Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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      Kompetenz

      Die Gesetzgebungskompetenzen sind ein Spiegel der politischen Aktionsräume der Akteure der Normsetzung. Dies ist in gestuften Rechtsordnungen keine Quantité négligeable. Nur wenn die Kompetenzordnung strikte Beachtung findet, ist sichergestellt, dass politische Verantwortung klar zugerechnet werden kann. Dies umzusetzen, fällt schwer, wenn die Normsetzungsbefugnisse auf den verschiedenen Ebenen nach unterschiedlichen Ordnungsprinzipien verteilt werden. Dies zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit bei den Grundrechten (Art. 1–19 GG, Art. 101–104 GG, GRCh), aber auch den Grundfreiheiten des Unionsrechts. Ihr potenziell universeller (wertbezogener) Geltungsanspruch, der in ihrem Prinzipiencharakter wurzelt, liegt quer zu den eher nach Politikbereichen geordneten Kompetenzkatalogen des AEUV und des GG. Die Folge sind vielfältige Interventionen des Richterrechts in nahezu sämtliche Politikbereiche.[284]

      75

      Verfahren

      Verfahrensrechtliche Anforderungen beziehen sich auf den Ablauf des Rechtssetzungsverfahrens und das Zusammenspiel der daran beteiligten Akteure. Inwieweit eine Norm das ihr innewohnende Legitimationspotenzial auszuschöpfen vermag, ist entscheidend vom Faktor Zeit und den in die Rechtssetzung eingehenden personellen wie sachlichen Ressourcen abhängig. Die Akzeptanz einer Norm (förmliches Gesetz, Richterrecht) korreliert im Allgemeinen damit, wie sorgfältig sie ausgearbeitet und begründet worden ist. Beides ist mit häufig übersehenen Opportunitätskosten verbunden, weil auch Ressourcen, die dem „Gesetzgeber“ zur Verfügung stehen, nicht beliebig vermehrt werden können.

      76

      

      Form

      Die Beachtung der Form sichert die Authentizität und die Zugänglichkeit des gesetzten Rechts. Dies ist bei den primären Rechtsquellen in der Regel unproblematisch, obwohl sich auch hier – beim sog. Redaktionsversehen – Fragen stellen können, welche textliche Fassung verbindlich ist.[285] Deutlich schwieriger ist es, das geltende Richterrecht zu bestimmen. Hier leisten Leitsätze eine wichtige Hilfestellung, die aber häufig interpretationsbedürftig sind und dann unter Rückgriff auf die Entscheidungsgründe konkretisiert werden müssen.[286]

      77

      Vereinbarkeit mit Vorgaben des höherrangigen Rechts

      Prüfstein der materiellen Rechtmäßigkeit sind die inhaltlichen Vorgaben der höherrangigen Normebenen (Vorrang der Verfassung, Vorrang des Gesetzes, Vorrang des Primärrechts).[287] Diese einzuhalten, wird umso eher zum Problem, je deutungsoffener die Normtexte des höherrangigen Rechts abgefasst sind. Damit steigt auch das Risiko, dass sie richterrechtlich in einer Weise konkretisiert werden, die bei der Normsetzung auf den untergeordneten Ebenen noch nicht berücksichtigt werden konnte. Besondere Schwierigkeiten sind hier mit dem Prinzipiencharakter der rechtlichen Grundordnungsebene verbunden. Konfligierende Prinzipien müssen durch Vorrangregeln im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden.[288] Dies kann nur über eine Präjudizienbindung gelingen, die Pfadabhängigkeiten begründet.[289]

      78

      Nichtigkeitsdogma und Vernichtbarkeit

      Die Fehlerfolgenlehre von Rechtsnormen wird durch zwei Grundpositionen abgesteckt.[290] Nach dem Nichtigkeitsdogma ist die rechtswidrige Norm ipso iure unwirksam und vermag keinerlei Rechtswirkungen zu entfalten. Denkbar erscheint es aber auch, von der bloßen Vernichtbarkeit der rechtswidrigen Norm auszugehen. Die Norm bleibt solange wirksam, bis sie durch den Gesetzgeber selbst aufgehoben oder durch Richterspruch vernichtet wird. Diese Auffassung hat den Vorzug, den Widerspruch zwischen rechtlicher Geltung im Außenbereich und soziologischer Geltung sowie der Normgeltung im Binnenbereich zu vermeiden, mit dem sich das Nichtigkeitsdogma konfrontiert sieht. Bis zu dem Zeitpunkt einer autoritativen Normverwerfung (gesetzliche Aufhebung der Norm oder judikative Nichtigkeitserklärung) ist die Norm jedenfalls seitens der Verwaltung mangels Normverwerfungsbefugnis zu beachten. Ebenso handelt auch der Bürger, der von der Nichtigkeit ausgeht, auf eigenes Risiko. Haupteinwand gegen die Vernichtbarkeitsthese ist ihre Abhängigkeit vom Prozessrecht. Wenn der Prozessgesetzgeber über die Voraussetzungen der Normvernichtung disponieren kann, wird ihm auch in materiell-rechtlichen Fragen Rechtssetzungsmacht zugeschrieben.[291]

      79

      Verfassungsrechtliche Vorgaben

      Dem deutschen Recht liegt jedenfalls im Ausgangspunkt das Nichtigkeitsdogma zugrunde.[292] Verfassungsrechtlich ist dies nicht zwingend geboten.[293] Gefordert ist allein eine gewichtige Sanktion,[294] sodass es dem Gesetzgeber frei steht, das Nichtigkeitsdogma bei überwiegenden gegenläufigen Belangen zu durchbrechen. Von dieser Option ist insbesondere im Planungsrecht (Grundsatz der Planerhaltung, §§ 214 ff. BauGB),[295] aber auch für kommunalrechtliche Satzungen für Form- und Verfahrensfehler Gebrauch gemacht worden (z. B. § 4 Abs. 4 GemO Bad.-Württ.[296], § 7 Abs. 6 GemO NRW[297]).[298] Darüber hinaus ist mit der richterrechtlich entwickelten Unvereinbarkeitserklärung, die durch §§ 31 Abs. 2 S. 2, 79 Abs. 1 BVerfGG einfachgesetzlich bestätigt wurde, eine bedeutende Ausnahme anerkannt worden. Dies ist bei Gleichheitsverstößen geboten,[299] aber auch dann, wenn die Nichtigkeitsfolge dem verfassungsmäßigen Rechtszustand noch ferner steht als die bestehende Regelung.[300] Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung wird auch bei untergesetzlichen Rechtsvorschriften als zulässig angesehen.[301]

      80

      Vernichtbarkeitsdoktrin

      Die Rechtsprechung des EuGH wählt einen anderen Ausgangspunkt, der in der Vernichtbarkeitsdoktrin gründet. Für Rechtsakte der Unionsorgane soll grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit[302] bzw. der „Rechtmäßigkeit“[303] sprechen. Abweichendes gilt für Rechtsakte, die mit einem Fehler behaftet sind, dessen Schwere so offensichtlich ist, dass er von der Unionsrechtsordnung nicht geduldet werden kann. Solche Rechtsakte entfalten keine auch nur vorläufige Rechtswirkung, sondern sind von Anfang an als rechtlich inexistent zu betrachten.[304] Aus Gründen der Rechtssicherheit soll dies aber allein „ganz außergewöhnlichen Fällen vorbehalten“ bleiben.[305] Die Nichtigkeitsklage ist folglich als Gestaltungsklage mit ex tunc Wirkung anzusehen.[306] Die Befugnis, einen Rechtsakt der Union für nichtig zu erklären, steht ausschließlich dem EuGH zu, der damit über ein Normverwerfungsmonopol verfügt.[307]

      81

      Bindungswirkung von Normen

      Die Antwort auf die Frage, inwieweit Normen in der Lage sind, Bindungswirkungen außerhalb ihres eigenen Rechtskreises zu erzeugen, lässt sich auf zwei Grundmuster zurückführen. Diese entstammen ursprünglich der Völkerrechtslehre,[308] lassen sich als Deutungsmuster aber auch auf das Verhältnis anderer Rechtskreise übertragen. Nach dem Monismus werden Völkerrecht und nationales Recht als Teile einer sich überschneidenden Gesamtrechtsordnung gedacht. Dabei kann entweder dem nationalen Recht oder dem Völkerrecht Vorrang zukommen.[309] Demgegenüber geht der auch vom BVerfG vertretene Dualismus von zwei voneinander getrennten Rechtskreisen aus.[310] Die Geltung einer Norm der anderen Rechtsordnung muss dann entweder generell oder im Einzelfall angeordnet werden. Die Öffnung für den anderen Rechtskreis kann auch von einschränkenden Bedingungen abhängig gemacht werden.

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