Die Nilbraut. Georg Ebers

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Die Nilbraut - Georg  Ebers

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frag’ ich, kann zu solchem Zwitterbalg beten? Wir Jakobiten, Monophysiten oder wie man uns sonst nennt, geben von der göttlichen Natur unsers Herrn und Heilands kein Titelchen preis, und soll es nun einmal mit dem alten Glauben vorbei sein, so will ich ein Muslim werden und mich zu eurem großen einigen Gott bekehren; denn bevor ich mich zu der Ketzerei der Melchiten bekenne, lieber lasse ich mich mit Weib und Kind in Stücke zerhacken. Wer weiß, wie’s noch kommt! Es bringt ja auch manchen Vorteil, der eure zu werden; denn ihr habt die Macht, und ihr mögt sie behalten! Von Fremden werden wir nun einmal beherrscht, und wer zahlte nicht lieber die kleinere Steuer an den weisen und gesunden Chalifen in Medina als die größere an die melchitische, bresthafte Kaiserbrut in Konstantinopel? Der Mukaukas Georg ist gewiß kein schlechter Mann; aber wie er den Widerstand gegen euch so schnell aufgab, ist er der gleichen Meinung gewesen. Als rechtliche, fromme Leute, unsre Nachbarn, vielleicht sogar unsre Stammverwandten, zieht er euch, ich weiß es von meinem Bruder, den byzantinischen Ketzern, Menschenschindern und Bluthunden vor; und dabei ist der Mukaukas ein so guter Christ wie nur einer.«

      Der Araber hatte dem Memphiten, den sein Führeramt zwang, sich selbst zu unterbrechen, aufmerksam und bisweilen mit seinem Lächeln zugehört. Jetzt ließ der Aegypter die Karawane in eine Gasse einbiegen, welche zu der dem Strome gleichlaufenden Straße führte, in der sich einige von Gärten umgebene Häuser stattlich erhoben.

      Sobald Mensch und Tier auf dem bessern Pflaster weiter zogen, sagte der Kaufherr: »Ich habe den Vater des Mannes, den Du da nanntest, recht wohl gekannt. Er war ein reicher und dabei wohlgesinnter Herr, und auch von seinem Sohne hört’ ich nur Gutes. Darf er immer noch den Titel ›Statthalter‹ oder — wie sagtest Du gleich? — eines Mukaukas führen?«

      »Gewiß, Meister!« entgegnete der Hermeneut. »Es gibt in Aegypten kein älteres Geschlecht als das seine, und wenn der alte Menas schon reich war, so ist es der Mukaukas Georg noch mehr, durch Erbschaft und das Heiratsgut seiner Gattin. Einen verständigeren, gerechteren Statthalter können wir uns nicht wünschen! Auch den Unterbeamten sieht er auf die Finger, aber so schnell wie sonst werden die Geschäfte doch nicht mehr erledigt; denn wenn er auch kaum älter ist als ich, und ich stehe am Ende der Fünfzig, so kommt er doch aus dem Kranksein nicht mehr heraus, und schon seit Monaten hat ihn niemand mehr ausfahren sehen; selbst wenn euer Statthalter ihn sehen will, kommt er von drüben herüber. Ein Jammer ist’s um den Mann, und wer hat ihm den stattlichen Leib zu Grunde gerichtet? Die Melchitenhunde sind es gewesen! Frag’ nur am Nil, so lang er ist, nach dem Urheber eines Unglücks, und Du wirst immer dieselbe Antwort bekommen. Wo der Melchit, der Grieche hintrat, da war’s aus mit dem Graswuchs!«

      »Aber dem Mukaukas, dem höchsten Beamten des Kaisers...« hob der Araber an; doch der andere unterbrach ihn und rief:

      »Er, denkst Du, sei sicher vor ihnen gewesen? An seine eigene Person haben sie freilich nicht getastet; aber es ist noch schlimmer gekommen; denn bei einem Aufstand der Melchiten gegen die Unsren — in Alexandria war es, und der verstorbene griechische Patriarch Cyrus hatte die Hand mit im Spiele — da sind ihm zwei Söhne, zwei schöne, blühende Männer, wie tolle Hunde erschlagen worden, und das hat ihm den Rücken gebrochen.«

      »Armer Mann!« seufzte der Araber. »Und ist ihm kein anderes Kind verblieben?«

      »Doch, Herr, doch! Ein Sohn und des ältesten Witwe. Die ist freilich nach dem Tod ihres Gatten ins Kloster gegangen, aber ihr Kind, die kleine Maria, zehn Jahre wird sie alt sein, hat sie bei den Großeltern gelassen.«

      »Das ist schön,« rief der Kaufherr, »das wird Sonnenschein in das Haus gebracht haben.«

      »Gewiß, Herr! Und es fehlte da auch sonst — eben jetzt noch — gewiß nicht an Freude. Der einzige überlebende Sohn, Orion heißt er, ist vorgestern aus Konstantinopel heimgekehrt, wo er lange gewesen, und das hat ein Leben gegeben! Die halbe Stadt war wie närrisch. Tausende sind ihm entgegengezogen, als wär’ es der Heiland; Ehrenpforten haben sie ihm gebaut, und selbst die Meinen — von Zurückhalten war da keine Rede. Alle wollten den Sohn und Erben des großen Mukaukas sehen, und die Weiber natürlich allen voran!«

      »Das kommt so heraus,« sagte der Araber, »als sei der Heimgekehrte solcher Ehre nicht würdig.«

      »Wie man’s ansieht,« versetzte der Aegypter und zuckte die Achseln. »Er ist einmal der einzige Sohn des ersten Mannes im Lande.«

      »Verspricht aber nicht, dem Alten ähnlich zu werden?«

      »Doch, doch!« rief der andere. »Mein Bruder, ein geistlicher Herr, der Vorsteher unsrer großen Schule, war sein Lehrer, und ein gleicher Kopf wie Orion, sagt er, sei ihm nicht wieder begegnet. Alles flog ihm nur so an, und dabei ist er fleißig gewesen wie armer Leute Kind. Ruhm und Ehre, meint Marcus, hätten wir, die Eltern und seine Vaterstadt Memphis von ihm zu erwarten; aber ich, ich seh’ auch die Schatten, und ich sage Dir, die Weiber verdrehen ihm den Kopf und richten ihn endlich zu Grunde. — Schön ist er, stattlicher noch als der Alte in seinen Jahren, und das macht er sich zu nutz, und wo ihm etwas Anmutiges begegnet — und es stellt sich ihm überall in den Weg —«

      »Da greift der junge Taugenichts zu,« lachte der Muslim. »Wenn es weiter nichts ist, was Dich ängstigt, so freut mich’s für ihn. Er ist jung, und dergleichen gibt sich.«

      »Nein, Herr; auch mein Bruder, — er ist jetzt in Alexandria und immer noch blind und närrisch eingenommen für den früheren Schüler — auch er sieht darin eine gefährliche Klippe. Wenn das sich nicht ändert, so wird er weiter und weiter abweichen von den Geboten des Herrn und Schaden nehmen an seiner Seele, und die Gefahren umstehen ihn überall wie brüllende Löwen. Die edle Gabe der Schönheit und des gewinnenden Wesens, die führt ihn noch ins Verderben; und ich wünsch’ es nicht, aber mir ahnt es...«

      »Du siehst schwarz und urteilst hart,« erwiderte der Alte. »Die Jugend...«

      »Auch die Jugend,« entgegnete der Führer, »die christliche wenigstens, soll sich selbst beherrschen, und wenn einer, so bin ich geneigt, dem schönen Burschen das Beste zu gönnen, und daß ich’s nur gestehe: wenn er mich grüßt, so ist mir’s gleich, als wär’ mir etwas Gutes begegnet, und so geht es noch tausend anderen Männern in Memphis, und den Weibern erst recht; doch trotz alledem hat schon manche viele bittere Thränen um ihn vergossen. Aber, bei allen Heiligen, wenn man vom Wolf spricht, gleich... Sieh nur, da ist er!... Halt, haltet ein wenig, ihr Leute! Es lohnt sich, Herr, einen Augenblick zu verziehen!«

      »Das stattliche Viergespann dort an der hohen Gartenpforte ist seins?«

      »Es sind die pannonischen Renner, die er mitgebracht hat, schnell wie der Blitz und dabei... Aber dort... Sieh! Ach, nun treten sie hinter den Gartenzaun zurück; aber Du, Du mußt sie doch von Deinem hohen Dromedar aus sehen können. Das kleine Fräulein da bei ihm, das ist die Tochter der Witwe Susanne, der dieser Garten und der schöne Palast hinter den Bäumen gehört.«

      »Ein herrlich Besitztum!« rief der Araber.

      »Das will ich meinen,« entgegnete der Memphit; »der Garten reicht bis an den Nil, und wie er gepflegt ist!«

      »Hat hier nicht früher der Kornhändler Philammon gewohnt?« fragte der Kaufherr, als stiegen alte Erinnerungen in ihm auf.

      »Freilich! Er war Susannens Gemahl und muß ein Fünfziger gewesen sein, als er um sie freite. Die Kleine ist ihre einzige Tochter, die reichste Erbin im ganzen Gau, aber trotz ihrer sechzehn Jahre nicht recht ausgewachsen, eines alten Vaters Kind, weißt Du, und doch hübsch und lustig, eine Lachtaube in Mädchengestalt, und so schnell und beweglich! Ihre eigenen Leute haben sie das ›Bachstelzchen‹ getauft.«

      »Gut, gut und treffend,« versetzte der Kaufherr vergnügt. »Klein ist sie, mehr Kind als Jungfrau, aber mir

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