Der Waldläufer. Gabriel Ferry

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Der Waldläufer - Gabriel  Ferry

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zu sagen, denn Ihr habt hier nicht eine Unze Kaufmannswaren. Es müßte denn sein«, fuhr er fort, indem er mit dem Fuß auf eine am Boden des Bootes zusammengerollte Strickleiter wies, »daß dies eine Probe sein sollte.«

      Stirn gegen Stirn mit dem Unbekannten konnte Pepe diesen nach Gefallen betrachten. Es war ein junger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Er hatte die sonnverbrannte Gesichtsfarbe des Seemanns. Dichte und dunkle Augenbrauen zeichneten sich kräftig auf einer knochigen und breiten Stirn ab. Große schwarze Augen, die mit düsterem Feuer tief in ihren Höhlen blitzten, verkündeten unversöhnliche Leidenschaften. Der Mund des Unbekannten war bogenförmig geschnitten und hatte einen geringschätzenden Ausdruck. Die Falten seiner Wangen waren trotz seiner Jugend stark markiert und gaben ihm bei der leichtesten Gemütsbewegung einen Ausdruck kalten Hohns, von Anmaßung und Verachtung. Aus seinen Augen, seinem Antlitz konnte man schließen, daß Ehrgeiz und Rachsucht die herrschenden Eigenschaften dieses Mannes sein mußten. Schwarze und lockige Haare mäßigten allein einigermaßen die Strenge seines Gesichts. Seine Kleidung war die eines Offiziers der spanischen Marine.

      Ein Blick, der jeden anderen als den Grenzjäger erschreckt haben würde, verriet die Ungeduld des Fremden, sich so von dem Küstenwächter betrachtet zu sehen.

      »Scherz beiseite, du Schelm – was willst du? Rede!« sagte der Fremde.

      »Plaudern wir von unseren Angelegenheiten«, sagte Pepe, »ich bin damit zufrieden. Zuerst also: Wenn Eure zwei Mann meinen Mantel und meine Laterne zurückbringen wollen, die zu nehmen sie gerade pfiffig genug sind, so werdet Ihr ihnen Befehl geben, nicht zu nahe zu kommen; auf diese Weise werden wir plaudern können, ohne unterbrochen zu werden; anderenfalls gebe ich mit einem Büchsenschuß, der Euch tot niederstreckt, das Lärmzeichen und stoße ab. Was sagt Ihr dazu? Nichts? Gut; diese Antwort ist so gut wie eine andere. Ich fahre also fort. Ihr habt meinem Capitan vierzig Unzen gegeben?« fragte der Soldat unverschämt genug und auf die Gefahr hin, die Summe tüchtig zu vergrößern.

      »Zwanzig!« sagte der Fremde ohne Zögern.

      »Ich hätte es lieber gesehen, wären es vierzig gewesen«, erwiderte Pepe; »doch man gibt eine solche Summe nicht für das Vergnügen, eine sentimentale Spazierfahrt auf der Ensenada zu machen. Mein Dazwischenkommen muß Euch belästigen; ich möchte mir wohl mein Fernbleiben bezahlen lassen.«

      »Wieviel?« fragte der Unbekannte, den es drängte, ein Ende zu machen.

      »Eine Kleinigkeit. Ihr habt vierzig Unzen dem Capitan gegeben …«

      »Zwanzig, sage ich dir!«

      »Ich hätte lieber gesehen, es wären vierzig gewesen«, wiederholte Pepe; »aber meinetwegen zwanzig. Laßt sehen, ich will nicht unbescheiden sein; ich bin nur Soldat, er ist Capitan; ich werde also nicht unvernünftig sein, wenn ich das Doppelte von dem verlange, was er bekommen hat.«

      Der so geprellte Fremde stieß einen Fluch aus, antwortete aber nichts.

      »Ich weiß sehr wohl«, fuhr Pepe fort, »warum das wenig ist; denn wenn er eine dreifache Löhnung erhält, so hat er doch dreimal weniger Bedürfnisse als ich, und folglich würde ich ein Recht haben auf das Dreifache; aber – wie er sagt – die Zeiten sind hart, und so will ich denn bei meiner Forderung stehenbleiben.«

      Ein heftiger Kampf schien im Herzen des Unbekannten zwischen der Besorgnis und dem Zorn stattzufinden; von seiner Stirn rollten trotz der rauhen Jahreszeit die Schweißtropfen herab. Eine sehr gebieterische Notwendigkeit mußte ihn mit solcher Heimlichkeit an diesen versteckten Ort geführt haben, denn die Notwendigkeit dämpfte seinen Zorn, der unbezähmbar schien. Die Miene spöttischer Unverzagtheit, die bei Pepe offen hervortrat, ließ ihn außerdem das Dringende einer Übereinkunft fühlen, und er zog, die Hand unter dem Mantel, von einem Finger einen kostbaren Ring und reichte ihn dem Soldaten. »Da, nimm, und mach, daß du fortkommst!« sagte er zu ihm.

      Pepe nahm, prüfte ihn und zögerte. »Bah, ich will es wagen und ihn für vierzig Unzen annehmen. Jetzt bin ich taub, stumm und blind.«

      »Ich rechne darauf!« sagte der Unbekannte kalt.

      »Beim Leben meiner Mutter«, antwortete Pepe; »da es sich nicht um Schmuggelei handelt, so will ich Euch gut unterstützen. Denn Ihr seht wohl ein, daß ich in meiner Eigenschaft als Grenzjäger nicht sehen darf, wie man schmuggelt, und selbst schmuggeln – niemals!«

      »Laß es gut sein; du kannst dein furchtsames Gewissen darüber ganz beruhigen«, erwiderte der Unbekannte mit einem bitteren Lächeln. »Bewache dieses Boot bis zu unserer Rückkehr; ich folge meinen Leuten. Nur – was sich auch ereignen möge, was du auch sehen magst, wie lange wir auch fortbleiben mögen – sei, wie du sagst, stumm, taub, blind und geduldig.« Während der Fremde diese Worte sprach, sprang er aus dem Boot ans Ufer und verschwand hinter der Biegung des Hohlwegs. Nachdem er sich nun allein befand, betrachtete Pepe im Mondlicht den Diamanten, der in den Ring eingelassen war, den er dem Unbekannten abgenötigt hatte. Wenn dieser Edelstein nicht falsch ist, dachte er, braucht mich die Regierung niemals zu bezahlen, es liegt mir nichts mehr daran; inzwischen aber will ich von morgen ab anfangen, teufelsmäßig nach meinem Gehaltsrückstand zu schreien. Das wird einen guten Effekt machen.

      2. Der Alkalde und sein Schreiber

      Niemand erfuhr, wie lange Pepe in Erwartung der Rückkehr des Fremden auf seinem Posten geblieben war. Jedenfalls, als der Hahnenschrei sich hören ließ und die Morgendämmerung den Horizont zu lichten begann, war die kleine Bucht der Ensenada vollständig vereinsamt.

      Jetzt schien das Leben im Dorf wieder zu erwachen. Undeutliche Schatten zeichneten sich auf den steilen Fußpfaden ab, die zur Mole hinunterführten. Die von den Wellen geschaukelten Schiffe wurden von ihren Seilen losgemacht, und das erste Tageslicht beleuchtete die Abfahrt der Fischer. Kaum waren einige Minuten vergangen, so war die kleine Flotte im Morgennebel verschwunden, und Frauen und Kinder erschienen auf den Türschwellen und verschwanden dann wieder. Das einzige von den armseligen Wohnhäusern des Dorfes, das seine Läden noch nicht dem Licht des Morgens geöffnet hatte, war das des Alkalden von Elanchove, von dem wir schon gesprochen haben.

      Es war heller Tag, als ein junger Mann mit einem abgenutzten, schmutzigen Hut, der an verschiedenen Stellen wie lackiertes Leder glänzte, auf dieses Haus zuschritt. Eine Hose, die so kurz war, daß man sie eine Kniehose hätte nennen können; so eng, daß sie wie ein Regenschirmfutteral aussah; und so abgenutzt, daß sie auch in den Hundstagen nicht zu warm gewesen wäre, schützte seine Beine nur mangelhaft vor der scharfen Kälte eines Novembermorgens.

      Dieser junge Mann klopfte an die Tür des Alkalden. Sein Gesicht war kaum zu sehen; er trug einen jener kleinen Mäntel von langwollenem, grobem Tuch, die man »Esclavina« nennt, und dieser reichte ihm bis an die Augen. Nach der parteiischen Art und Weise, mit der er bei der ungleichen Teilung, zu der ihn die Winzigkeit dieses Mantels nötigte, seine Beine auf Kosten seines Oberkörpers unbedeckt ließ und den höheren Teil seiner Person bedachte, schien er vollständig mit seiner Hose zufrieden zu sein.

      Aber der Schein ist sehr trügerisch. In Wirklichkeit ging der Traum dieses Burschen, dessen falsche Augen, elendes Ansehen und ein gewisser Geruch nach altem Papier den Escribano verrieten, auf den Besitz eines Pantalons, der ganz verschieden war von dem seinigen: nämlich auf eine lange, weite und kernhafte Kleidung. Ein Pantalon, der diese drei Eigenschaften in sich vereinigte, schien ihm gegen die Leiden des Lebens eine undurchdringliche Hülle, gegen das Unglück ein unverletzliches Asyl zu sein. Dieser junge Mensch war die rechte Hand des Alkalden; sein Name war Gregorio Cayatinta.

      Bei dem bescheidenen Schlag mit dem hörnernen Schreibzeug, das er kreuzweise übereinandergelegt trug, an die Tür des Alkalden von Elanchove kam eine alte Frau und öffnete.

      »Ach, Ihr

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