Die Vampirschwestern – Ein zahnharter Auftrag. Franziska Gehm
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Liebe.
Mit ihrer Schwester konnte Silvania auch über alles reden. Fast alles. Nur in Sachen Liebe war Daka als Gesprächspartner so hilfreich wie eine Litfaßsäule. Sie war einfach noch nicht so weit. Sie war sieben Minuten jünger als Silvania. Bei solchen Dingen zählte jede Sekunde.
Helene hakte sich bei Silvania ein. „Weißt du schon, was du morgen anziehst?“
Silvania zuckte zusammen. „Fumpfs! Ich habe gar nichts anzuziehen!“
„Dein Kleiderschrank explodiert bald wegen Überfüllung“, erinnerte sie Daka.
„Trotzdem habe ich nichts anzuziehen“, beharrte Silvania.
„Hä?“ Daka kratzte sich in ihrer Stachelhaarfrisur.
„Ich meine, nichts Besonderes.“
„Braucht man für Englisch-Nachhilfe besondere Klamotten? Schutzkleidung oder so was?“
Helene und Silvania verdrehten die Augen.
Ludo räusperte sich.
„Ach, alles klar!“, rief Daka und schlug sich kurz an die Stirn. „Du brauchst ein wasserdichtes Oberteil und eine Gesichtsmaske, damit du beim Üben vom th nicht den Nachhilfelehrerspeichel abbekommst.“
„Igitt!“, rief Silvania.
„Voll eklig“, fand Helene.
Ludo schüttelte sich.
Daka verschränkte die Arme. Natürlich war das mit dem wasserdichten Oberteil und der Gesichtsmaske nur Gumox gewesen. Aber trotzdem hatte sie das Gefühl, etwas zu verpassen. Etwas ganz Entscheidendes, was die anderen nicht verpasst hatten. Daka hasste es, etwas zu verpassen. Bis auf die Straßenbahn zur Schule. „Irgendwas stimmt doch nicht mit dieser Nachhilfe.“ Daka sah Helene, Ludo und Silvania der Reihe nach an.
Helene kicherte leise.
Ludo hatte eine interessante Wolke am Himmel entdeckt.
Silvania fuhr sich sanft mit der rechten Handfläche über die Wange. Sie starrte mit einem Lächeln auf dem leicht geöffneten Mund vor sich hin.
Daka musterte ihre Schwester. Silvania sah nie ganz normal aus. Aber jetzt sah sie besonders merkwürdig aus. Etwas … verwirrt. Vielleicht hatte Silvania nicht genügend Heimaterde im Anhänger ihrer Kette und stand kurz vor einem Schwächeanfall. Wie damals im Sportunterricht, als sie singend und torkelnd vom Schwebebalken gefallen war. Hätte Daka ihre Schwester nicht gerettet, wäre sie womöglich in ein lebensgefährliches Koma gefallen. Die Klassenkameraden und Frau Renneberg waren schwer beeindruckt von der ersten Heimaterde-Hilfe.
Auch jetzt schien Silvania vollkommen weggetreten zu sein. Daka überlegte, ob sie schon mal einen Krümel Heimaterde zwischen den Zehen hervorpulen sollte. Sollte ihre Schwester umkippen, konnte sie ihr den Krümel ratzfatz in die Nase stopfen. Zack! Koma verhindert. Schwester gerettet. Alles gut.
Doch bis auf den verklärten Blick, das Lächeln und die roten Ringe um die Augen machte ihre Schwester einen standfesten Eindruck. Sie torkelte nicht. Sie sang auch keine transsilvanischen Heimatlieder. Sie summte noch nicht einmal leise. Plötzlich erinnerte sich Daka, woher sie diesen Gesichtsausdruck bei ihrer Schwester kannte. Den legte Silvania immer dann auf, wenn ihr Gesicht zwischen zwei Buchdeckeln eines fetten Liebesromans steckte.
Daka ahnte Schlimmes. Sie stöhnte. „Hat das etwa was mit Knutschen, Händchenhalten und anderen ekligen Sachen zu tun?“
Helene und Ludo nickten.
Silvanias rote Ringe um die Augen flimmerten wie Hula-Hoop-Reifen.
„Und dafür lässt du dir freiwillig Nachhilfe geben?“ Daka sah ihre Schwester fassungslos an.
„Ich zahle sogar fünf Euro fünfundfünfzig dafür“, sagte Silvania.
Daka schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Es klatschte. „Schnappobyx memu!“
Das war auch Vampwanisch und hieß so viel wie ‚Prost Mahlzeit!‘.
„Weißt du, was man für fünf Euro fünfundfünfzig alles kaufen könnte? Dafür bekommst du sieben Banane-Schokoriegel oder elf Eiskugeln oder 800 Gramm Hack oder viermal Pomm…“
„Daka?“ Helene legte die Hand auf Dakas Schulter.
„Was?“
„Silvania kauft sich eben lieber Nachhilfestunden statt 800 Gramm Hack.“
Ludo zuckte mit den Schultern. „Reine Geschmackssache.“
„Geschmackssache?“ Daka schüttelte den Kopf. Sie folgte Silvania, Ludo und Helene in den Lindenweg. Dass Hackfleisch etwas mit Geschmack zu tun hatte, war Daka klar. Aber was an Englisch-Nachhilfe lecker sein sollte, ein Rätsel. Okay, vielleicht war es gesünder. Aber trotzdem! „Fünf Euro fünfundfünfzig“, murmelte Daka vor sich hin, während sie den Lindenweg entlangging.
Ganz am Ende des Lindenwegs, im Reihenhaus Nummer 23, wohnten die Tepes. Mihai und Elvira Tepes waren mit ihren Töchtern Daka und Silvania vor ein paar Wochen nach Bindburg gezogen. Bindburg war Elviras Heimatstadt. Nachdem sie über dreizehn Jahre mit ihrem Vampir-Ehemann und ihren Halbvampir-Töchtern in Bistrien mitten in Transsilvanien gelebt hatte, war es an der Zeit, in die Heimat zurückzukehren, fand Elvira Tepes. Mihai Tepes war zwar schon 2676 Jahre alt, trotzdem war er ein moderner Ehemann. Seine Frau hatte die gleichen Rechte wie er. Er verstand, dass sie Heimweh hatte. Er verstand, dass es nur gerecht war, jetzt in Deutschland zu leben. In seinem Kopf verstand er das alles. Aber in seinem Herzen loderte Heimweh. Er sehnte sich nach den transsilvanischen Wäldern, den nächtlichen Ausflügen mit seinem Bruder Vlad und den köstlichen blutig-spritzigen Häppchen vom Schlachter Sangrasa ums Eck.
Auch Daka erinnerte sich ab und zu an Schlachter Sangrasa. Wenn sie an die blutigen Auslagen dachte, fing sie zu sabbern an. So wie jetzt auf dem Heimweg. Daka schluckte den Speichel herunter und dachte lieber an ihr Vorhaben. Das war zwar keine blutige, aber eine heikle Angelegenheit.
Die Zwillinge hatten beschlossen, dass ihre Eltern heute ihren neuen Freund Ludo kennenlernen sollten. Mihai und Elvira Tepes wussten noch nichts von diesem Beschluss. Ein spontanes Aufeinandertreffen war sicher am besten. So hatte es bei Helene schließlich auch funktioniert. Helene war Mihai und Elvira Tepes bei ihrem ersten nächtlichen Ausflug mit den Zwillingen direkt in die Arme geflogen. Mit einem Nudelsieb auf dem Kopf. Auf einer Klobrille sitzend. Ein stürmisches Kennenlernen.
Helenes Papa, den Zahnarzt Dr. Peter Steinbrück, kannten Mihai und Elvira Tepes auch schon. Er war Elviras Vermieter. Elvira Tepes hatte unter seiner Zahnarztpraxis in der Innenstadt einen kleinen Laden angemietet. Der Laden hieß „Die Klobrille“. Er lief wie geschmiert. Frau Tepes verkaufte nach Kundenwünschen gestaltete Klobrillen. Eine echte Marktlücke. Lückenlos stapelten sich derweil die Klobrillen im zweiten Kinderzimmer der Tepes. Frau Tepes hatte die Klobrillen in Transsilvanien günstig mit Massenrabatt erstanden. Daher mussten sich Daka und Silvania ein Zimmer teilen.
Nur für ein, zwei Monate.
Oder drei.
Oder dreihundertfünfundfünfzig.