Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
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Die Ländereien nahe am Zusammenfluß der beiden Ströme sind schon in die Hände der Spekulanten übergegangen, und da infolgedessen auch schon Städte vermessen und ausgelegt wurden, so kann es den Eigentümern wohl kaum verdacht werden, daß sie alles aufbieten, Einwohner dorthin zu ziehen. Zu diesem Zweck heißt es unter anderem in den Zeitungen: »Merkwürdig günstige Gelegenheit, in kurzer Zeit ohne Arbeit reich zu werden.« Der Titel hat schon sehr viel für sich, denn nicht nur in Kalifornien, sondern auch in anderen Ländern gibt es Menschen genug, die recht gern auf dergleichen Anerbieten eingehen. Doch weiter: »In dem paradiesischen Landstrich, der vom Colorado und dem Gila, zwei Strömen ersten Ranges, zugleich bewässert wird, bietet sich Emigranten sowie schon ansässigen Geschäftsleuten willkommene Gelegenheit, sich für ein Geringes einen unantastbaren Besitztitel über Baustellen in der aufblühenden Stadt »Colorado City«, und über ausgedehnteres Grundeigentum zu erwerben. Zur Bequemlichkeit der Zuziehenden sind zwei prachtvoll eingerichtete Dampfboote bei Fort Yuma stationiert worden, die zu jeder Stunde bereit sind, Güter von der Mündung des Flusses nach Colorado City und ebenso von der Stadt zurück an die Mündung zu schaffen, wo der weitere Verkehr durch Segelschiffe und später durch Seedampfer aufrechterhalten wird. Das Klima in dortiger Gegend ist überaus gesund, der Winter ist mild und die fast täglich aufspringenden Seewinde bringen einige Veränderung in die warme Sommerzeit.«
Es läßt sich nicht leugnen, daß durch dergleichen prahlerische Anzeigen mancher verlockt wird, einen Blick auf diesen sogenannten paradiesischen Landstrich zu werfen, seltener gerät indessen jemand in die Versuchung, sich einen Besitztitel zu kaufen, denn es gibt am Colorado in dieser Beziehung doch mancherlei zu überlegen und zu bedenken. So bestand zur Zeit meiner Anwesenheit in Fort Yuma die regelmäßig angeführte »Colorado City« aus einem einzigen Zelt, und zwar dem unsrigen, das wir zufällig in der Hauptstraße am Fluß aufgeschlagen hatten und das also nicht lange eine Zierde der aufblühenden Stadt bleiben sollte. Bei der Anzeige von der Bequemlichkeit der Dampfboote war es verabsäumt worden, die sehr unbequemen Frachtpreise mit hinzuzufügen, dagegen hatte es mit dem »weiteren Verkehr durch Segelschiffe« seine Richtigkeit, denn alle zwei Monate landete an der Mündung des Colorado ein kleiner Schoner. In der Beschreibung des Klimas hatte man nur der Sandstürme nicht gedacht oder auch dieselben auf mildernde Weise in angenehme Seebrisen umgewandelt, die es allerdings nicht an Veränderungen fehlen lassen. Dies ist aber der Anfang fast aller neu zu gründenden Ansiedlungen in Amerika, Scharlatanerie spielt die Hauptrolle; sollten aber an dem oberen Colorado einst reiche Silber- und Goldminen entdeckt werden, was gar nicht unwahrscheinlich ist, so würde der Landstrich, dessen Mängel ich eben mit grellen Farben hervorzuheben suchte, bald das Bild eines regen Weltverkehrs zeigen.
Wie das ganze südlichere Kalifornien vielfach von heftigen Erdbeben erschüttert wird, so scheinen besonders Fort Yuma und seine Umgebung den Störungen unterworfen zu sein. Ohne der zahlreichen Stöße und Schwingungen gedenken zu wollen, die sich oft Monate hindurch täglich wiederholen, gebe ich hier nur die Beschreibung des großen Erdbebens vom 9. November 1852, wie es von dem damaligen Kommandeur des Postens, Major Heintzleman, beobachtet worden ist. »Die erste Erschütterung stürzte einen Teil des Chimney Peak hinunter und öffnete große Risse und Spalten in den Lehmschichten nahe der Wüste. Zur selben Zeit wurde in der Entfernung von ungefähr vierzig Meilen in der Wüste eine Dampfsäule sichtbar. Als ich einige Wochen später diese Stelle besuchte, fand ich daselbst einen neu entstandenen Schlammvulkan in voller Tätigkeit. Wolken von Dampf, untermischt mit schwarzem Schlamm, wurden fortwährend bis zu einer Höhe von dreißig bis vierzig Fuß emporgeschleudert. Der Krater befand sich in einem seichten Becken, das teilweise mit Wasser angefüllt war und einen Teich von der Größe einiger Morgen bildete. Das Wasser hatte eine Temperatur von 108° Fahrenheit und wurde bei jeder neuen Explosion mit Heftigkeit in Wellen zurückgetrieben. Zahlreiche kleine Kegel warfen, ähnlich den Lokomotiven, in kurzen Absätzen Dämpfe aus, und in einem dieser letzteren, wo auch Gas hervorbrach, war die Temperatur 170° Fahrenheit. Ein anderer Schlammvulkan wurde zu derselben Zeit im nordwestlichen Teil der Wüste sichtbar, und Staubwolken erhoben sich während der Haupterschütterung an vielen Stellen der Ebene.«
Die Bevölkerung um Fort Yuma besteht, wie es sich nicht anders erwarten läßt, noch größtenteils aus Eingeborenen, und es sind namentlich die Yuma-Indianer, die man dort noch häufig in großer Anzahl zusammenfindet. Das eigentliche Gebiet dieses Stammes ist das Tal des unteren Colorado; es beginnt ungefähr achtzig Meilen oberhalb der Mündung des Gila und erstreckt sich von da bis nahe an den Golf von Kalifornien, wo die Nation der Cocopa-Indianer beginnt. Diese letzteren bildeten früher zusammen mit den Maricopas, die jetzt unter den Pimos am Gila leben, einen Stamm, bis bei Gelegenheit der Wahl eines Häuptlings Zank unter ihnen ausbrach, der sich allmählich in tödliche Feindschaft verwandelte. Die Cocopas haben sich seit jener Zeit mit den Yumas und den weiter nördlich wohnenden Stämmen des Coloradotals verbündet und leben fortwährend in einem blutigen Krieg mit den Gila-Nationen.
Als wir den Colorado erreichten, herrschte noch tiefe Trauer unter den Yumas, veranlaßt durch eine empfindliche Niederlage, die ihnen und ihren Verbündeten durch die Pimos — und noch dazu im Feindesland — beigebracht worden war. Unter den Colorado-Stämmen war nämlich lange vorher ein Einfall in die Dörfer der Pimos verabredet und vorbereitet worden. Alles schien nach Wunsch zu gehen; die blutdürstige Bande gelangte — wie sie glaubte, ohne entdeckt zu werden — ans Ziel und stürzte sich förmlich siegestrunken auf die feindlichen Wohnungen. Nur einzelne Frauen flüchteten bei ihrem Herannahen, und als sie in blinder Wut denselben nachsetzten oder in die verlassenen Hütten eindrangen, wurden sie ihrerseits plötzlich aus einem Hinterhalt von den Pimos und Maricopas überfallen und bis auf wenige, denen es gelang, in ihre Heimat zu entkommen, niedergemacht. Der Plan der Yumas war nämlich verraten oder ausgekundschaftet worden, und infolgedessen hatten ihre Feinde ihnen eine Falle gestellt, die gemäß der dortigen, freilich wenig begründeten Aussagen allein 86 Yuma-Krieger das Leben gekostet haben soll.
In Sitten und Gebräuchen sowie auch in ihrem Äußeren unterscheiden sich die Yuma-Indianer wenig oder gar nicht von ihren nördlichen Nachbarn, den Chimehwhuebes und Mohaves. Die Männer sind groß, stark und wohlgebaut, die Frauen dagegen klein und untersetzt, doch nicht ohne Anmut in ihren Bewegungen. Die Kleidung der letzteren, die aus einem kurzen, dicken Rock aus herabhängenden Baststreifen besteht, dient dazu, ihre üppigen Figuren in noch vorteilhafterem Licht erscheinen zu lassen, und unter den schwarzen Scheitelhaaren hervor, die in gleicher Höhe mit den Brauen abgeschnitten sind, blitzen Augen so klar, daß man sie mit Diamanten vergleichen möchte. Hände und Füße sind bei beiden Geschlechtern klein und die Gelenke so zierlich, als wenn sie gemeißelt wären.
Die einzige Bekleidung der Männer bildet ein schmaler, langer Schurz von weißem Baumwollzeug, ihr Hauptschmuck dagegen sind die langen, starken Haare, die, mittels nasser Lehmerde in Rollen gedreht, bis tief aufs Kreuz herabhängen und in gleicher Länge stumpf abgeschnitten sind. Als Waffen führen sie den langen Bogen aus Weidenholz nebst Rohrpfeilen, die mit Steinspitzen versehen sind; darüber hinaus aber auch noch die kurze Keule und in vielen Fällen auch das Messer. Ihre Vorliebe für grelle Farben beweisen sie durch die Malereien auf ihrem Körper, doch ist ihnen auch das Tätowieren nicht fremd; dieses wird indessen mehr von den Frauen angewandt, die sich die Mundwinkel und das Kinn mit blauen Punkten und Linien schmücken.
Der Eindruck, den die Yuma-Indianer als eine schöne Menschenrasse machen, wird leider verwischt, wenn man die gesunkenen Geschöpfe erblickt, die sich in großer Anzahl im Fort selbst und in der nächsten Umgebung aufhalten und die in ihrem Äußeren die unvertilgbaren Spuren aller nur denkbaren Laster zur Schau tragen. Man möchte sich dort fast der eigenen Hautfarbe schämen, wenn man bedenkt, daß diese Entwürdigung des Menschen der weißen Rasse allein zur Last gelegt werden muß; ich spreche hier nicht von der Politik, die es gestattet, daß der Auswurf der Menschheit mit in die Reihen der Soldaten aufgenommen werden kann und dieser dann als der erste Lehrer der Eingeborenen auftritt, sondern ich spreche von denjenigen, welche die Macht zur Besserung der Umstände