Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen I - Karl May

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höhnische Grinsen trat wieder auf sein Gesicht. Ich sagte im ruhigsten Tone, obwohl er glaubte, mich geärgert zu haben:

      »Du hältst dich jedenfalls für einen außerordentlich pfiffigen Patron und glaubst, mich überlistet zu haben. Ihr behaltet eure weißen Gefangenen, die Euch keine Last sind, und ich soll dich behalten, was mir gar nicht möglich ist, da ich dich doch nicht mit mir schleppen kann. Also gebe entweder ich dich frei oder deine Leute finden bald Gelegenheit, dich loszumachen. Das ist dein Gedanke, deine Berechnung – — – «

      Ich wollte weitersprechen; aber er hatte die Frechheit, mich mit dem mehr als offenen Bekenntnisse zu unterbrechen:

      »Ja, das denke und das hoffe ich! Old Shatterhand ist kein Mörder. Selbst wenn er strafen will, thut er dies nur dann, wenn vollständige Beweise vorhanden sind. Und diese fehlen dir.«

      Es war ein außerordentlich überlegener Ton, in welchem er sprach. Er pochte auf meinen guten Ruf, denn er war überzeugt, daß ich alles unterlassen würde, was geeignet sei, denselben zu schädigen. Er warf mir einen triumphierenden Blick zu wie einer, der dem andern eine sehr schwere Partie Schach abgewonnen hat. Ich aber blieb trotzdem bei meiner bisherigen Ruhe, als ich ihm entgegnete:

      »Du irrst dich allerdings nicht und irrst dich doch. Du irrst dich nämlich nicht in mir, aber du irrst dich in der Lage, in welcher du dich befindest. Ich kann freilich nicht behaupten, daß du einen Weißen getötet habest; aber du hast mehrere gefangen genommen.«

      »Darauf steht aber nicht der Tod!«

      »Was denn?«

      »Das Gesetz der Prairie erwähnt dazu gar nichts.«

      »O doch, wenn auch nicht direkt. Wie wird der Diebstahl, der Raub eines Pferdes bestraft?«

      »Mit dem Tode.«

      »Und der Raub eines Menschen? Soll der etwa gelinder oder vielleicht gar nicht bestraft werden?«

      »To-kei-chun treibt keinen Menschenraub.«

      »Was denn?«

      »Ich habe die Bleichgesichter gefangen genommen, aber nicht geraubt!«

      »Pshaw! Ueber den Sinn von Worten streite ich mich nicht mit dir. Wenn ich ein Pferd, welches nicht mir gehört, fange und fortschaffe, so ist dies Pferderaub; du hast die Bleichgesichter gefangen und fortgeschafft, das ist Menschenraub. Du hast ihnen sogar alle Taschen geleert und damit bewiesen, daß du sie und ihre Habe als dein Eigentum betrachtest. Auf Menschenraub aber steht bei mir der Tod. Wenn ich dich dafür mit einer Kugel bestrafe, kann mich nicht der leiseste Vorwurf treffen. Du hast dich also sehr verrechnet, als du auf meine Gerechtigkeit pochtest. Du hast den Tod verdient.«

      »Und du wirst mich doch nicht töten!« behauptete er beharrlich.

      »Irre dich ja nicht länger! Meine Kugel wird dich unbedingt treffen, wenn du nicht auf den Vorschlag eingehst, den ich dir jetzt machen werde.«

      »Ich kenne ihn. Du brauchst ihn mir gar nicht zu sagen.«

      Auch aus diesen Worten klang dieselbe Unverfrorenheit wie vorher; ich freute mich darüber, anstatt mich über sie zu ärgern, denn die Festigkeit, mit welcher er meinem guten Rufe vertraute, war ja eigentlich eine Ehre für mich.

      »Welcher Vorschlag wird es sein?« fragte ich.

      »Du willst die gefangenen Bleichgesichter zurückhaben und dafür mich freigeben.«

      »Das ist allerdings richtig. Was sagst du dazu?«

      »Was ich schon gesagt habe: Du behältst mich, und wir behalten sie.«

      »Ist das dein letztes Wort?«

      »Ja.«

      »So bist du verloren!«

      »Nein!«

      »Pshaw! Du verrechnest dich eben. Auf Menschenraub steht der Tod; sie aber haben nichts gethan, was euch berechtigt, ihnen das Leben zu nehmen. Wenn ich dich nicht begnadige, so töte ich dich. Rechne ja nicht darauf, daß ich dich mit mir herumschleppen werde! Die Comantschen aber dürfen sich nicht an dem Leben der Bleichgesichter vergreifen.«

      »Sie würden es aber doch thun, denn sie hätten meinen Tod zu rächen.«

      »Das wäre ein Verbrechen, denn du hast ihn verdient. Und noch eins: Glaubst du denn, daß ich sie in den Händen deiner Krieger lassen würde? Ich hätte im Gegenteile nichts Eiligeres zu thun, als sie zu befreien.«

      »Pshaw!« antwortete er in wegwerfendem Tone.

      »Pshaw? Verstelle dich nicht! Du täuschest mich nicht. Du bist innerlich überzeugt, daß mir ihre Befreiung gelingen würde. Ich hätte eigentlich gar nicht so viele Worte mit dir machen sollen; aber ich bin – — —«

      »Du bist Old Shatterhand,« unterbrach er mich, »der kein Blut vergießen wird. Und eben diese deine vielen Worte beweisen, in welcher Verlegenheit du dich befindest. Du magst und wirst mir nicht das Leben nehmen und weißt also nicht, wie du es anzufangen hast, uns die Bleichgesichter aus den Händen zu locken. Sie bleiben in unserer Gewalt.«

      Er glaubte, mir überlegen zu sein, doch war ich meiner Sache zu gewiß. Perkins aber fühlte sich empört über diese freche Beharrlichkeit und konnte nicht länger schweigen. Er sagte in zornigem Tone:

      »Es ist ganz richtig, Sir. Die vielen Worte, welche Ihr mit ihm macht, bestärken ihn in seiner Unverschämtheit. Faßt Euch also kürzer! Er bekommt die wohlverdiente Kugel, und dann eilen wir seinen Leuten nach, um die Weißen zu befreien. Ist es Euch eine Leichtigkeit gewesen, ihn aus ihrer Mitte herauszuholen, so wird es uns nicht viel schwerer fallen, ihnen die Freiheit zu verschaffen. Geschehen kann ihnen nun auf keinen Fall etwas; ihres Lebens sind sie vollständig sicher. Wir brauchen die Roten nur zu benachrichtigen, daß wir ihren Häuptling ergriffen haben; dann sind sie gezwungen, die Gefangenen um seinetwillen zu schonen. Daß wir ihm inzwischen eine Kugel durch den harten Schädel gejagt haben, brauchen sie natürlich nicht zu wissen. Also, ich bitte Euch, Sir, macht kurzen Prozeß mit dem Kerl!«

      Ich nickte zustimmend und wendete mich zu dem Häuptlinge:

      »Du hast gehört, was dieser Weiße sagte. Er hat vollständig recht, und ich werde thun, was er begehrte.

      Ich frage dich also zum letztenmal: Gehst du auf die Auswechslung der Gefangenen ein?«

      »Nein,« antwortete er spöttisch. »Schießt mich immer tot!«

      »Das werden wir thun, obgleich du es nicht glaubst. Wir werden dich überhaupt noch viel toter machen, als du denkst.«

      »Thue es! Schieß, und rede nicht! Old Shatterhand ist ein altes, schwatzhaftes Weib geworden!«

      »Warte mit deinem Urteile nur noch einen Augenblick! Ich kenne deine Gedanken. Du glaubst, daß ich zwar drohen und die Waffe auf dich richten, aber doch nicht schießen werde; aber – — – «

      »Ja, ja,« fiel er mir triumphierend in die Rede, »so wird es geschehen, genau so, wie du jetzt gesagt hast.«

      »Das dachte ich mir! Du kennst Old Shatterhand genau, aber doch noch nicht ganz. Du meinst, daß ich dich nicht erschießen werde, und hast sehr recht damit; aber das ist gar kein Grund für dich, so höhnisch dreinzublicken, wie du es thust. Ich habe ja gesagt, daß ich dich viel toter machen werde, als du denkst.

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