Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen I - Karl May

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Ganz selbstverständlich sorgte ich dafür, daß ich durch den Epheu sehen und alles beobachten konnte.

      Ein anderer wäre im Zweifel darüber gewesen, ob die Roten überhaupt kommen würden; ich aber war überzeugt, daß meine Vermutung richtig sei. Leider lag ich im Walde und nicht am Rande desselben, wo ich sie schon von weitem hätte sehen können.

      Die Zeit vergeht einem unter solchen Umständen sehr langsam; die Minuten werden zu Stunden. Es war auch möglich, daß die Indsmen nicht die gerade Richtung einhielten und also den Wald an einer andern Stelle betraten. Wenn das der Fall sein sollte, so wurde mir die Ausführung meines Vorhabens erschwert.

      Darum war ich herzlich froh, als ich endlich ein Geräusch hörte, welches sich mir näherte. Sie kamen, Erst sah ich zwei Rote, welche vorausgeritten waren, um nach einem geeigneten Platze zu suchen. Sie sahen sich um, und der eine sagte zum andern:

      »Hier ist eine gute Stelle. Mein Bruder kann absteigen; ich werde die andern holen.«

      Er ritt zurück, während sein Kamerad aus dem Sattel stieg und sein Pferd nach dem Wasser führte, um es trinken zu lassen. Nach kurzer Zeit kam der ganze Trupp, doch ohne den Häuptling. Ich sah die zwei Diener und die zwei Führer des Persers, welche gebunden waren, und ich sah zu meiner Freude auch die beiden Snuffles. Sie waren unverletzt und ritten ihre Maultiere. Meine List war also gelungen; man hatte diese beiden Tiere gefunden. Nur fragte es sich, ob die Snuffles so klug gewesen waren, nicht zu verraten, daß sie sich in Gesellschaft befunden hatten.

      Die Gefangenen wurden aus den Sätteln gehoben und auf die Erde gelegt. Auch die Roten setzten sich und ließen ihre Pferde im Buschwerke nach Laub und Gras suchen. Erst jetzt durfte ich sicher sein, daß meine Spur unentdeckt bleiben werde.

      Daß der Häuptling nicht gleich mitgekommen war, bekümmerte mich nicht im geringsten; es war mir im Gegenteile sehr lieb. To-kei-chun fühlte seine Würde und hielt es für derselben angemessen, nicht unter den gewöhnlichen Kriegern zu reiten, sondern ein Stück zurückzubleiben. Wenn er dies später ebenso that, stand zu erwarten, daß er nicht zu gleicher Zeit mit den andern aufbrechen, sondern noch einige Minuten warten werde. In diesem Falle bekam ich dadurch Gelegenheit, ihn in meine Gewalt zu bringen, wenn sich nicht schon vorher eine andere dazu fand.

      Endlich kam er, wohl eine volle Viertelstunde später als die andern. Er stieg ab und setzte sich ganz nahe an den umgestürzten Baum, unter dessen Epheudecke ich lag. Er stopfte sich seine Friedenspfeife und rauchte sie in langsamen Zügen aus, ohne ein Wort zu sprechen. Seine Leute Waren ebenso schweigsam. Als er den letzten Zug gethan hatte, hing er sich die Pfeife wieder um den Hals und sagte zu den beiden Roten, welche zuerst gekommen waren:

      »Mein Brüder mögen mir die beiden Bleichgesichter herbringen, welche Snuffles genannt werden.«

      Jim und Tim wurden wie Säcke herbeigeschleppt und vor To-kei-chun niedergelegt. Dieser fixierte eine Zeitlang ihre Gesichter und sagte dann:

      »Die beiden Snuffles mögen hören, was ich ihnen zu sagen habe, und mir endlich eine wahre Antwort geben. Sie sollen am Makik-Natun den Tod des Marterpfahles erleiden; aber wenn sie offen und ehrlich sprechen, werden wir ihnen die Freiheit geben. Haben sie den weißen Mann gekannt, der unser Gefangener war und gestern abend auf so unbegreifliche Weise verschwunden ist?«

      Jim antwortete:

      »Du legst uns diese Frage nun zum fünftenmal vor, und ich antworte zum fünftenmal ganz dasselbe: Wir haben ihn nicht gekannt.«

      »Aber ihr wißt, wohin er ist?«

      »Nein.«

      »Er war gebunden, so fest gebunden, daß er sich nicht selbst losmachen konnte!«

      »Du wirst dich irren; er wird eben nicht fest gebunden gewesen sein und hat sich selbst befreit.«

      »Ich habe kurz vorher selbst seine Fesseln untersucht; sie waren gut.«

      »So ist er wahrscheinlich ein Zauberer. Die Bleichgesichter haben ja auch ihre Medizinmänner und Tausendkünstler. So einem ist es sehr leicht, sich aus den festesten Banden zu befreien.«

      »Nein. Es muß jemand dagewesen sein, der ihm die Riemen geöffnet hat.«

      »Ganz unmöglich! Er lag ja mitten unter euch und wurde von euch allen bewacht.«

      »Als wir dich und deinen Bruder fingen, gaben wir nicht auf ihn acht; in diesem Augenblicke ist er fort.«

      »Trotzdem ihm die Hände und Füße gefesselt waren?«

      »Ja. Es ist ein Bleichgesicht in der Nähe gewesen, welches den Augenblick benutzt und ihn fortgeschafft hat.«

      »Einen Gefangenen aus siebzig Indianern herausgeholt? Das müßte ein verwegener, ja ein tollkühner Mann sein. Es gibt keinen vernünftigen Menschen, der dies wagen würde.«

      »Es gibt einen, aber auch nur einen einzigen.«

      »Wer wäre das?«

      »Old Shatterhand. Ich kenne diesen weißen, räudigen Hund; ich weiß alles, was er gethan und gewagt hat. Er war einst mein Gefangener und hat uns gezwungen, ihn loszulassen. Das, was gestern abend geschah, ist ganz genau so, als ob er es gethan hätte. Wenn ich nicht wüßte, daß er weit von hier im Norden ist, um den Tod Winnetous, seines ebenso räudigen Bruders, zu rächen, so glaubte ich, er sei hier. Du hast mit deinem Bruder unser Lager beschlichen, als uns der Gefangene abhanden kam; ihr müßt den kennen, der ihn befreit hat.«

      »Wir wissen nichts.«

      »Das ist eine Lüge, welche euch das Leben kosten wird. Wenn ihr uns die Wahrheit sagtet, würden wir euch die Freiheit schenken.«

      »Das ist auch eine Lüge!«

      »Es ist keine!«

      »Ich weiß, daß es nicht wahr ist und daß du uns durch dieses Versprechen zum Reden bringen willst.«

      »Was To-kei-chun verspricht, das hält er!«

      »Pshaw! Wenn du mit uns das Kalumet darauf rauchst, wollen wir es glauben.«

      »To-kei-chun raucht mit keinem Gefangenen die Pfeife des Friedens.«

      »Da hast du es; du willst uns täuschen! Ihr habt das Beil des Krieges ausgegraben; folglich ist jeder Weiße verloren, der in eure Hände fällt. Selbst wenn das wahr wäre, was du denkst, und wir es dir geständen, würdest du dein Wort nicht halten und uns hinrichten lassen.«

      »So wollt ihr also nicht reden?«

      »Nein.«

      Der Häuptling hatte bis jetzt in ruhigem Tone gesprochen; er war der Meinung gewesen, daß er Jim zum Reden bringen werde. Nun sah er sich getäuscht und fuhr zornig auf:

      »Was sagt der andere Snuffle dazu? Will auch er nichts gestehen?«

      »No,« antwortete Tim in seiner kurzen, wortkargen Weise.

      »So will ich euch sagen, daß ihr allerdings richtig gedacht habt: Ich hätte euch nicht freigegeben; ihr hättet dennoch sterben müssen; aber wir hätten euch eine Kugel gegeben, so daß euer Tod ein schneller gewesen wäre. Doch da eure Mäuler das Sprechen verlernt haben, werden wir sie euch zum Heulen und jammern, zum Klagen und Stöhnen öffnen. Ihr werdet alle Qualen erleiden, welche wir uns aussinnen können!«

      »Pshaw, das

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