Am Stillen Ozean. Karl May
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»Ahoi ih! Was wo Huzza! Wer ist denn das? Legt an, legt an das Tau!«
Er kletterte zum Decke mit einer Geschwindigkeit nieder, welche mich überzeugte, daß er mich erkannt hatte. Wir befestigten das Boot an das Tau, welches an der Seite des Schiffes niederhing. Ich ergriff dasselbe und schwang mich empor. Kaum hatte ich mich über die Regeling (***** Schiffsgeländer, auch Reiling genannt.) geschwungen, so warf der Kapitän seine beiden Arme um mich und drückte mich mit einer Gewalt an seine teerduftende Jacke, daß mir der Atem schwinden wollte.
»Charley, old friend, Ihr hier zwischen diesen Inselklexen? Wie kommt Ihr nach Australien? Wie kommt Ihr nach Tahiti und Papetee? Ich denke, Ihr seid noch immer drüben in Amerika!«
»Zu Schiffe, zu Schiffe komme ich her,« lachte ich; »anders ist es ja nicht gut möglich, mein lieber Master Turnerstick. Aber bitte, nehmt doch einmal Eure Pranken von meinem Leibe, wenn Ihr es nicht geradezu darauf abgesehen habt, mir die Seele aus der Haut zu drücken!«
»Well, ganz wie Ihr wollt, Charley! Der Passat würde sie mit fortnehmen und nach China oder Japan treiben, wo man gar nicht wüßte, was man mit ihr machen sollte. Behaltet sie also lieber und sagt mir nun endlich, was Ihr eigentlich in diesen Breiten wollt!«
»Land und Leute kennen lernen, wie gewöhnlich!«
»Wie gewöhnlich? Hm,, mir scheint das doch mehr ungewöhnlich. Da dampft, fährt, reitet, läuft, hetzt und springt dieser Mensch in der Welt herum, weil er Land und Leute kennen lernen will! Land und Leute! Eine freie, offene See ist mir lieber als alles Land, was Ihr zu sehen bekommt, und die Leute, na, meine Jungens hier sind mehr wert als alle die Schlingels, die Ihr »Leute« zu nennen beliebt. Bleibt bei mir an Bord und fahrt mit meinem guten »Wind« hinüber nach Hongkong und Canton!«
»Nach Hongkong geht Ihr? Das ist prächtig! Ich gehe mit!«
»Wirklich? Hier meine Hand; schlagt ein!«
»Topp! Doch mache ich eine Bedingung!«
»Oho! Bei mir an Bord giebt es keine Bedingungen, das wißt Ihr wohl!«
»So steige ich wieder in mein Boot, Kapt’n.«
»Das wäre der albernste Streich, den Ihr in Eurem Leben begangen hättet, und vor dem ich Euch bewahren muß. Sagt also Eure Bedingung! Ich hoffe, daß ich sie erfüllen kann.«
»Ihr müßt meine Kameraden mitnehmen.«
»Welche Kameraden?«
»Den Kapitän Roberts vom »Poseideon« mit seinen Mannen.«
»Roberts? Poseidon? Ist das Schiff und der Mann nicht von NewYork?«
»Ja. Wir wollten von Valparaiso nach Hongkong, litten aber auf einer der »gefährlichen Inseln« Schiffbruch. Roberts hat mich nach Tahiti geschickt, um einen Kapitän zu suchen, welcher bereit ist, uns an Bord zu nehmen.«
»Das wird jeder brave Kapitän thun, Charley, und ich freue Mich, daß Ihr zuerst zu mir gekommen seid! Ich kenne diesen Roberts; er ist ein ganz passabler Mann, doch scheint er mir in diesen schwierigen Gewässern nicht sehr befahren zu sein. Ein Sturm hier hat schon etwas mehr zu bedeuten als anderswo, aber wenn er das Steuer mit einem guten Troß[4] fest angesorrt hätte, so wäre es ihm möglich gewesen, etwas weiter nach Nord über die NukahiwaInseln zu halten, und von einem Schiffbruche wäre keine Rede gewesen. Wo seid Ihr denn gestrandet?«
»Die Insel ist uns unbekannt. Sie liegt auf dem zweihundertneununddreißigsten Grad im Osten von Ferro und auf dem zweiundzwanzigsten Grade südlicher Breite.«
»Schön; wird wohl zu finden sein! Ist das Schiff sehr wrack?«
»Es ist nicht von den Klippen zu bringen. Wenn Ihr hinkommt, hat die Brandung es vielleicht bereits verschlungen.«
»Hattet Ihr viele Seegasten[5]?«
»Ich war der einzige.«
»Wie viele Marsgasten[6] sind gerettet?«
»Alle.«
»Hm, dann wird es notwendig sein, mehr Proviant einzunehmen. Wurde etwas von der Ladung geborgen?«
»Der größte Teil. Es sind meist wollene und baumwollene Zeuge und ein ziemliches Lager von Stahl und Eisenwaren.«
»Dann ist es ein Glück, daß ich hier löschte, ohne bis jetzt etwas Neues einzunehmen. Kapitän Roberts wird es natürlich sehr eilig haben, aber vor der Morgenebbe können wir unmöglich fort. Wer ist der Bursche hier?«
Er deutete auf Potomba, welcher mir bis an Deck gefolgt war und aus der Entfernung unsere Unterredung beobachtete.
»Ein Ehri von Tahiti. Er wohnt in Papetee und heißt Potomba.«
»Alle Wetter, ein Fürst! Wie kommt Ihr zu dem Manne?«
»Er kam, verfolgt von einer ganzen feindlichen Flottille nach unserer Insel und gab mir einen Platz in seinem Boote.«
»Also ein förmliches Abenteuer! Wer waren seine Feinde?«
»Ihr Anführer ist ein heidnischer Priester auf Eimeo; Potomba heiratete dessen Tochter und ließ sich von einem katholischen Missionär taufen.«
»Ah! Ihr habt doch die Schlingel tüchtig heimgeleuchtet? Das versteht Ihr ja aus dem Fundamente, Charley!«
»Sie sind uns alle entkommen. Mein Feldzugsplan scheiterte an dem Ungeschick des Steuermanns. Also Ihr seid bereit, uns Eueren »Wind« zur Verfügung zu stellen?«
»Natürlich! Morgen früh mit der Ebbe stechen wir in See. Jetzt aber kommt zur Kajüte; wir müssen doch einmal sehen, wie sich meine Flaschen unter der Linie gehalten haben!«
»Einen Trunk zum Willkommen darf ich Euch natürlich nicht abschlagen, aber feststauen kann ich mich noch nicht. Ich habe Potomba versprochen, mit ihm an das Land zu gehen, und er wird ungeduldig sein, sein Weib und seinen Bruder wieder zu sehen.«
»Dann trinkt er mit, und Ihr erlaubt mir, Euch zu begleiten. Ich habe am Lande Geschäfte.«
Potomba mußte mit zur Kajüte, wo uns der gute Master Frick Turnerstick mit seiner besten Sorte regalierte. Dann stiegen wir zu dreien in ein Boot der Barke, welches das Kanoe des Ehri in das Schlepptau nahm, und ruderten an das Land.
Je näher wir demselben kamen, desto aufmerksamer wurden die Züge Potombas. Er schien etwas zu bemerken, was seine Achtsamkeit im höchsten Grade in Anspruch nahm. Er sah meinen fragenden Blick und streckte den Arm aus.
»Siehst du die Kähne dort, Sahib?«
Grad vor uns lag eine große Anzahl geschmückter Boote, eines neben dem andern, an dem Ufer. Das mittelste von ihnen zeichnete sich durch buntes Wimpelwerk und allerlei Blumen und Blätterzierde vor den übrigen aus.
»Ja,« antwortete ich. »Was ist mit ihnen?«
»Siehst du auch das Boot mit den Fahnen und Guirlanden?«
»Allerdings. Warum fragst du?«
»Zu beiden Seiten seiner scharfen
4
Ein dickes Tau.
5
Passagiere.
6
Matrosen.