Klausurenkurs im Familien- und Erbrecht. Susanne Benner

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Klausurenkurs im Familien- und Erbrecht - Susanne Benner

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      II. Schadensersatzanspruch der H gegen T aus § 1298 I 2

      111

      Es könnte allerdings ein Anspruch auf Schadensersatz der H gegen T aus § 1298 I 2 in Betracht kommen. Ein Schadensersatzanspruch aus § 1298 I 2 i.V.m. § 1298 III setzt voraus, dass T von einem wirksamen Verlöbnis mit H ohne wichtigen Grund zurückgetreten wäre.

      1. Vorliegen eines wirksamen Verlöbnisses

      112

      Fraglich ist zunächst, ob, infolge der Minderjährigkeit der H, überhaupt ein wirksames Verlöbnis vorgelegen hat. Unter Verlöbnis versteht man allgemein das ernsthafte wechselseitige Versprechen zweier Personen, künftig eine Ehe miteinander eingehen zu wollen, wodurch ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis begründet wird[2].

      113

      Exkurs/Vertiefung:

      Das LPartG sah nicht bereits seit seinem Inkrafttreten, sondern erst seit dem 1.1.2005 die Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Partner:innen vor, ein Verlöbnis einzugehen, also sich nach § 1 III a.F. LPartG zu versprechen, eine (eingetragene) Lebenspartnerschaft begründen zu wollen[3]. Seit dem 1.10.2017 kann eine eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr eingegangen werden, es besteht jedoch für alle Paare (ob gleich- oder verschiedengeschlechtlich), die Möglichkeit, eine Ehe einzugehen, so dass für alle auch die Verlöbnisregelungen des BGB Geltung haben, vgl. auch Rn. 99.

      Zur Frage, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen darüber hinaus an ein solches Versprechen zu stellen sind, damit es als Verlöbnis i.S.d. §§ 1298 ff. qualifiziert werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Die insoweit vertretenen Theorien können für die Frage relevant werden, ob sich H trotz ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit verloben konnte.

      a) Familienrechtliche Theorie (MM)

      114

      Nach der familienrechtlichen Theorie ist das Verlöbnis ein Vertrag eigener Art (sui generis). Gefordert wird danach keine Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 104 ff., sondern eine besondere Verlöbnisfähigkeit in Form einer individuellen geistigen Reife bzw. Ehemündigkeit[4].

      Nach dieser Theorie wäre das Verlöbnis wirksam, da der H mit 17 Jahren eine Verlöbnisfähigkeit in diesem Sinne zugesprochen werden kann.

      b) Tatsächlichkeitstheorie (MM)

      115

      Nach der ebenfalls früher vertretenen Tatsächlichkeitstheorie ist im Verlöbnis kein Rechtsgeschäft, sondern nur ein rein soziales Verhältnis zu sehen mit der Folge der Unanwendbarkeit der rechtsgeschäftlichen Vorschriften[5].

      Auch nach dieser Theorie wäre das Verlöbnis von H und T wirksam.

      c) Lehre von der Vertrauenshaftung (MM)

      116

      Die Lehre von der Vertrauenshaftung sieht im Verlöbnis ein gesetzliches Rechtsverhältnis, das keine Rechtspflicht zur Eheschließung, sondern einen gesetzlichen Vertrauensschutz der Partner zueinander begründet[6]. Infolgedessen wird lediglich eine konkrete Einsichtsfähigkeit gefordert. Da diese der H zugesprochen werden kann, wäre auch im Sinne dieser Ansicht das Verlöbnis H-T wirksam.

      d) Vertragstheorie (h.M.)

      117

      Nach der von der herrschenden Meinung vertretenen Vertragstheorie[7] ist das Verlöbnis ein Vertrag i.S.d. §§ 145 ff. mit der Folge, dass die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB daher grundsätzlich anwendbar sind, jedoch aufgrund der Höchstpersönlichkeit dieses Rechtsgeschäftes die Stellvertreterregelungen der §§ 164 ff. nicht gelten sollen.

      Da das Verlöbnis für die minderjährige H nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, hätten nach herrschender Meinung die gesetzlichen Vertreter der H i.S.d. § 107 dem Verlöbnis zustimmen müssen. Eine entsprechende Zustimmung liegt hier jedoch nicht vor.

      Nach der Vertragstheorie wäre das Verlöbnis zwischen H und T folglich zunächst unwirksam.

      e) Diskussion und Ergebnis

      118

      Eine Streitentscheidung ist hier dennoch nicht erforderlich, da die Eltern als gesetzliche Vertreter der H zugesagt haben, sie voll und ganz zu unterstützen. Sie werden daher den Vertrag nach § 108 I genehmigen.

      Zwar hat T hier bereits – bevor die Eltern der H überhaupt von dem gesamten Vorgang Kenntnis hatten – erklärt, er werde H nicht heiraten, dies spricht jedoch nicht gegen die Qualifizierung des Verlöbnisses als wirksam. T konnte sich nämlich entsprechend des Rechtsgedankens des § 109 II nicht einseitig von dem schwebend unwirksamen Vertrag lösen, da er die Minderjährigkeit der H und das Fehlen der Einwilligung ihrer Eltern kannte.

      119

      Somit kommen hier letztlich alle Theorien zu dem Ergebnis, dass das Verlöbnis zwischen H und T als wirksam qualifiziert werden kann.

      2. Wirksamer Rücktritt vom Verlöbnis ohne wichtigen Grund (§ 1298 I i.V.m. § 1298 III)

      120

      Des Weiteren ist im Hinblick auf das Schadensersatzbegehren der H auf Seiten des T ein wirksamer Rücktritt vom Verlöbnis ohne wichtigen Grund erforderlich[8].

      a) Wirksamer Rücktritt

      121

      T ist wirksam zurückgetreten, da er durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung den Willen geäußert hat, die Ehe mit H nicht mehr eingehen zu wollen.

      b) Ohne wichtigen Grund

      122

      Fraglich ist, ob auch ein wichtiger Grund für den Rücktritt i.S.d. § 1298 III gegeben ist.

      Ein solcher Grund liegt vor, wenn Tatsachen vorhanden sind, die unter entsprechender Würdigung der Sachlage geeignet wären, T von der Eingehung des Verlöbnisses abzuhalten.

      Hier hat T geäußert, dass er H nicht mehr liebe. Das Erlöschen der Zuneigung stellt zwar im ethischen Sinn einen wichtigen Grund dar, nicht aber im rechtlichen, da das Verlöbnis vorherige Überlegung voraussetzt und dieser Rücktrittsgrund im Übrigen immer behauptet werden könnte. Somit ist kein wichtiger Grund i.S.d. § 1298 III gegeben.

      123

      Exkurs/Vertiefung:

      Als wichtige Gründe kommen all jene Gründe in Betracht, die zur Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung berechtigen würden[9]. Ein wichtiger Grund für einen Rücktritt kann sowohl im Verhalten des anderen Verlobten, als auch in der Person des Zurücktretenden liegen: Bruch der Verlöbnistreue[10], schwere Erkrankungen

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