Am Stillen Ozean. Karl May

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Am Stillen Ozean - Karl May

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einer einsamen Stelle, wo sich ein wildes Pisanggestrüpp bis hart an das Wasser erstreckte. Hier legten wir die Segelstange um und zogen das Boot mit allerdings nicht geringer Anstrengung unter ein Blätterversteck. Dann drang Potomba durch das Gestrüpp vorwärts, und ich folgte ihm.

      Wir erreichten eine Brotfruchtpflanzung, die uns gute Deckung gewährte, und bald gelangten wir zu einer Anhöhe, von welcher aus wir das ganz nahe gelegene Tamai überblicken konnten. Wir bemerkten sogleich, daß sich der Ort in außerordentlicher Bewegung befand. Am Strande des Meeres lagen die Boote der vor uns angekommenen Flottille; vor einem durch seine Größe sich auszeichnenden Hause, bis an dessen hintere Wand sich ein Bambusfeld zog, bewegte sich eine große Menge Menschen, und nicht weit von uns, grad unter der Berglehne, an welcher wir lagen, stand ein mit Palmenblättern und Blumen geschmückter Altar, dessen Hintergrund zwei Götzenbilder, jedenfalls den Atua und den Oro bedeutend, einnahmen und an welchem vermutlich die Ceremonie vor sich gehen sollte.

      »Was wirst du thun, Potomba?« fragte ich den Ehri.

      »Ich werde warten, bis sie am Altare stehen, und mir dann Pareyma holen.«

      »Das wird dir nicht gelingen.«

      »So hole ich sie vom Boote, wenn Matemba mit ihr nach Hause fährt.«

      »Wann wird dies geschehen?«

      »Heut grad um Mitternacht; so gebietet es die Lehre der Götzendiener.«

      »Wem gehört das große Haus da drüben?«

      »Es ist das Eigentum des Priesters.«

      »Welche Gemächer bewohnen die Frauen?«

      »Pareyma war stets hinten nach der See zu.«

      »Hat sie noch die Mutter oder Schwestern?«

      »Nein. Ihre Mutter ist längst tot; sie ist das einzige Kind des Priesters.«

      »Man wird sie zur Hochzeit schmücken?«

      »Ja, und dann läßt man die Braut allein, damit sie mit den Göttern sprechen soll.«

      »Der Priester weiß, daß du heut zurückgekehrt bist!«

      »Wer sagte es dir?«

      »Niemand. Siehst du nicht den Mann, welcher zwischen dem Hause und dem Bambus auf und ab geht? Er hat eine Keule in der Hand und soll dein Weib bewachen. Das ist ein Zeichen, daß sie gezwungen worden ist und nicht freiwillig nach Eimeo ging.«

      »Ich wußte es! Der Ehri von Tahiti fürchtet die Leute von Eimeo nicht; er wird sein Weib öffentlich zurückverlangen!«

      Ich kannte die hiesigen Verhältnisse nicht und hielt es also für das beste, ihn seinen eigenen Entschlüssen folgen zu lassen, doch nahm ich mir vor, ein wenig zu rekognoszieren. Der Prairiejäger regte sich in mir; ich legte meine Gewehre neben Potomba hin, benachrichtigte ihn von meinem Vorhaben und schlich mich an der Seite des Berges hinab bis an das Bambusfeld. Hunde oder andere Vierfüßler hatten schmale Bahnen durch dasselbe getreten. An der Erde fortkriechend, bewegte ich mich auf einem solchen Pfad vorwärts und gelangte so ganz unbemerkt in die nächste Nähe des Hauses. Da ertönte eine halblaute, liebliche Frauenstimme:

      »Te uwa to te malema,

      Te uwa to hinarro«[11].

      Es war jene rührende Liebesklage, welche ich früher von den Frauen und Mädchen der PelewInseln hatte singen hören, und es ahnte mir, daß die Sängerin keine andere sei, als Pareyma. Sofort regte sich das Verlangen in mir, mit ihr zu sprechen. Dieses Wagnis konnte zwar unangenehm für mich ausfallen, aber ich hatte mein Messer und die Revolver bei mir, und für den braven Ehri konnte man sich schon einer kleinen Gefahr aussetzen.

      Ich schob mich also vollends bis an den Rand des Feldes. Der Posten kam herbei und ging, ohne mich zu bemerken, obgleich es am hellen Tage war, an mir vorüber. Im Nu stand ich hinter ihm und schlug ihm die Faust so auf den unbedeckten Schädel, daß er besinnungslos zur Erde sank. Jetzt trat ich an die Bambuswand des Hauses, hinter welcher die Stimme erscholl. Ich mußte einige Minuten lang suchen, ehe ich eine kleine defekte Stelle bemerkte, durch welche ich in das Gemach blicken konnte.

      Wenn das junge Weib, welches ich erblickte, wirklich Pareyma war, so konnte ich die Liebe begreifen, welche Potomba für sie hegte. Sie stand jetzt nach beendetem Gesange mitten in dem Raume, und ein unaufhaltsamer Thränenstrom floß ihr über die Wangen. Sie war eine schlanke, edle Gestalt, noch voll Jugendfrische, wie man trotz des Herzeleides sah, welches ihren Körper erbeben machte. Ihre schönen, dunklen Augen waren umflort, ihre scharf geschnittenen Brauen fest zusammengezogen und ihre feinen Lippen geschlossen. Nicht eine einzige Blume oder irgend ein Tand war in ihren Haaren oder an ihrer Gestalt zu bemerken; ja, sie schien sogar die Kleidung und die Stoffe verschmäht zu haben, welche man den Europäern ablauscht und abtauscht, um die äußere Erscheinung vermeintlich zu verschönern. Ein Parau von weicher, gelbbrauner Tapa, der ihr nur wenig über die Kniee herabreichte, umschloß ihre Hüften, und ein Tehei von demselben Stoffe verhüllte als Ueberwurf ihre Schultern samt dem Oberkörper. Ihr rabenschwarzes Haar hing ihr voll, lang und lockig am Nacken hernieder, mit keiner Blüte besteckt und von keiner wehenden Faser Arrowroot gehalten. Sie war ja selbst eine Blume, welche man hinweggerissen hatte von dem Orte, an welchem sie am schönsten hatte blühen dürfen.

      Ich bemerkte, daß sie den Eingang durch einen Baststreifen fest verschlossen hatte, trat zwei Schritte von der Wand zurück und rief halblaut:

      »Pareyma!«

      Das Schluchzen verstummte; sie hatte mich gehört.

      »Mata ori, erschrick nicht; Potomba ist in der Nähe!«

      Ein halb unterdrückter Jubellaut ertönte von innen.

      »Wer bist du?« hörte ich dann fragen.

      »Ein Freund des Ehri. Willst du Matembas Weib werden?«

      »Nein. Ich habe meinen Dolch und werde mich töten, wenn ich keine Rettung finde.«

      »So bist du Potomba treu geblieben?«

      »Ja. Der Vater kam und zwang mich, mit ihm zu gehen.« »Wer hat die Mutter des Ehri erstochen?« »Der Vater; sie wehrte sich gegen ihn.« »Liebst du ihn?« »Nein. Ich habe ihn geliebt; jetzt liebe ich ihn nicht mehr!« »Du wirst gerettet werden. Thue alles, was dein Vater von dir verlangt. Wenn es uns nicht eher gelingt, so retten wir dich auf der Heimfahrt nach Tahiti.«

      Da erscholl auf der andern Seite des Hauses ein Tamtam; ich trat zu dem Bewußtlosen und legte einen Stein neben seinen Kopf. Steine von ähnlicher Größe lagen auf dem Dache, um dasselbe vor dem Wind zu schützen; es konnte einer derselben herabgerollt sein und den Wächter getroffen haben. Dann kehrte ich auf dem angegebenen Wege wieder zu Potomba zurück.

      Er hatte von der Anhöhe aus jede meiner Bewegungen beobachten können und erwartete mich mit sichtlichem Verlangen. Ich erstattete ihm ausführlichen Bericht und wurde beinahe selbst hingerissen von dem Entzücken, welches derselbe in ihm hervorrief.

      Jetzt mischten sich in den Klang der Trommel die Töne zahlreicher Flöten; jedenfalls sollte die Ceremonie beginnen. Pareyma wurde aus dem Hause gebracht, und hinter ihr setzte sich ein langer Zug in Bewegung.

      »Siehst du Matemba an ihrer Seite, Sahib?« fragte Potomba.

      »Ich sehe ihn.«

      »Er war mit unter

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<p>11</p>

»Das Wölkchen in dem Monde, Das Wölkchen liebe ich«.