Im Lande des Mahdi I. Karl May

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Im Lande des Mahdi I - Karl May

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einmal bedürfen?«

      »Nein. Ich speise jetzt einige Datteln, rauche noch zwei Pfeifen und lege mich dann zur Ruhe.«

      »So will ich gehen, um dich nicht zu stören. Deine Nacht sei glücklich!«

      Er machte mir eine Verbeugung, wenn auch keinen so halsbrecherischen Katzenbuckel wie der lange Haushofmeister meines dicken Türken, und entfernte sich, wobei er die Strohmatte herabließ, um meine Koje gegen das Deck hin zu verschließen. Kaum hatte er das gethan, so blies ich die Thonlampe aus, um den Raum zu verdunkeln, damit ich nicht gesehen werden könne, hob die Matte ein wenig empor und blickte ihm nach. Ich ahnte nämlich, daß er die anderen Biedermänner sofort von dem, was ich gesagt hatte, benachrichtigen werde.

      Es brannte auf dem ganzen Deck kein Licht. Das Heer der Sterne war noch nicht erschienen; nur einzelne Vorboten desselben standen am Himmel und vermochten nicht, das gegenwärtige Dunkel zu lichten. Meine geübten Augen waren wohl schärfer als diejenigen der Araber. Ich sah den Diener nach der Mitte des Schiffes gehen, kroch unter der Matte hinaus und folgte ihm nach. Zwar konnte ich nicht so weit sehen, aber ich hatte bemerkt, daß dort mehrere große, in Bastmatten gehüllte Tabaksballen standen, welche wohl nach dem Süden bestimmt waren. Dorthin kroch ich auf den Händen und Knieen so rasch wie möglich. Meine Voraussetzung bewährte sich, denn als ich in die Nähe kam, hörte ich sprechen. Rechts an die Ballen gelehnt, saß ein Mann; ein anderer stand neben ihm. Ich schob mich also nach links hinüber und legte mich lang und eng an die andere Seite der Tabakskolli. Dabei hörte ich, daß der eine zu dem andern sagte:

      »Warte noch! Man soll eine Sache nicht zweimal erwähnen, wenn man sie nur einmal zu sagen braucht. Der Reïs wird gleich zurückkommen.

      »Wo ist er?«

      »Am Ufer, um dort die Laterne zu befestigen, damit der Muza‘bir [Gaukler]sich zurechtfinden kann, wenn er kommt.«

      Diese beiden Männer waren der Steuermann und mein Kajütendiener. Also es wurde am Lande eine Laterne als Zeichen angesteckt, und zwar für einen Gaukler. Wozu dieser Kerl? War er aus Giseh oder aus Kairo? Kam er meinetwegen oder um die Fahrt mitzumachen und das Schiffsvolk zu belustigen? Solchen Leuten pflegt man als Bezahlung ihrer Kunststücke das Passagiergeld zu schenken.

      Da ich am Boden lag und der Rand des Deckes beinahe Brusthöhe hatte, konnte ich das Ufer und also auch die Laterne nicht sehen; dafür aber meinte der Diener, welcher aufrecht stand:

      »Jetzt brennt sie. Er hat eine Stange in die Erde gesteckt und sie daran befestigt. Nun wird er zurückkehren.«

      Ich lag nach der Fluß- und der Reïs mußte von der Landseite das Schiff betreten; darum durfte ich hoffen, von ihm nicht bemerkt zu werden. Ich befand mich ungefähr in der Lage eines Indianer beschleichenden Prairiejägers. Nun, darin hatte ich leidliche Übung, und so war ich überzeugt, irgend etwas Wichtiges zu erfahren.

      Jetzt kam der Reïs an Bord und quer über das Deck gegangen. Er wurde mit einem »Pst!« herbeigerufen, sah die beiden und fragte, indem er bei ihnen stehen blieb:

      »Nun, was thut dieser Giaur, den Allah ewig brennen lassen wird?«

      Das war freilich etwas ganz anderes als die Höflichkeit, mit welcher er mich bei meiner Ankunft empfangen hatte!

      »Er sitzt in seiner Kammer und raucht,« antwortete der Geist Nummer Drei.

      »Wird er nicht herauskommen?«

      »Nein. Er fühlt sich unwohl, will zwei Pfeifen rauchen und dann schlafen. Außerdem habe ich ihm gesagt, daß er die Augenentzündung bekommen werde, wenn er herausgeht.«

      »Das ist sehr klug von dir gewesen. Möge dieser Hund an seinem Tabake ersticken! Wie kann so ein stinkender Kadaver es wagen, sich an unserm frommen Mokkadem zu vergreifen und ihm seine Sklaven zu stehlen! Die Hand, mit welcher er das gethan hat, soll verdorren und nie wieder gesund werden! Warum hat der Mokkadem, den Allah beschirmen möge, dir den Tod dieses Ungläubigen nicht anbefohlen?«

      »Nur aus dem Grunde, dich nicht in Gefahr zu bringen, denn man weiß, daß er auf deine Dahabijeh gestiegen ist, und würde, wenn er verschwände, dich zur Rechenschaft ziehen.«

      »Das ist wahr. Aber ich könnte sagen, daß er unterwegs ausgestiegen sei, und alle meine Leute würden es, wie ich hoffe, mir bezeugen.«

      »Du hast einige dabei, denen nicht zu trauen ist, weil sie noch nicht lange bei dir sind. Darum habe ich dir geraten, sie jetzt vom Schiffe zu entfernen. Sie brauchen nicht zu wissen, daß der Muza‘bir an Bord kommt.«

      »Es war gar nicht nötig, mir ihn zu schicken. Ich habe seinetwegen hier anlegen müssen, was dem Christen aufgefallen ist. Glücklicherweise scheint er nichts zu ahnen. Ein gläubiger Diener des Propheten hätte sofort bemerkt, daß er sich in Gefahr befinde. Müßten wir nicht auf den Muza‘bir warten, so hätten wir weiter fahren können, und du hättest an seiner Stelle die Papiere stehlen können, um sie dem Mokkadem zu bringen.«

      »Allah, Wallah! Was traust du mir zu! Der Giaur ist ein starker Kerl; ich habe es fühlen müssen. Er hat den Mokkadem, der doch die Kraft eines Löwen besitzt, besiegt, seinen Diener niedergeschlagen und hätte auch bald noch mich ergriffen. Ich werde die Spuren seiner Faust noch einen Monat lang im Gesichte tragen. Daß er mir den Glanz meines Daseins in dieser Weise geschändet hat, dafür mag der Teufel seinen Leib in tausend Stücke zerreißen und seine Seele durch das stärkste Feuer verzehren lassen! Ich fürchte mich nicht, und mein Herz ist voller Kühnheit wie dasjenige des Panthers, aber des Nachts Papiere unbemerkt aus der Tasche eines solchen Totschlägers zu holen, das kann ich nicht, das habe ich nicht geübt; das kann nur der Muza‘bir, welcher tausend Kunststücke kennt und zugleich der berühmteste Taschendieb ist. Darum ist er uns von dem Mokkadem nachgeschickt worden. Er wird kommen, die Papiere nehmen und dann verschwinden. Der Giaur mag, wenn er sie vermißt, thun, was ihm beliebt; auf der Dahabijeh sind sie nicht zu finden.«

      »Weißt du denn, ob er sie auch wirklich bei sich hat?«

      »Er hat sie ganz gewiß!«

      »Du kannst dich irren. Ebenso gut kann Murad Nassyr, der Türke, sie in Aufbewahrung genommen haben.«

      »Nein. Ich bin ganz der Ansicht, welche unser frommer Mokkadem ausgesprochen hat. Der Giaur ist klüger, vorsichtiger und stärker als der Türke und wird ihm also nicht so wichtige Dinge anvertrauen, sondern sie auf alle Fälle selbst behalten. Außerdem sah ich, als ich jetzt bei ihm war, eine Brieftasche in seiner Hand, in welcher sich Briefe und viele andere Papiere befinden. Die drei Unterschriften werden gewiß dabei sein.«

      »Ich hoffe es! Aber es ist keine leichte Sache, sie ihm abzunehmen. Wenn er dabei erwacht, wird es mißlingen.«

      »Der Muza‘bir hat eine leichte Hand und noch weit Schwereres vollbracht. Du kannst dir doch denken, daß der Mokkadem nicht einen ungeschickten Mann senden wird, sondern einen, der den Streich gewiß vollbringt.«

      »Mag sein; aber dennoch wäre es besser gewesen, den Ungläubigen zu töten! Da hätte auch nicht der leiseste Zweifel über das Gelingen vorhanden sein können.«

      »Ein Zweifel ist ja auch jetzt nicht da.Der Mokkadem muß seine Papiere auf alle Fälle haben und hat dem Muza‘bir jedenfalls die genaueste Unterweisung gegeben. Dieser ist natürlich mit einem Messer versehen. Erwacht der Christ nicht, nun gut, so bleibt er einstweilen noch am Leben, damit dir nichts geschehen kann; wacht er dabei auf, so stößt ihm der Muza‘bir das Messer in das Herz.«

      »Einstweilen noch am Leben? Also sterben soll er später doch?«

      »Ja,

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