Die Nilbraut. Georg Ebers

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Die Nilbraut - Georg  Ebers

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groß und breit wie eine Eiche, und mit einem Kopfe, den das blonde Haupthaar wie eine Löwenmähne umwallte, indem er sich den mächtigen Schnurrbart wischte.

      »Desto besser,« entgegnete Haschim. »Komm mit mir ins Freie!«

      Damit ging er dem Masdakiten in den Palmenhain voran.

      Das Tagesgestirn war hinter den Pyramiden, der Totenstadt und der libyschen Bergkette zur Rüste gegangen, und sein Widerschein bemalte nun den östlichen Himmel und das nackte Kalkgebirge von Babylon jenseits des Stromes mit Farben von unbeschreiblich wechselvoller Schönheit. Es war, als hätten alle Rosenarten, die der erfahrenste Gärtner in Arsinoë oder Naukratis züchtete, von der goldgelben an bis zu der purpurnen und der mit tiefem violettlichem Schwarzrot gesättigten, die Farben hergegeben, um die Flächen, die Vorsprünge und Schluchten des Gebirges gedankenschnell mit zauberhaften Tinten zu übergießen.

      Dem alten Manne schwoll die Brust bei diesen. Anblick, und indem er tief aufatmete, legte er die zarte Hand auf den Riesenarm des Persers und sagte: »Euer Meister Masdak lehrt, es sei Gottes Wille, daß der eine nicht mehr und nicht weniger sein eigen nenne als der andere und daß es weder Arme noch Reiche gebe auf Erden; denn jeder Besitz gehöre allen gemeinsam. Nun schau einmal mit mir hieher! Wer dies nicht gesehen, hat gar nichts gesehen; es gibt nichts Schöneres hienieden, und wem gehört es? Dem armen, einfältigen Salech dort, den wir aus Gnade halb nackt den Kamelen nachtraben lassen, ist sie so gut zu eigen wie Dir und mir und dem Chalifen. Seinen großen Werken gegenüber hat Gott uns alle so gestellt, wie es euer Meister begehrt. Wie viel Schönes ist doch im allgemeinen Besitz unseres Geschlechts! Seien wir dankbar dafür, Rustem; denn wahrlich, es ist nicht wenig. — Das Eigentum, welches der Mensch erwirbt oder verliert, damit ist es freilich etwas ganz anderes. Auf der gleichen Rennbahn stehen wir alle, und was ihr begehrt, das fordert nur, dem Schnelleren Blei an die Füße hängen, damit keiner dem andern zuvorkommt, das würde... Aber weiden wir jetzt lieber die Augen an der wundervollen Schönheit da drüben! Sieh nur, was vorhin wie diese purpurfarbene Glockenblume erschien, das wird jetzt zum Rubin, was wie Veilchen schimmerte, zum dunklen Amethyst. Der goldene Rand dort an den Wolken, der faßt die Juwelen zusammen, und das alles ist mein, ist Dein, ist unser, so lange sich Auge und Herz daran ergötzt und erhebt.«

      Da lachte der Masdakit mit einem quellfrischen, wohltönenden Lachen laut auf und rief: »Ja, Meister, wer Deine Augen hätte! Es sieht freilich bunt genug aus dort am Himmel und an den Bergen, und so rote Farben hat’s daheim selten; doch was nützt uns der Zauber? Du siehst Rubinen und Amethyste da oben, aber ich? — Die Juwelen in Deinem Teppich, die bedeuten was anderes als das lustige Gefunkel! Nichts für ungut, Meister, aber für den Ballen dort gäb’ ich alle Sonnenuntergänge auf Erden, und es sollt’ mich nicht reuen!« Dabei lachte er wieder hell auf und fuhr fort: »Doch Du, Väterchen, Du würdest Dich hüten, den Handel zu schließen! — Was uns Masdakiten betrifft, so ist die Zeit für uns noch nicht gekommen!«

      »Und wenn sie da wäre, und Du bekämst den Teppich?«

      »Dann verkaufte ich ihn und legte den Erlös zu meinem Ersparten und ginge nach Hause und kaufte mir Land, und nähm’ mir ein hübsches Weib und züchtete Kamele und Rosse.«

      »Aber übermorgen kämen die Armen, die nichts zurückgelegt und kein gutes Geschäft mit dem Abendrote gemacht haben, und jeder verlangte ein Stück Deines Landes, ein Kamel und ein Fohlen, Du bekämest nie wieder einen herrlichen Sonnenuntergang zu sehen, und Dein hübsches Weibchen würde mit Dir in die Welt ziehen, um Dir zu helfen, mit anderen zu teilen. Lassen wir’s nur beim alten, mein Rustem, und der Höchste bewahre Dir Dein braves Herz, Du närrischer Querkopf.«

      Da beugte sich der Riese auf den Arm seines Herrn, und während er ihn dankbar küßte, kehrte der Fremdenführer mit langem Gesichte zurück; denn er hatte zu viel versprochen. Der Mukaukas Georg war — ein ganz unerhörtes Ereignis — gerade als er um Gehör für den Araber bitten wollte, in die Gondel getragen worden, um mit seinem Sohne und den Frauen des Hauses eine Wasserfahrt zu unternehmen. — Die Heimkehr Orions, hatte der Hausmeister gesagt, habe den alten Herrn wie verjüngt. Haschim müsse nun bis morgen warten, und er, der Führer, rate ihm, in der Stadt, in der Herberge des Sostratus, wo es an nichts fehle, zu übernachten.

      Aber der Kaufherr zog es vor, hier zu bleiben. Der Aufschub bekümmerte ihn wenig, zumal er ohnehin einen ägyptischen Arzt wegen eines alten Leidens um Rat fragen wollte, und einen tüchtigeren und gelehrteren als den berühmten Philippus, versicherte der Hermeneut, könne er im ganzen Lande nicht finden. Hier draußen sei es ja schön, und von den Bänken am Ufer aus lasse sich der Komet beobachten, der sich seit einigen Tagen zeige und gewiß schlimme Zeiten verkünde. Die ganze Stadt sei wie gelähmt von Besorgnis; das zeige sich recht deutlich hier in der Wirtschaft des Nesptah; denn sonst füllten sich, wenn die abendliche Kühlung eintrete, die Tische und Bänke unter den Palmen mit Wasserfahrern und Spaziergängern, aber jetzt, wer getraue sich in diesen Angsttagen an Vergnügen zu denken?

      Damit bestieg er wiederum den Esel, um den Arzt zu rufen, der alte Haschim aber begab sich am Arm des Masdakiten zu den Bänken unter den Palmen und schaute von dort aus gedankenvoll zum Sternenhimmel empor, während sein junger Gefährte von der Heimat träumte und sich dort auch ohne den kostbaren Teppich und nur für sein Erspartes Weideland kaufen, ein Haus bauen und ein hübsches Weibchen darin walten sah. Ob es blond oder braun ausfallen würde? Blond wär’ ihm lieber gewesen.

      Aber hier brach sein Lustschloß zusammen; denn es näherte sich etwas auf dem Nil, das seine Aufmerksamkeit anzog und ihn veranlaßte, auch seinen Herrn darauf hinzuweisen.

      Vor ihnen lag der Strom wie ein breites Band von schwarzem Silberbrokat. Der zunehmende Mond spiegelte sich in seiner kaum merklich bewegten Fläche, und wo sein Wasser sich kräuselte, verbrämte er die niedrigen Wellenhäupter mit hellflimmerndem Glanze. Fledermäuse schwangen sich durch die Nachtluft von der Totenstadt her auf den Nil zu und wiegten sich über ihn hin wie vom Winde bewegte leichte Schatten. Nur wenige dreieckige Segel schwebten wie helle Riesenvögel über dem dunklen Wasser, aber von Norden, von der Stadt her, näherte sich auf dem Strome ein großer Körper mit glanzvoll und weithin schimmernden Lichtaugen den Palmen.

      »Ein stattliches Boot, gewiß das des Mukaukas Georg!« sagte der Kaufherr, und langsam trieb es von der Mitte des Flusses her gerade auf den Hain zu.

      Inzwischen hatte sich auch auf der Landstraße hinter der Herberge Pferdegetrappel vernehmen lassen. Haschim schaute sich um und sah Fackelträger, welche vor einem Wagen herliefen.

      »Bis hieher,« sagte der Alte, »wird der Kranke fahren und dann, um die Nachtluft auf dem Wasser zu vermeiden, sich im Wagen nach Hause begeben. Seltsam, da begegne ich heut’ zum zweitenmale seinem viel besprochenen Sohne.«

      Bald kam die Lustfahrtgondel des Statthalters den Palmen näher. Es war ein großes, schönes Fahrzeug von Cedernholz mit reich vergoldetem Zierat und dem Bilde des Johannes, des Schutzheiligen der Familie, an der Spitze. Der Strahlenkranz, welcher das Haupt dieser Figur umgab, war mit Lampen besetzt, und große Laternen erhoben sich neben ihr und am Hinterteile des Bootes. Dort ruhte unter einem Baldachin der Mukaukas Georg und neben ihm seine Gattin Neforis. Ihnen gegenüber saß ihr Sohn und eine Jungfrau von hohem Wuchse, zu deren Füßen ein Kind von zehn Jahren kauerte und das liebliche Köpfchen an sie geschmiegt hielt. Eine ältere Griechin, die Erzieherin der Kleinen, saß neben einem sehr großen Manne, dem Arzte Philippus, auf einem Polster, das der Baldachin nicht mehr beschirmte. Heller Lautenklang begleitete das Boot, und derjenige, welcher die Saiten kunstfertig schlug, war der jüngst heimgekehrte Orion.

      Dies alles bot einen gar erfreulichen Anblick: das schönste Bild einer vornehmen, in Liebe vereinten Familie. Aber wer war die Jungfrau an der Seite des jungen Orion? Diesmal wandte er ihr die ganze Aufmerksamkeit zu, und wenn er tiefer in die Saiten griff, suchte er ihre Augen, und es hatte dann zuweilen das Ansehen, als spiele er für sie allein, und solche

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