Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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Читать онлайн книгу Der Waldläufer - Gabriel Ferry страница 14
»So verstehe ich es auch. Und wie hoch stellt Ihr den Preis Eurer Entdeckung?«
»Eine Kleinigkeit. Das Zehntel, das Ihr mir bewilligen wollt, soll mir genug sein, da ich mich einmal nicht allein dieser unnahbaren Schätze bemächtigen kann. Eure Herrlichkeit wird mich außerdem, sobald meine Tätigkeit beginnt, freihalten, was ich auf etwa fünfhundert Piaster anschlage.«
»Ihr seid vernünftiger, als ich dachte, Cuchillo«, antwortete Arechiza. »Es gilt: fünfhundert Piaster und der zehnte Teil der Beute.«
»So groß er auch sein mag?«
»So groß er auch sei. Jetzt habt Ihr mein Wort, und nun bleibt mir nur noch übrig, einige Fragen an Euch zu richten. Befindet sich dieses Val d‘Or auf dem Weg, den – wie ich gerechnet habe – die Expedition einschlagen soll?«
»Die Goldgrube ist jenseits des Presidio von Tubac, und da die Expedition von diesem letzteren Ort aus aufbricht, so werdet Ihr an Eurem Marschplan nichts zu ändern haben.«
»Gut. Und Ihr habt das Val d‘Or mit eigenen Augen gesehen, sagt Ihr?«
»Ich habe es gesehen, ohne es anrühren zu können; ich habe es gesehen und mit den Zähnen geknirscht wie der Verdammte, der mitten durch die Flammen der Hölle eine Landschaft des Paradieses erblickt«, sagte Cuchillo, dessen ganze Haltung unzweifelhaft den Schmerz der getäuschten Habgier verriet.
Arechiza konnte zu gut auf dem menschlichen Antlitz die geheimen Gefühle des Herzens lesen, um länger an der Wahrhaftigkeit Cuchillos zu zweifeln; dann waren auch fünfhundert Piaster für ihn nur eine unbedeutende Summe. Und ist nicht überdies der Ehrgeizige gezwungen, etwas dem Zufall zu opfern? Er erhob sich, nahm aus einer elfenbeinernen Schatulle von geringem Umfang, die aber sehr schwer und am Kopfende seines Lagers niedergesetzt war, einen Beutel aus Damhirschfell, der sich darin befand, und holte eine Handvoll Quadrupel heraus. Er zählte zweiunddreißig davon Cuchillo hin, der sie selbst sorgsam wiederzählte, ehe er sie in seine Tasche steckte.
Der Bandit hatte etwas mehr empfangen, als ihm zukam, aber er beklagte sich deshalb nicht, kreuzte nach spanischer Sitte den Daumen mit dem Zeigefinger der rechten Hand und sagte: »Ich schwöre aufs Kreuz, daß ich die Wahrheit sagen will – nichts als die Wahrheit. Nach zehn Tagesmärschen jenseits Tubac, nordwestlich, werden wir an den Fuß einer Bergkette gelangen. Sie ist leicht wiederzuerkennen, denn ein dicker Nebel umhüllt sie Tag und Nacht. Ein kleiner Bach fließt längs dieser aufeinanderfolgenden Hügel; man muß ihn aufwärts verfolgen bis zum Zusammenfluß mit einem anderen Bach. An dem Punkt, wo die beiden Flüsse sich vereinigen und eine Landzunge bilden, erhebt sich ein abschüssiger Hügel, auf dessen Gipfel sich das Grabmal eines Apachenhäuptlings erhebt. Wenn ich nicht mehr dabeisein sollte, so werdet Ihr ihn leicht an den sonderbaren Verzierungen erkennen, wodurch er sich von allen anderen unterscheidet. Am Fuß des Hügels breitet sich ein See aus, zur Seite ein enges Tal. Das ist das Val d‘Or; da ist es, wo das Regenwasser unermeßliche Schätze hingespült hat.«
»Die Marschroute ist leicht zu begreifen«, sagte Arechiza.
»Aber schwer zu verfolgen«, antwortete Cuchillo. »Dürre Steppen, durch die wir reiten müssen, sind nicht das kleinste Hindernis; Indianerhorden durchstreifen zu jeder Zeit diese Steppen. Das Grab eines ihrer Häuptlinge, das sie mit abergläubischer Verehrung bewachen, ist das ständige Ziel ihrer Streifzüge, und eben auf einer solchen Wallfahrt haben sie Arellanos und mich überrascht.«
»Und hat dieser Arellanos«, nahm der Spanier das Wort, »sein Geheimnis niemand sonst als Euch allein entdeckt?«
»Ihr wißt«, antwortete Cuchillo, »daß die Gambusinos, ehe sie eine Expedition unternehmen, sich durch einen Eid auf das Evangelium verbindlich machen, die Bonanzas, die sie etwa finden würden, nur mit Zustimmung ihres Gefährten zu entdecken. Arellanos hatte diesen Eid geleistet, und der Tod hat ihn verhindert, ihn zu brechen.«
»Habt Ihr mir nicht gesagt, daß er nach seiner ersten Expedition nach Hause zurückgekehrt ist und daß Ihr in Tubac zufällig Bekanntschaft gemacht habt? Hatte er keine Frau, der er seine wunderbare Entdeckung hätte anvertrauen können? Das Gegenteil wäre nicht sehr wahrscheinlich!«
»Gestern kam ein Vaquero hier durch, der mir gesagt hat, daß die Frau Arellanos‘ eben gestorben sei; und wäre sie auch im Besitz dieses Geheimnisses, hätte sie es selbst ihrem Sohn offenbart …«
»Arellanos hat einen Sohn hinterlassen?«
»Einen Adoptivsohn«, erwiderte Cuchillo, »denn der junge Mann kennt weder seinen Vater noch seine Mutter.«
Don Estévan machte, ohne es zu wollen, eine sogleich unterdrückte Gebärde der Überraschung. »Der junge Mann wird ohne Zweifel der Sohn irgendeines armen Teufels in dieser Provinz sein«, sagte er nachlässig.
»Keineswegs; er ist in Europa geboren und wahrscheinlich in Spanien«, murmelte Cuchillo; er schien in eine flüchtige Träumerei zu verfallen. Sein Haupt neigte sich auf seine Brust wie das eines Mannes, der in seinem Geist zerstreute Data miteinander in Verbindung zu bringen sucht. »So hat wenigstens«, fuhr der dann fort, »der Kommandant einer englischen Kriegsbrigg, die im Jahre 1811 nach Guaymas kam, gesagt. Dieses Kind, das französisch und spanisch zugleich sprach, war nach einem blutigen Kampf gegen einen französischen Kutter gefangengenommen worden. Ein Matrose – sein Vater ohne Zweifel —, den das Kind stets beweinte, war getötet oder gefangengenommen worden. Der Kommandant wußte nicht, was er mit dem Knaben anfangen sollte, als Arellanos ihn zu sich nahm, ihn Tiburcio nannte und daraus einen Mann machte, bei Gott! So jung er auch noch ist, so hat er doch schon den Ruf eines untrüglichen Rastreadors und eines unerschrockenen Pferdebändigers.«
Der Spanier schien auf Cuchillo nicht mehr zu hören, und doch verlor er nicht ein Wort von dem, was er eben gesagt hatte; aber vielleicht hatte er genug davon gehört, oder der Gegenstand der Unterhaltung war ihm peinlich, denn er unterbrach plötzlich den Banditen. »Und Ihr glaubt, daß, wenn dieser untrügliche Rastreador, dieser unerschrockene Pferdebändiger das Geheimnis seines Adoptivvaters weiß, er für Euch nicht ein gefährlicher Mitbewerber werden könnte?«
Cuchillo richtete sich stolz empor. »Ich kenne einen Mann«, sagte er, »der in keiner Beziehung Tiburcio Arellanos nachsteht, eine Spur zu verfolgen und ein wildes Pferd zu bändigen; und ist dessenungeachtet dieses Geheimnis in seinen Händen nicht fast unnütz, da er es Euch eben für ein Zehntel des Wertes verkauft hat?«
Dieser letzte Beweis Cuchillos war genug, um Don Estévan von einer unbestreitbaren Wahrheit zu überzeugen, nämlich daß das Val d‘Or von indianischen Stämmen, wie es der mexikanische Bandit beschrieben hatte, umschwärmt werde und nur für eine ziemlich beträchtliche Streitkraft zugänglich sei und daß er allein nur über eine Anzahl von Männern verfügte, die zu dieser Besitznahme durchaus notwendig war.
Der Spanier träumte und schwieg; die Entdeckungen Cuchillos in betreff des Sohnes Marcos Arellanos‘ hatten seinem Geist eine Gedankenreihe eröffnet, in die alle übrigen sich verloren. Wir wollen nur sogleich sagen, daß er aus Gründen, deren Erklärung noch nicht hierher gehört, zu erraten suchte, ob nicht etwa Tiburcio Arellanos der junge Fabian de Mediana sei.
Cuchillo dachte seinerseits an gewisse Umstände in der Vergangenheit, die den Gambusino Arellanos und seinen Adoptivsohn betrafen und die er aus wichtigen Gründen nicht erwähnte. Damit wir aber diese Erzählung von Anfang an soviel wie möglich ungehindert verfolgen können, ohne auf die Vergangenheit zurückweisen zu müssen, so wollen wir diese früheren Ereignisse hier erwähnen.