Am Stillen Ozean. Karl May
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»Sie kommen,« bemerkte Potomba kaltblütig, »und jetzt wird Pareyma wieder mein!«
Er warf die rot und weiß gestreifte Tebuta von den Schultern und griff mit der Rechten nach dem Kris, während er mit der Linken wieder einen Fisch auswarf.
»Diene mir nur zwei Minuten, Sahib, so will ich dir gehorchen, so lange als du willst!«
Ich griff zum Ruder.
Er that dasselbe, und auf seine Anweisung hin beschrieben wir den Kommenden entgegen einen Bogen, lenkten dann auf sie zu und schossen zuletzt, nun mit ihnen parallel, auf das erste Boot der Flotte zu. In demselben saßen drei Personen, die ich deutlich erkennen konnte: Matemba, Anoui und Pareyma. Mit gewaltigem Ruderdrucke an der rechten Seite des Zuges hinstreichend, erreichten wir das Boot, so daß unser linker Bord hart mit dem Ausleger zusammentraf. Die Haie waren uns bis hierher gefolgt. Ich saß an den Rudern, und Potomba stand jetzt wieder aufrecht im Boote, den Kris in der Faust.
»Pareyma, herüber!« rief er.
Die Gerufene erhob sich und schnellte über den Ausleger zu uns in das Boot. Der Ehri empfing sie mit dem linken Arme und ließ sie niedergleiten, dann bog er sich über Bord und zerschnitt mit zwei raschen Zügen die Baststricke, welche den Ausleger des Hochzeitsbootes mit den Querstangen verbanden.
Ein fürchterlicher Doppelschrei erschallte; das Boot kenterte; Matemba und der Priester stürzten in das Wasser und wurden augenblicklich von den Haien verschlungen.
Pareyma schlug die Hände vor das Gesicht, Potomba aber ergriff das andere Ruderpaar und legte sich ein. Wir flogen wie vom Bogen geschnellt davon, während die Flottille einen wirren Knäuel bildete, aus welchem sich nur ein einziges Boot löste, um uns zu folgen. Ich griff zur Büchse und sagte:
»Ich werde dem Manne eine Kugel geben!«
»Halt, Sahib! Es ist kein Feind, der uns folgt, sondern ein Freund. So rudert nur Ombi, der Diener meines Weibes; ihm und Potomba, dem Ehri, kommt keiner gleich. Laß ihn herbei; er wird mit uns gehen!«
Hinter uns heulten jetzt die wütenden Insassen der Flottille und versuchten, uns einzuholen. Es gelang ihnen nicht; in fünf Minuten hatten wir den »Wind« erreicht, welcher sein Fallreep herniederließ, um uns aufzunehmen.
Jetzt erst nahm Pareyma die Hände von dem Angesichte.
»Potomba, du hast den Vater getötet!« stöhnte sie.
Ombi, der alte Graukopf, sprang aus seinem Boote in das unserige herüber.
»Sage deinem Herzen, daß es ruhig sei, Pareyma,« bat er. »Dein Leid sei mein Leid, und dein Glück auch mein Glück. Die Götzen sind heute gefallen, und nun wird bei uns sein der gute Bapa des Himmels mit seinem Sohne, der auf die Erde kam, um alles Unglück in Freude zu verkehren!«
Wir stiegen empor.
»Schnell, Charley!« rief der Kapitän. »Dort kommen die Kerls mit ihren Fackelbooten, um euch zu suchen. Herauf, herauf! Löscht die Lichter aus, Jungens!« gebot er seinen Leuten, »und holt rasch die beiden Boote an das Deck, daß dort die Schlingels nichts merken. Sie müssen denken, daß auf unserm guten »Winde« alles im Schlafe liegt. So, so, die Taue nieder! Zieht, Jungens, zieht! Stopp! Herein mit den Nußschalen! Prächtig, so ist’s gut! Nun nehmt die Handspeichen, und wenn es jemand wagen sollte, die Nase heraufzustecken, dem gebt einen tüchtigen Klapps!«
Eine solche Maßregel war nicht notwendig. Die Verfolger schienen anzunehmen, daß wir auf das Land zugehalten hätten, und ruderten der Küste entgegen, wo noch lange Zeit der Schein der Fackeln zu bemerken war.
Potai empfing seinen Bruder und die Schwägerin mit Jubel. Dem Kapitän mußte, als wir in der Kajüte versammelt waren, natürlich alles ausführlich erzählt werden. Als ich damit zu Ende war, reichte mir Pareyma ihr zartes, braunes Händchen entgegen.
»Ich danke dir, Sahib! Du hast mich vom Tode errettet, denn ich wäre an meinem Messer gestorben, ehe ich mit Matemba das Haus verlassen hätte.«
Am Morgen stachen wir in See. Fünf Tage später befand sich Kapitän Roberts mit seinen Marsgasten und allem geretteten Gute bei uns an Bord; dann segelte der »Wind« nach Nord bei West, um den SamoaArchipel zu erreichen.
Dort, auf der Insel Upolu, und zwar in Saluafata, wohnt noch heut ein reicher, polynesischer Handelsmann, der sich Potomba nennt.
Zuweilen, wenn die Sonne ihr glühendes Gewand in den Fluten badet, um zur Ruhe zu gehen, rudert der Greis Ombi ein Ausleger-Kanoe hinaus auf die Höhe. Darin sitzt Potomba mit Pareyma, und wenn Ombi lauschen möchte, so würde er hören, wie der dunkelfarbige Mann seinem Weibe zuflüstert: »Mata ori, du Auge des Tages, du Licht meines Lebens!«
Vielleicht daß in solchen einsamen Stunden das schöne Paar auch der Vergangenheit gedenkt, des Glückes und der darauf folgenden Trübsal auf Tahiti, des Hochzeitstages auf Eimeo, der Fahrt nach den Pomotu und SamoaInseln, des alten, braven Master Frick Turnerstick und vielleicht auch des Germani mit den großen Seemannsstiefeln, dem heute, wo er dieses niederschreibt, noch die klagenden Worte im Ohre nachtönen:
»Te uwa to te malema,
Te uwa to hinarro«
Der Kiang-Lu
Im »Kuang-ti-miao«
China!
Wunderbarstes Land des Ostens, riesiger Erdendrache, der seinen Zackenschwanz im tiefen Weltmeer badet, den einen Flügel in die Eisregionen Sibiriens und den andern in die dampfenden Dschungeln Indiens schlägt, und der, vom rasenden Teifun an das Gestade getrieben, über rauschende Flüsse, weite Seen, über Berge und Thäler auf nach Westen steigt, um seinen Kopf über die höchsten Giganten der Gebirge zu heben, die schreckliche Wjuga[13] der Gobi zu atmen und aus den Wassern des Manasarowar[14] zu trinken, werde ich es wagen dürfen, dir zu nahen, und werde ich deinen feindseligen Basiliskenblick mit meinem Barbarenauge ertragen können?
Größtes Volk der Erde, welches die »Tschung-hoa«[15] sein eigen nennt, darf ich nichtiges Würmchen auf einem Blatte dieser Blume ruhen, um die – Seligkeiten ihres Duftes zu erforschen? Heiliger und allmächtiger »Tien-dse«[16], zu dessen Füßen mehr als vierhundert Millionen Menschen anbetend im Staube liegen, gestattest du mir, meinen schmutzigen Fuß auf die Ecke deines Teppichs zu setzen? Ich bin nicht aus dem Lande der Franka und Ingli, welche mit Schwert und Pulver zu dir kommen, um deinen Kindern das Gift des Opiums aufzuzwingen, deine Städte zu verheeren und deinen Pings[17] zu sagen, daß sie Memmen sind. Ich stamme vielmehr aus dem Lande der Tao-dse[18], die deine Herrlichkeit bewundern, deine Größe preisen und nichts anderes wünschen, als daß der Glanz deiner Weisheit strahle in Frieden auch über ihrem Haupte! – — —
Nachdem wir Potomba, den Ehri von Tahiti, seine liebliche Pareyrna, seinen Bruder Potai und den Diener Ombi auf der Samoa-Insel Opolu abgesetzt und den Kapitän Roberts vom »Poseidon« mit seinen Marsgasten da gelandet hatten, waren wir einige Tage da vor Anker geblieben und dann über die Ellice – , Tarawa – , Radack – und Ralick-Gruppe nach den Marianen gegangen, von wo aus wir nach den Bonininsein segelten.
Kennt der freundliche
13
Der Schneesturm der Schamo.
14
Der höchste bekannte See der Erde, 16 000 Fuß über dem Meere.
15
»Blume der Mitte«, wie die Chinesen ihr Reich nennen.
16
Deutsch: »Sohn des Himmels«; so nennt sich der Kaiser von China.
17
Soldaten. Sie tragen auf der Brust und Rücken ein Stück Leinwand welches diese Inschrift zeigt.
18
Deutsch: »Söhne der Vernunft«, wie wir Deutschen gern von den Chinesen bezeichnet werden.