Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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Wird zum Zwecke der Vollstreckung das Einschreiten einer anderen Behörde erforderlich, so hat das Gericht, nicht der Gerichtsvollzieher, die Behörde um ihr Einschreiten zu ersuchen (§ 789). Zuständig ist grundsätzlich das Vollstreckungsgericht; das Prozessgericht nur, soweit es vollstreckt (Rn. 8.36).
Polizeischutz muss der Gerichtsvollzieher selbst beantragen; § 758 Abs. 3 ist lex specialis zu § 789.
§ 9 Beginn, Stillstand und Beendigung der Zwangsvollstreckung
9.1
Wann die Zwangsvollstreckung beginnt, wann sie beendet ist, spielt in vielfacher Hinsicht eine Rolle. So leuchtet ohne weiteres ein, dass der Schuldner vor oder gleichzeitig mit dem Beginn der Zwangsvollstreckung unterrichtet werden muss, auf welcher Grundlage die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieben wird (§ 750), oder dass der Schuldner sich nicht mehr gegen die Vollstreckung des im Titel verbrieften materiellen Anspruchs mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767) wenden kann, wenn die Zwangsvollstreckung beendet ist. Wenn die Bedeutung des Beginns und der Beendigung der Zwangsvollstreckung auch erst bei den einzelnen vollstreckungsrechtlichen Situationen voll einsichtig wird, so empfiehlt es sich doch, die allgemein geltenden Grundsätze vorweg darzustellen.
Zum Verständnis der folgenden Darstellung ist die Überlegung wichtig, dass ein Unterschied besteht zwischen Beginn und Ende der Zwangsvollstreckung insgesamt (z.B. der Gerichtsvollzieher hat den Versteigerungserlös an den Gläubiger abgeliefert, dieser ist voll befriedigt) und Beginn und Ende des einzelnen Vollstreckungsakts (der Gerichtsvollzieher hat eine Sache des Schuldners gepfändet, versteigert und den Erlös an den Gläubiger ausbezahlt, der Gläubiger hat aber noch nicht alles erhalten, was ihm zusteht; die Zwangsvollstreckung wird daher in andere Vermögensobjekte des Schuldners fortgesetzt).
I. Beginn der Zwangsvollstreckung
9.2
Die Zwangsvollstreckung beginnt nach h.M. mit der ersten Maßnahme des funktionell zuständigen Vollstreckungsorgans, die sich gegen den Schuldner richtet und die Ausführung des Vollstreckungstitels bezweckt. Der Erlass des Vollstreckungstitels (z.B. des Urteils), die Erteilung der Vollstreckungsklausel, der Antrag des Gläubigers auf Vornahme der Zwangsvollstreckung bedeuten dagegen noch nicht den Beginn der Zwangsvollstreckung[1].
Beispiele für den Beginn der Zwangsvollstreckung:
1. | Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen a) in bewegliche Sachen: Pfändung durch den Gerichtsvollzieher, aber auch schon Anordnung einer Durchsuchung nach §§ 758, 758a (Rn. 8.12); b) in Forderungen und sonstige Rechte: Pfändungsbeschluss des Gerichts, nicht erst Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner[2]. |
2. | Herausgabevollstreckung nach §§ 883, 884: Wegnahme der Sache durch den Gerichtsvollzieher. |
3. | Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen: Androhung eines Ordnungsmittels (§ 890 Abs. 2)[3]; ist diese bereits im Urteil enthalten, dann beginnt die Zwangsvollstreckung erst mit dem Erlass des wegen einer Zuwiderhandlung ergehenden Beschlusses. |
Die Feststellung des Beginns der Zwangsvollstreckung ist z.B. bedeutsam in § 750 (keine Zwangsvollstreckung vor Zustellung des Vollstreckungstitels, s. Rn. 12.3, 21.4), § 771 (Drittwiderspruchsklage spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung; s. Rn. 46.1, 46.27).
II. Stillstand der Zwangsvollstreckung
9.3
In der Zwangsvollstreckung kann ein Stillstand dadurch eintreten, dass die Vollstreckung einstweilen eingestellt wird; ohne eine solche Einstellung ist ein tatsächlicher Stillstand auf Grund des Verhaltens des Vollstreckungsorgans oder des Gläubigers möglich.
Die Einstellung kann sich auf die Zwangsvollstreckung als Ganzes beziehen (so z.B. nach § 769) oder auf eine einzelne Vollstreckungsmaßregel (so z.B. nach § 766: wenn die Pfändung des einzigen Schrankes des Schuldners für unzulässig erklärt wird, so bedeutet das nicht, dass der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung aus dem Titel überhaupt einstellen muss!); im letztgenannten Fall spricht man am besten von „Beschränkungen“ der Zwangsvollstreckung (§ 775).
1. Einstellung der Zwangsvollstreckung und ihre Anordnung
9.4
Die einstweilige Einstellung ist das Ruhen der Zwangsvollstreckung; sie bedeutet, dass bereits begonnene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht fortgesetzt werden und dass von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden muss[4]. Die Einstellung hat dagegen nicht die Wirkung, dass bereits erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben werden.
Sind z.B. bereits körperliche Sachen gepfändet worden, so können diese Sachen nach der Einstellung nicht mehr versteigert werden; sie bleiben aber weiter gepfändet. Die Einstellung erfolgt durch eine Erklärung des zuständigen Vollstreckungsorgans, dass die Zwangsvollstreckung nicht weiter durchgeführt werden soll. Stellt der Gerichtsvollzieher bei der Vornahme einer Vollstreckungshandlung ein, dann ist dies im Protokoll zu vermerken (§ 762); sonst genügt ein Vermerk zu den Vollstreckungsakten. Vielfach sind zur Durchführung der Einstellung weitere Maßnahmen nicht erforderlich; ist aber z.B. bereits ein Versteigerungstermin anberaumt, dann ist dieser aufzuheben. Der Vollstreckungsgläubiger darf ebenfalls keine weiteren Maßnahmen treffen, die zu seiner Befriedigung führen, z.B. Einziehung der hierzu überwiesenen Forderung[5] (anders bei Überweisung an Zahlungs statt, § 835!).
9.5
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt durch das Vollstreckungsorgan, z.T. auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung über die Einstellung. So hat z.B. der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, wenn ihm die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßnahme angeordnet ist (§ 775 Nr. 2). Zwischen der Anordnung der Einstellung (durch das Gericht) und der Einstellung selbst (durch das Vollstreckungsorgan) muss also unterschieden werden.
a) Einstellung auf Anordnung des Gerichts
9.6
Praktisch wichtige Fälle solcher – die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan rechtfertigender – gerichtlicher Beschlüsse sind: die Anordnung des Gerichts nach Einlegung eines Rechtsbehelfs (im weitesten Sinne) gegen den Titel (§§ 707, 719, 769; 321a)[6] oder nach Erinnerung und Drittwiderspruchsklage (§ 766 mit § 732 Abs. 2, § 771 und § 769), die Einstellung des Vollstreckungsgerichts bei überwiegendem Schutzbedürfnis des Schuldners nach § 765a, die sichernde Einstellung durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren (§ 21 Abs. 2