Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer

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hatten, war sie tot?

      Zeugin: Ja. (Allgemeine Bewegung.)

      Vert. Rechtsanwalt Östreich: Sind beim Anlegen der Mundbinde oder infolge des Anlegens Ohnmachtsanfälle vorgekommen?

      Zeugin: Davon ist mir nichts bekannt.

      Vert.: Einer Korrigendin soll nach Abnahme der Mundbinde der Schaum vor den Mund getreten sein und Sie sollen ihr deshalb ein Glas Wasser gebracht haben?

      Zeugin: Das ist möglich.

      Vors.: Kranen, wurde Ihnen, wenn Ihnen die Mundbinde abgenommen wurde ein Glas Wasser gebracht?

      Kranen: Ich glaube manchmal.

      Es wurde hierauf das Strafregister der Kranen verlesen. Danach war diese vielfach wegen Frechheit, Zerreißens der Kleider, Zerschlagens von Gegenständen, unanständigen Benehmens, Arbeitsverweigerung, wegen Verweigerung, die Kirche zu besuchen usw. in Brauweiler mit Cachotte und Kostentziehung bestraft worden.

      In der Nachmittagssitzung wurde Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Pelmann (Bonn) als Sachverständiger vernommen. Die Angelegenheit der Mundbinde ist mir um so mehr bekannt, da diese dem Medizinalkollegium der Rheinprovinz, dessen Mitglied ich bin, vorgelegen hat. Es ist kein Zweifel, daß die Wodtke infolge Anlegens der Mundbinde verstorben ist. Allein ich muß es in Abrede stellen, daß die Mundbinde an sich ein gefährliches Instrument ist, das geeignet wäre, den Tod herbeizuführen. Das geht schon daraus hervor, daß die Mundbinde in vielen anderen Anstalten eingeführt war und wohl Hunderte, vielleicht Tausende von Malen, ohne daß der Tod herbeigeführt wurde, angewendet worden ist. Das ministerielle Verbot ist jedenfalls aus ethischen Gründen ergangen; es ist auch dabei auf irgendwelche Gefährlichkeit nicht hingewiesen worden. Die Todesursache der Wodtke ist noch nicht aufgeklärt. Es ist möglich, daß die Mundbinde zu sehr auf die Nase, vielleicht auch zu sehr auf den Kehlkopf gedrückt hat. Es ist auch noch eine andere Todesursache möglich. Ein Professor der Physiologie in Bonn, dem ich die Sache erzählte, sagte mir, ich finde die Sache aus physiologischen Gründen ganz erklärlich. So lassen sich z.B. Experimente, die man mit allen anderen Hunden vornehmen kann, niemals mit englischen Bulldoggen machen. Diese Tiere sind derartig bösartig, daß solche Experimente gewöhnlich ihren Tod herbeiführen. Eine ähnliche Todesursache ist bei der Wodtke, die vielleicht ebenfalls nach Anlegung der Mundbinde sehr erregt war, möglich. Der Umstand, daß in tausenden Fällen durch das Anlegen der Mundbinde der Tod nicht erfolgt ist, beweist, daß die Mundbinde weder objektiv noch subjektiv ein gefährliches Werkzeug ist, das geeignet ist, den Tod herbeizuführen. Wenn ich vor dem Anlegen der Mundbinde gefragt worden wäre, dann hätte ich gesagt, ich finde die Anwendung der Mundbinde nicht für schön und es empfiehlt sich überhaupt, von der Anwendung derartiger mittelalterlicher Instrumente Abstand zu nehmen, eine Todesgefahr ist jedoch ausgeschlossen.

      Vert.: Ich muß hervorheben, daß die Herren Kreisphysici Dr. Langgard und Dr. Eschwald und auch das Gutachten des Medizinalkollegiums sich doch anders äußern.

      Vors.: In der Verhandlung gegen Schellmann und Dr. Bodet wurde von den als Sachverständigen vernommenen Ärzten bekundet: Der Tod der Wodtke ist wohl durch Ersticken eingetreten, eine Fahrlässigkeit beim Anlegen der Mundbinde ist jedoch nicht zu konstatieren gewesen. Das Medizinalkollegium hat lediglich über den Sektionsbefund der Leiche, nicht aber über die Gefährlichkeit der Mundbinde ein Obergutachten abgegeben.

      Auf Antrag des Staatsanwalts und des Vertreters der Nebenkläger, Rechtsanwalts Gammersbach, wurde das freisprechende Erkenntnis gegen Schellmann und Dr. Bodet vom 1. März d.J. in seinem ganzen Umfange verlesen.

      Alsdann erschien als Zeugin Haushälterin Witwe Kulatz: Sie sei Aufseherin in Brauweiler gewesen. Wie ihr die Aufseherin Medder erzählt, habe die Wodtke sich beim Anlegen des Maulkorbes heftig gesträubt. Sie (Zeugin) sei bei der Anlegung des Maulkorbes der Wodtke nicht zugegen gewesen, habe aber anderen Korrigendinnen einige Male den Maulkorb angelegt. Es sei allgemein üblich gewesen, den Maulkorb eine Stunde anzulassen. Gewöhnlich sei nach Abnahme des Maulkorbes den Korrigendinnen Wasser gereicht worden; bisweilen seien auch die Korrigendinnen, ohne Wasser zu erhalten, an die Arbeit gegangen. Sie habe mehrfach Korrigendinnen durch Anlegen des Maulkorbes bestraft, wenn diese sich gegenseitig ihren früheren unsittlichen Lebenswandel vorwarfen. Ihr gegenüber habe sich niemals eine Korrigendin beklagt, daß sie durch das Anlegen der Mundbinde Atemnot und andere Nachteile davongetragen habe. Auch habe keine derartig bestrafte Korrigendin jemals verlangt, vor den Arzt geführt zu werden.

      Auf Befragen des Verteidigers sagte die Zeugin noch: Die Medder habe ihr erzählt, die Wodtke habe sich beim Anlegen der Mundbinde mit Händen und Füßen heftig gewehrt. Man habe aber der Wodtke die Hände und Füße gebunden und ihr hierauf die Mundbinde angelegt. Die Wodtke habe sich darauf zur Erde fallen lassen und sei auch nicht mehr aufgestanden.

      Auf Befragen des Vorsitzenden und des Rechtsanwalts Gammersbach bekundete die Zeugin: Sie habe niemals irgendwelche Mißhandlungen in Brauweiler wahrgenommen. Direktor Schellmann, der ein sehr strenger, aber gerechter Mann sei, habe weder jemals direkt noch indirekt Befehl zu irgendeiner Mißhandlung gegeben.

      Es wurde darauf Witwe Wernitzki als Zeugin vernommen: Mein verstorbener Mann war Aufseher in Brauweiler. Ich habe acht Kinder. Der Knabe, von dem gestern die Rede war, war mein Stiefsohn. Als mein Mann auf Außenkommando war, brachte mir einmal mein Stiefsohn ein Stück Kette, das er gefunden haben wollte. Dieses Stück Kette gehörte dem Aufseher Esser, dem angeblich eine goldene Uhr und Kette gestohlen war. Esser beschuldigte meinen Sohn des Diebstahls. Letzterer bestritt dies aber entschieden. Ich redete meinem Sohne streng ins Gewissen, untersuchte alles ganz genau, der Knabe aber blieb dabei, daß er nichts gestohlen habe. Da Esser aber dies fortgesetzt behauptete, so verklagte ich ihn beim Schiedsmann. Ich besaß jedoch nicht die nötigen Mittel, um die Sache weiter zu verfolgen. Inzwischen spielte mein Sohn »Steigvogel«. Letzterer flog in den Garten der Baumschule. Mein Sohn ging in den Garten und pflückte sich einige Äpfel ab. Ich habe, als ich davon hörte, den Knaben gezüchtigt. Bald darauf wurde ich jedoch zu Herrn Direktor Schellmann gerufen. Dieser sagte zu mir: »Wenn Sie Ihre Kinder nicht züchtigen können, dann werde ich Ihren Mann entlassen.« Ich erschrak furchtbar, denn ich habe eine große Familie. Der Direktor sagte zu mir: »Am besten, Sie schicken den Jungen einmal zu mir.« Ich kam dieser Aufforderung nach. Ich glaubte, der Direktor werde den Jungen vielleicht auf eine halbe Stunde einsperren und war sehr erstaunt, als der Junge heftig weinend nach Hause kam und klagte, daß er furchtbar geschlagen worden sei.

      Vors.: Klagte der Knabe über Schmerzen?

      Zeugin: Jawohl, er klagte mehrere Tage über heftige Schmerzen in den Beinen.

      Vors.: Nachteilige Folgen hat der Knabe aber nicht davongetragen?

      Zeugin: Nein. Die Zeugin bekundete weiter: Als mein Mann nach Hause kam und von dem Vorgefallenen hörte, war er furchtbar aufgebracht, so daß ich alle Mühe hatte, ihn zu beruhigen. Mein Mann wollte zunächst gerichtliche Schritte gegen Direktor Schellmann unternehmen, er sagte aber schließlich: Der Knabe wird die Schläge vergessen, ich würde dagegen, wenn ich gegen Schellmann etwas unternähme, sofort meine Stellung verlieren.

      Vert.: Klagte Ihr Mann über den Direktor?

      Zeugin: Jawohl, sehr häufig. Mein Mann kam bisweilen abends nach Hause und weinte vor Wut über die ihm vom Direktor zuteil gewordene Behandlung. Eines Tages erzählte mir mein Mann, er sei vom Direktor wie ein Hund mit einem Ausdruck vor die Tür geworfen worden, den ich hier nicht wiederholen kann. Unter anderem hat der Direktor meinen Mann beschimpft, weil er ihm nicht den jüngsten Familienzuwachs gemeldet hatte. Mein Mann entschuldigte sich und sagte: Er habe es unterlassen, da er zur Zeit nicht zu Hause, sondern auf Kommando war.

      Vors.:

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