der Rechtsgewinnung leistet die Rechtsquellenlehre drei wichtige Beiträge: Sie zieht eine Trennlinie zu Sollensgeboten außerrechtlicher Provenienz, beispielsweise zur Moral (I.).[65] Sie unterscheidet Rechtskreise und Normebenen, um die für die Geltungsentstehung, den Geltungsverlust sowie die für die Auslegung und Rechtsfortbildung einschlägigen Rechtsnormen zu identifizieren (II.). Zuletzt werden mit ihrer Hilfe Normkollisionen aufgelöst (III.).

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      Unterscheidung rechtlicher und außerrechtlicher Normen

      Indem die Rechtsquellenlehre die Sollensgebote des geltenden, positiven Rechts identifiziert, zieht sie als Kehrseite eine Grenze zu außerrechtlichen Sollensgeboten.[66] Die Unterscheidung von rechtlichen und außerrechtlichen Normen dient der Rechtssicherheit und ist in rechtsstaatlich-demokratischen Systemen zugleich Garant der Freiheitssicherung sowie der demokratischen Legitimation des Gesetzes.[67] Der Bedeutung der Unterscheidung von rechtlichen und nicht-rechtlichen Sollensgeboten steht nicht entgegen, dass diese in der Rechtspraxis nicht explizit thematisiert wird. Die Trennung rechtlicher und außerrechtlicher Maßstäbe ist kein eigenständiger vorgelagerter Prüfstein in der Rechtsfindung, sondern das Ergebnis einer Negativabgrenzung. Sollensgebote, die nicht einer in der Rechtsordnung anerkannten Rechtsquelle zugeordnet werden können, sind Nicht-Recht. Sie haben bei der Rechtsfindung außer Betracht zu bleiben.

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      Bedeutung der Normqualifikation

      Sobald eine Rechtsordnung mehr als nur eine Rechtsquelle kennt, stellt sich die Frage nach der Qualifikation einer Norm. Diese kann aus einer Vielzahl von Gründen von Bedeutung sein. Hierzu gehören die formellen Geltungsbedingungen, beispielsweise die Anforderungen an das Verfahren der Normsetzung einschließlich der Verkündung, materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen, die Bedingungen eines Geltungsverlustes, das Rechtsregime der Fehlerfolgen, die Bindungswirkungen einer Norm oder die Rechtsschutzmöglichkeiten. In welche Rechtsschichten sich ein Rechtskreis ausdifferenziert, ist eine Frage, die innerhalb des jeweiligen Rechtskreises zu beantworten ist. Innerhalb der Rechtskreise lassen sich die verschiedenen Rechtsebenen aber auf gemeinsame Grundtypen zurückführen.[68]

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      Normkollisionen

      Das Rechtssystem hat die Funktion, Erwartungen auch dann zu stabilisieren, wenn sie enttäuscht werden. Dies verbietet ein Nebeneinander von Normen, die bei der binären Differenzierung zwischen Recht und Unrecht zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen.[69] Auch insoweit leistet die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien wertvolle Dienste. Auf Regelebene muss eine parallele Geltung sich widersprechender normativer Gebote kategorisch ausgeschlossen werden.[70] Dabei ist zwischen der Kollision von gleichrangigen Normen und Normen unterschiedlicher Normschichten zu unterscheiden.[71] Prinzipienkonflikte werden durch die Bildung bedingter Vorrangrelationen aufgelöst.[72]

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      Entwicklungstendenzen der Rechtsquellenlehre

      Die in den letzten Jahrzehnten zu konstatierenden Veränderungen in der Rechtsquellenlehre sind bedeutend.[73] Ob sie bereits zu einer „Neukonzeption“[74] nötigen oder sich nicht doch weitgehend mit dem herkömmlichen Instrumentarium bewältigen lassen, wird unterschiedlich beantwortet.[75] Zu beachten ist, dass Verschiebungen zwischen den Rechtsebenen immer auch eine institutionelle Bedeutung haben. Wenn eine Rechtsquelle durch eine andere Rechtsquelle ersetzt oder marginalisiert wird, sind damit Machtverschiebungen zwischen den jeweiligen Akteuren der Rechtssetzung verbunden.

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      Reduzierte Normsetzungsspielräume

      Klarer Verlierer ist die tradierte parlamentarische Rechtssetzung auf Ebene des Nationalstaates. Zwar wird weiterhin ein Großteil der Normen des geltenden Rechts im Wege einfachgesetzlicher Normen erlassen. Dieser Befund darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Spielräume der Parlamente zur eigenständigen Politikgestaltung abgenommen haben. Der früher zutreffende Befund, das Gesetz sei ein zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates,[76] ist deshalb nur formal betrachtet weiterhin richtig. Richtlinien des Unionsrechts müssen in nationales Recht umgesetzt, völkerrechtliche Verträge ratifiziert und die Vorgaben des BVerfG in das einfache Gesetzesrecht übernommen werden. Mit der parlamentarischen Normsetzung sind in vielen Politikbereichen keine substanziellen Entscheidungsbefugnisse mehr verbunden. Die parlamentarische

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