Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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Umstritten ist auch hier die Frage, wie der Schuldner die Vollstreckungsbeschränkung geltend zu machen hat. Man wird unterscheiden müssen:
a) Vereinbarung vor Beendigung des Rechtsstreits
10.11
War die Haftungsbeschränkung vor oder während des Rechtsstreits vereinbart, so muss schon im Urteil ausgesprochen werden, dass der Schuldner für die Schuld nur mit bestimmten Gegenständen haftet oder die Haftung mit bestimmten Gegenständen ausgeschlossen ist; ein Vorbehalt entsprechend § 780 ist nicht angängig[20]. Wird die Zwangsvollstreckung dennoch in andere Gegenstände betrieben, so kann sich der Schuldner dagegen mit der Erinnerung nach § 766 wenden. Der BGH will demgegenüber neuerdings ausschließlich die Vollstreckungsgegenklage analog § 767 Abs. 1 gewähren, weil die eingeschränkte Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane eine volle Überprüfung nicht erlaube[21]. Die generelle Beschränkung auf die Vollstreckungsgegenklage bedeutet eine empfindliche Schwächung des Rechtsschutzes des Schuldners und vermag letztlich nicht zu überzeugen. Selbst wenn man dem BGH grundsätzlich folgen wollte, müsste zur Wahrung der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft die Vollstreckungsbeschränkung im Urteil ausgesprochen werden (§ 767 Abs. 2)[22].
b) Vereinbarung nach Beendigung des Rechtsstreits
10.12
Wird die Beschränkung erst vereinbart, nachdem der Titel schon vorlag, so scheidet die unmittelbare Anwendung von § 766 aus (da keine Verfahrensbestimmung verletzt ist), ebenso die des § 767, weil sich der Einwand des Schuldners nicht gegen den materiell-rechtlichen Anspruch richtet. Man wird jedoch § 766 entsprechend anwenden können, weil die Erinnerung den einfachsten Weg zur Klärung derartiger den Vollstreckungszugriff betreffenden Streitigkeiten bietet[23]. Die Rechtsprechung des BGH will zwischen vorherigen und nachträglichen gegenständlichen Vollstreckungsvereinbarungen offenbar nicht grundsätzlich unterscheiden, sondern erachtet die Vollstreckungsgegenklage analog § 767 Abs. 1 für statthaft[24].
§ 11 Mängel des Zwangsvollstreckungsverfahrens
Schrifttum:
Schwinge, Der fehlerhafte Staatsakt im Mobiliarvollstreckungsrecht, 1930 (Neudruck 1963); Bernhardt, Vollstreckungsgewalt und Amtsbetrieb, 1935; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958; Stöber, Fehlerhafte Zwangsvollstreckungsakte, Rpfleger 1962, 9; Martin, Pfändungspfandrecht und Widerspruchsklage im Verteilungsverfahren, 1963; Furtner MDR 1964, 460; Bähr KTS 1969, 1 (beide zur Heilung fehlerhafter Zwangsvollstreckungsakte); Geib, Die Pfandverstrickung, 1969, S. 100 ff.; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 236 ff.; Gaul, Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfleger 1971, 81, 87 ff.; ders., Sachenrechtsordnung und Vollstreckungsordnung im Konflikt, NJW 1989, 2509; Naendrup, Gläubigerkonkurrenz bei fehlerhaften Zwangsvollstreckungsakten, ZZP 85 (1972), 311; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution, 1978 (hierzu E. Peters ZZP 93 [1980], 221 – betrifft Österreich); Strauß, Nichtigkeit fehlerhafter Akte der Zwangsvollstreckung, 1994.
I. Gesetzmäßigkeitsgrundsatz und fehlerhafter Staatsakt
11.1
Die Zwangsvollstreckung bedeutet einen staatlichen Eingriff in die Sphäre des Schuldners, wenn er auch primär in privatem Interesse – dem des Gläubigers – vorgenommen wird. Auch für diesen Eingriff muss daher das Prinzip strengster Gesetzmäßigkeit gelten (Rn. 5.12, 6.65, 7.26): die Zwangsvollstreckung ist nur zulässig, wenn die im Gesetz enthaltenen Voraussetzungen vorliegen; es dürfen nur die im Gesetz enthaltenen Vollstreckungsarten angewendet werden, und es müssen schließlich die gesetzlich vorgeschriebenen Formen bei der Vornahme des Zwangsvollstreckungsakts eingehalten werden.
Damit ergibt sich die Frage, welche Wirkung die Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen auf die Wirksamkeit des Vollstreckungsakts hat, m.a.W. wie fehlerhafte Vollstreckungsakte zu beurteilen sind.
Das Problem ist allgemeiner Natur („fehlerhafter Staatsakt“!), bringt aber im Zwangsvollstreckungsrecht besondere Schwierigkeiten mit sich, weil die Gesetzwidrigkeit sich nicht nur auf den staatlichen Vollstreckungsakt (die „Verstrickung“), sondern auch auf das darauf beruhende Pfändungspfandrecht des Gläubigers auswirken kann.
Will man klar sehen, so muss man drei Fragenkreise unterscheiden:
1. | Welche Auswirkungen hat die Fehlerhaftigkeit eines Vollstreckungsaktes für dessen Geltung selbst? (unten II.). |
2. | Lässt bei einer Pfändung wegen Geldforderungen auch ein fehlerhafter Vollstreckungsakt ein Pfändungspfandrecht entstehen? (unten III.). |
3. | Ist ein fehlerhafter Vollstreckungsakt heilbar? Wenn ja, wirkt diese Heilung ex tunc oder nur ex nunc? (unten IV.). |
Freilich kann die „Intensität“ des Gesetzesverstoßes und die Schwere seiner Auswirkung sehr unterschiedlich sein; auch ist das von den Vollstreckungsorganen einzuhaltende Verfahren bei den einzelnen Arten der Zwangsvollstreckung sehr verschieden. Für alle Fälle gültige Grundsätze lassen sich daher nicht aufstellen; es muss genügen, hier einige Leitgedanken herauszuarbeiten; im Übrigen wird auf die Darstellung bei den einzelnen Voraussetzungen und Arten der Zwangsvollstreckung verwiesen (insbes. Rn. 27.1 ff., 27.12 ff.).
II. Anfechtbarkeit als Regelfolge – Verstrickung
11.2
Ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen macht den Vollstreckungsakt als Äußerung der staatlichen Hoheitsgewalt in der Regel nicht nichtig, sondern lediglich mit Rechtsmitteln anfechtbar[1]. Die Vollstreckung führt auch bei Mängeln des Vollstreckungsakts zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Pfandgegenstandes.
11.3
Der Grundsatz bloßer Anfechtbarkeit fehlerhafter Hoheitsakte gilt im Verwaltungsrecht ebenso wie im Vollstreckungsrecht (§ 43 Abs. 2 VwVfG); er entspricht dem Gebot der Rechtssicherheit und begünstigt die staatlichen Organe durch eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns. Nichtigkeit und damit die volle anfängliche Unwirksamkeit von Hoheitsakten gibt es nur in den Ausnahmefällen besonders schwerwiegender und evidenter Rechtsverletzungen. Dieser Ausnahmetatbestand – von Lehre und Rechtsprechung unter dem Begriff „Evidenztheorie“ entwickelt[2] – ist für Verwaltungsakte in § 44 VwVfG kodifiziert. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass nur besonders schwerwiegende Verstöße die Nichtigkeit des Vollstreckungsakts bewirken; so wenn er von einem funktionell unzuständigen Vollstreckungsorgan vorgenommen worden ist (der Gerichtsvollzieher pfändet eine Forderung oder der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts pfändet eine bewegliche Sache[3]), wenn ein vollstreckbarer Titel fehlt[4] oder eine im Gesetz nicht vorgesehene Vollstreckungsart gewählt worden ist, schließlich wenn wesentliche Formvorschriften nicht