Die Nilbraut. Georg Ebers
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Читать онлайн книгу Die Nilbraut - Georg Ebers страница 18
»Ach, daß es so sein muß!« seufzte die Amme. »Hart ist Dein Los freilich. Er, der Orion, kommt ja nicht mehr in Frage; aber könnt’ es denn mit den anderen nicht besser werden, frag’ ich mich oft. Hättest Du’s ihnen nicht so schwer gemacht, Kind, sie müßten Dich lieben, es ging’ ja nicht anders, aber seit Du ins Haus kamst, fühltest Du Dich elend und wünschtest, daß man Dich gehen ließe, und sie, sie haben Dein Verlangen erfüllt, und nun findest Du es schwer zu ertragen, daß es kam, wie Du wolltest. Es ist so, Kind; Du mußt mir nicht widersprechen! Und wir wollen heut einmal gerecht sein: Wer findet denn Liebe, der keine gewährt und über die anderen mißmutig hinwegsieht? Ja, könnte sich jeder die Menschen selber machen, mit denen er umgeht! Sie nehmen, wie sie gerade sind, gebietet das Leben, doch zu Dir, Herz, nein, zu Dir ist dieser Satz nicht gedrungen!«
»Wie ich bin, so bin ich nun eben!«
»Gewiß, und Du bist von dem Guten das Beste, doch wer ahnt das da drüben? Jeder Mensch stellt etwas vor. Und Du? Was Wunder, wenn sie in Dir immer nur ›die Unglückliche‹ sehen? Gott sei’s tausendmal geklagt, daß Du’s bist! Aber wen freut es, immerfort ein umdüstertes Antlitz zu sehen?«
»Ich habe noch keinem da drüben auch nur mit einem Worte geklagt, was ich leide!« rief Paula und richtete sich stolz in die Höhe.
»Das ist es ja eben!« versetzte die Amme. »Sie nahmen Dich auf und meinten ein Anrecht an Deine Person und also auch an Deinen Kummer zu haben. Vielleicht verlangte es sie auch, Dich zu trösten; denn — darin liegt, glaube mir’s, Kind, — darin liegt eine geheime Lust. Wer einem Mitleid bezeigt, der fühlt immer dabei, daß es ihm selbst besser geht als dem andern. Ich kenne das Leben! Hast Du Dir nie gesagt, daß Du den Deinen da drüben eine Freude raubst, ja sie vielleicht beleidigst, indem Du Dich ihnen verschließest? Der Schmerz ist Dein Bestes, und den zeigst Du ihnen von weitem, aber wo es Dir weh thut, das verbirgst Du gar sorgsam. Jeder gute Mensch möchte heilen, wo ihm eine Wunde begegnet, aber Dein ganzes Wesen ruft ihnen zu: ›Bleibt, wo ihr seid, und laßt mich in Ruhe!‹ Dem Oheim wenigstens warst Du doch gut!«
»Und ich bin es auch noch, und es hat mich hundertmal gedrängt, ihm alles anzuvertrauen, indessen —«
»Indessen?«
»Sieh ihn nur an, Betta, wie er marmorkalt, starr und teilnahmlos daliegt, halb tot, halb lebendig. Anfänglich schwebten mir oft vertrauensvolle Worte auf den Lippen...«
»Und jetzt?«
»Jetzt ruht all das Schlimme so weit dahinten; ich glaube, ich habe das Recht verscherzt, ihm zu klagen, was mich bedrückt.«
»Hm,« machte Perpetua, die hierauf nichts zu erwidern wußte. »Faß Dich nur recht zusammen, mein Mädchen. Der Orion hat wohl schon zu fühlen bekommen, wie weit es bei uns zu gehen erlaubt ist. Du kannst ja das Köpfchen hoch genug halten und kühl genug drein schauen! Dulde, was nicht zu ändern ist, und wenn meine innere Stimme nicht trügt, so wird der, den wir suchen...«
»Auch deswegen bin ich gekommen. Ist noch kein Bote zurück?«
»Doch! Der kleine Nabbatäer,« versetzte die Amme mit einigem Zögern, »und er hat auch... Aber um Gottes willen, Kind, mache Dir noch keine vergebliche Hoffnung! Bald nach Sonnenuntergang ist Hiram bei mir gewesen —«
»Betta!« kreischte die Jungfrau auf und umklammerte den Arm der Amme. »Was hat er erfahren, was bringt er?«
»Nichts, nichts! Wie Du gleich mit dem Kopf durch die Wand willst! So viel wie gar nichts ist es, was er erfuhr. Ich konnte den Hiram nur kurze Zeit sprechen. Morgen früh will er den Mann selbst zu mir führen. Das Einzige, was er mir sagte...«
»Bei Christi Wunden, was war es?«
»Er sagte, der Bote habe von einem älteren Klausner gehört, der einmal ein großer Kriegsheld gewesen.«
»Der Vater, der Vater!« schrie Paula auf. »Hiram sitzt mit den anderen am Feuer. Gleich, gleich holst Du ihn her; ich befehl’ es, Perpetua, hörst Du! O liebste, einzige Betta, komm mit; wir suchen ihn auf!«
»Aber Geduld doch, Herz, etwas Geduld!« klagte die Amme. »Ach, ach, Du arme, liebe Seele, es wird wieder nichts sein, und wenn wir die falsche Fährte nochmals verfolgen, gibt es neue Enttäuschung!«
»Gleichviel, Du kommst mit mir.«
»Zu den Dienern am Feuer, in dieser Zeit? Das wär’ mir das Rechte! Aber... indessen... Wart’ hier, Mädchen. Ja, so, so wird es gehen! Den Joseph, Hirams Jungen, den weck’ ich. Er schläft bei den Pferden da drüben, und der ruft dann seinen Vater. Ach, diese Ungeduld, dies stürmische, leidenschaftliche Herzchen! Thu’ ich Dir nicht den Willen, so schließest Du mir heut nacht kein Auge und wankst morgen umher wie im Traum... Ruhe, nur Ruhe, ich geh’ schon.«
Dabei hatte die Alte sich das Kopftuch umgeschlungen und eilte ins Freie, Paula aber warf sich vor dem Kruzifix über dem Bett nieder und betete mit aller Inbrunst, bis die Amme zurückkam. Bald darauf ließen sich Männertritte auf der Treppe vernehmen, und Hiram trat ein.
Es war ein kräftiger Fünfziger mit zwei blauen, treuen Augen in dem groben Dutzendgesicht. Wer seine breite Brust sah, durfte erwarten, daß er, wenn er zum Reden kam, eine kräftige Baßstimme erklingen lassen werde; doch Hiram stotterte von Kind an, und im steten Umgang mit Pferden hatte er sich den Gebrauch von seltsamen Naturlauten angewöhnt, die er mit hoher Fistelstimme hervorstieß. Er sprach auch nur ungern.
Als er der Tochter seines Wohlthäters und Herrn gegenüberstand, sank er vor ihr nieder, blickte sie mit den treuen Jagdhundaugen unterwürfig und doch zärtlich an, und küßte ihr erst das Gewand und dann auch die Hand, mit der sie ihn aufrichten wollte.
Paula unterbrach die mühsam hervorgestammelten Beteuerungen seiner Freude, sie wiederzusehen, gütig, aber entschieden, und als er endlich zu sprechen begann, floß seine Rede für ihre Ungeduld viel zu langsam.
Der Nabbatäer, welcher die Hoffnung erweckende Nachricht gebracht hatte, teilte er mit, sei nicht abgeneigt, der gefundenen Spur weiter nachzugehen; doch könne er nur bis morgen Mittag warten und habe hohe Forderungen gestellt.
»Alles soll er haben, alles, was er verlangt,« unterbrach ihn Paula. Hiram aber bat sie mehr mit Blicken und unverständlichen Rufen als mit deutlichen Worten, ja nicht zu Großes zu hoffen.
Der Nabbatäer Dusare, so ergänzte er die Mitteilung der Amme, habe von einem Klausner zu Raithu am Roten Meer erfahren, daß ein großer Kriegsheld von griechischer Abkunft seit zwei Jahren bei den frommen Brüdern am heiligen Sinaiberge in aller Stille ein bußfertiges Leben führe. Seinen weltlichen Namen hatte der Bote nicht zu erfragen gewußt, unter den Klausnern aber ward er Paulus genannt.
»Paulus?« unterbrach ihn das Mädchen mit fliegendem Atem. »Ein Name, der ihn an die Mutter erinnert und an mich, auch an mich! Und dann er, der Held von Damaskus, in der Welt hat er Thomas geheißen — und nun, da er wohl glaubt, auch ich sei ums Leben gekommen, weiht er sich gewiß dem Dienste Gottes und Christi und nennt sich wie Saulus, der andere Mann von Damaskus, nachdem er das Heil gefunden, Paulus, gerade wie dieser! O Betta, o Hiram, ihr werdet sehen, er ist es, er muß es sein, könnt ihr noch zweifeln?«
Der Syrer schüttelte bedenklich den Kopf und stieß ein langgezogenes »Hüüst« aus; Perpetua aber schlug die Hände zusammen und rief bekümmert: »Hab’ ich’s nicht gedacht? Das Feuer, das Hirten in der Nacht entzünden, um sich die Hände zu wärmen, hält sie für die aufgehende Sonne, Wagengerassel für den Donner des Höchsten! Wie viel Tausende