Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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wie im Unionsrecht ist die Einordnung der allgemeinen Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle explizit in verbindlichen Normtexten abgesichert. Für den Bereich des Völkerrechts folgt dies aus Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut. Auch das Unionsrecht nimmt auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze Bezug (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 340 Abs. 2, Abs. 3 AEUV). Vor Inkrafttreten des VwVfG bildeten die allgemeinen Rechtsgrundsätze eine zentrale Rechtsquelle des allgemeinen Verwaltungsrechts.[232] Der einheitliche Begriff darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter den allgemeinen Rechtsgrundsätzen aus rechtstheoretischer Perspektive unterschiedliche Normtypen verbergen. Bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwaltungsrechts, die 1977 durch das VwVfG abgelöst wurden, handelte es sich um subsumtionsfähige Regeln, die jedenfalls zum Teil nach dem Konditionalschema Tatbestand und Rechtsfolge strukturiert waren. Speziell auf primär- und auf verfassungsrechtlicher Ebene kommt den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hingegen eher Prinzipiencharakter zu. Sie sind auf eine Konkretisierung angelegt und müssen in der Regel mit gegenläufigen Prinzipien abgewogen werden. Beispiele hierfür sind so abstrakte Prinzipien wie der Grundsatz von Treu und Glauben[233] oder das Verbot des Rechtsmissbrauchs.[234]

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      Begründung allgemeiner Rechtsgrundsätze

      Die normative Verbindlichkeit der allgemeinen Rechtsgrundsätze unter Hinweis auf Gewohnheitsrecht zu begründen, sieht sich den allgemeinen Einwänden ausgesetzt, die speziell im Verwaltungsrecht gegen die Figur erhoben werden.[235] Methodisch überzeugender sind zwei alternative Ansätze. Allgemeine Rechtsgrundsätze lassen sich häufig aus übergeordneten Verfassungsprinzipien ableiten, die miteinander konfligieren und dann im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden.[236] Diesem deduktiven Ansatz steht ein induktiver Ansatz gegenüber. Hier wird aus verschiedenen Einzelregelungen auf eine allgemeine Regel geschlossen. Anwendungsbeispiele für diesen Ableitungszusammenhang sind im Völkerrecht die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut) sowie die unionalen Grundrechte, soweit sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben (Art. 6 Abs. 3 EUV). In beiden Fällen wird nicht unmittelbar auf nationales Recht zurückgegriffen. Vielmehr dient dieses als Grundlage, um einen völkerrechtlichen bzw. unionalen Rechtssatz zu bilden. Die „fremden“ Rechtsordnungen sind daher keine echten Rechtsquellen, sondern lediglich Rechtserkenntnisquellen. Nicht überzeugend ist es, allgemeine Rechtsgrundsätze unmittelbar aus dem Prinzip der Gerechtigkeit abzuleiten.[237]

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      Richterrecht

      Eine weitere Rechtsquelle des ungeschriebenen Rechts ist das Richterrecht.[238] Dessen Anerkennung ist insoweit unproblematisch, als eine Entscheidung nicht vollständig durch andere Rechtsquellen vorgegeben ist. In diesem Rahmen setzt das zur Entscheidung berufene Gericht selbst Recht.[239] Deutlich kritischer ist die Frage, ob eine einmal getroffene Entscheidung auch Wirkungen für Folgeentscheidungen hat bzw. haben darf. Die Rechtsprechungspraxis deutet in diese Richtung. In den Entscheidungsbegründungen nimmt die Auseinandersetzung mit Vorentscheidungen eine prominente Rolle ein.[240] Deren Bestätigung ist die Regel, eine Abweichung eine seltene und dann begründungsbedürftige Ausnahme. So unstrittig diese Beobachtung ist, so ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dies auch rechtlich geboten ist. Die Argumente in der Debatte sind weitgehend ausgetauscht.[241] Gegen die Bindung spricht, dass gerichtliche Entscheidungen nur inter partes wirken.[242] Wo ein Rückgriff auf Gewohnheitsrecht ausscheidet,[243] wird die normative Verbindlichkeit von Präjudizien unter Hinweis auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes,[244] die Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz[245] oder – was zirkulär anmutet – als Recht im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG begründet.[246] Ähnlich wie Verwaltungsvorschriften kommt dem Richterrecht nur eine präsumtive Verbindlichkeit zu.[247] Es kann im Wege des distinguishing fortentwickelt und im Wege des overruling abgelöst werden.[248] Umstritten ist, inwieweit der Vorrang und der Vorbehalt des Gesetzes der richterlichen Rechtsfortbildung im Bereich der Eingriffsverwaltung[249] Grenzen setzen. Dies ist entscheidend davon abhängig, ob Gesetzesbindung als Bindung an den Normtext (positivistischer Gesetzesbegriff), die ratio legis (teleologischer) oder die hinter den Normtexten stehenden Wertungen betrachtet wird (axiologischer Gesetzesbegriff).[250]

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      Nicht-Recht als Rechtsquelle des Verwaltungsrechts

      Eine wichtige Funktion der Rechtsquellenlehre besteht darin, Recht von außerrechtlichen Sollensgeboten zu unterscheiden.[251] Diese strikte Zweiteilung wird durchbrochen, wenn im Rechtssystem selbst auf außerrechtliche Normen Bezug genommen wird. Dies kann sich aus verschiedenen Gründen anbieten. Hierzu zählen die Einbindung privaten Sachverstandes, die Erhöhung der Akzeptanz und Vollzugsbereitschaft bei den Normadressaten, aber auch die Vermeidung einer unbedingten, strikten Verbindlichkeit zugunsten einer flexibleren situativen Normanwendung.[252]

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      Juridifizierung gesellschaftlicher Wertvorstellungen

      Verschiedene Normen des geschriebenen und des ungeschriebenen Verwaltungsrechts knüpfen tatbestandlich an Begriffe an, die auf gesellschaftliche Konventionen und Wertvorstellungen Bezug nehmen. Hierzu gehören die polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln, die ein Einschreiten auch bei einer Missachtung der öffentlichen Ordnung gestatten. Eine derartige Inkorporation darf nicht zu dem Missverständnis führen, hiermit würden gesellschaftliche Werte und Normen unmittelbar zu Rechtsquellen des Verwaltungsrechts. Entsprechende Normen werden nach den Maßstäben juridischer Rationalität ausgelegt und sind damit insbesondere im Lichte verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen zu interpretieren.[253]

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      Private Normierungseinrichtungen

      Sowohl auf nationaler, europäischer wie auf internationaler Ebene haben sich verschiedene private Normierungseinrichtungen etabliert.[254] Hierzu gehört auf nationaler Ebene insbesondere das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN).[255] Auf europäischer Ebene ist dies das Europäische Komitee für Normung (CEN)[256] und auf internationaler Ebene die International Organization for Standardization (ISO).[257] Die Fülle der von diesen gesetzten, nichtstaatlichen und damit mangels Rechtssetzungsbefugnis prima facie unverbindlichen Standards[258] ist unüberschaubar.[259] Ihr traditioneller Regelungsgegenstand sind technische Normen, die die Sicherheit und die Qualität von Produkten gewährleisten sollen. Große Bedeutung kommt der privaten Normsetzung auch im Bereich der Cybersecurity zu.[260] Damit entlastet die private Normierung den Staat. Dies gilt nicht nur unter Kostenaspekten. Der Verzicht auf eine eigene staatliche Standardsetzung setzt Ressourcen frei, die sonst in möglicherweise langwierigen Auseinandersetzungen um einen Ausgleich divergierender Interessenlagen gebunden wären. Kehrseite dieser Effizienzvorteile sind legitimatorische Schwächen. Wohl unstrittig ist hingegen der wichtige Beitrag, den die private Standardsetzung zur Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs leistet.[261]

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      Organisation privater Normierungseinrichtungen

      Beim DIN obliegt die Normierung den Normierungsausschüssen,[262] deren Arbeitsweise sich nach der DIN-Richtlinie bestimmt.[263] Die fachliche Arbeit wird durch externe Mitarbeiter geleistet, die von hauptamtlichen Bearbeitern des DIN unterstützt werden. Zu diesen gehören Fachleute aus den interessierten Kreisen, u. a. Anwender, Behörden, aber auch Vertreter von Umweltschutzverbänden,

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