Old Surehand I. Karl May
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»Kehrt lieber um, Mr. Cutter; jetzt ist‘s noch Zeit! Es scheint Euch schwer zu werden.«
»Unsinn! Seht Ihr denn nicht, daß ich wie ein Fisch vorwärts schieße?«
»Weil ich das Floß schiebe, an dem Ihr hängt!«
»Das sieht bloß so aus! Diese Braces! Ich werde sie herunternehmen; dann geht es besser.«
Indem er sich mit der einen Hand am Floße festhielt, knüpfte er mit der andern die Hosenträger ab und schob sie in die Tasche. Sie schienen ihn doch gedrückt und gehindert zu haben, denn es ging jetzt besser. Freilich hörte ich, daß er schnaufte; er schien sich anzustrengen. Als ich eine Bemerkung darüber machte, versicherte er:
»Das ist nur die eine Lungenseite; die wird manchmal so laut; die andre ist gut.«
Nun schwammen wir wohl fünf Minuten lang, ohne ein Wort zu sagen; dann bemerkte ich, daß er tiefer im Wasser lag als vorher.
»Ihr scheint schwerer zu werden, Sir?« fragte ich.
»Ist das denn ein Wunder? Die Kleidung zieht ja Wasser, und da hinten – — – all devils, was ist das!«
Er hielt das Floß an und langte mit einer Hand hinter sich.
»Was sucht Ihr dort, Sir?«
»Ich suche – — – na! – — – Hört, Mr. Shatterhand, ich muß meine Braces unbedingt wieder anknöpfen.«
»Warum?«
»Weil ich die Leggins verliere; sie schwimmen schon halb hinter mir her. Wollt Ihr mir helfen?«
Ich war ihm behilflich, die schon halb entwichenen Beinkleider zu Raison zu bringen; dann ging es weiter. Aber ich mußte zu meiner großen Besorgnis von Minute zu Minute immer mehr einsehen, daß er doch der Schwimmer nicht war, für den er sich hielt. Ich hatte nicht nur das Floß, sondern auch ihn vorwärts zu treiben.
»Ich denke, wir kehren um, Mr. Cutter,« sagte ich. »Ihr seid wirklich müde, und unser Vorhaben erfordert volle Kraft. Denkt der Gefahr, der wir entgegengehen!«
»Ich denke daran, und ebendeshalb strenge ich mich jetzt nicht an, um später bei guter Force zu sein. Umkehren! Welcher Gedanke! Werde mich blamiren!«
Ja, blamiren wollte ich ihn freilich nicht gern; aber durfte ich es weiter mit ihm riskieren? Es war ja möglich, daß er sich jetzt schonte, um später ganz au fait zu sein; auf weitere, dringende Fragen versicherte er, daß dies wirklich der Fall sei. Uebrigens hatten wir jetzt schon die Hälfte des Weges zurückgelegt; also vorwärts, mochte es nun gehen, wie es wolle! Meine Sorge wurde trotz dieses Entschlusses keineswegs geringer, und schon nach weiteren fünf Minuten erkundigte ich mich:
»Wollt Ihr Euch nicht mit dem Oberkörper auf das Floß legen? Da ruht Ihr aus und habt dann frische Kraft.«
»Das ist richtig. Aber wird es Euch nicht zu schwer?«
»Nein; thut es nur.«
Er folgte meinem Rat und sagte, als ich unser Wasser-Vehikel weiter trieb:
»Mir ist ein Gedanke gekommen, Sir. Die Wächter werden Verdacht schöpfen, auch wenn sie uns nicht sehen.«
»Warum?«
»Weil sie sich fragen werden, woher unser Schilf die Bewegung bekommt. Der See steht ja still.«
»Da irrt Ihr Euch. Er schickt sein Wasser da unten dem Rio Pecos zu, und infolgedessen hat es eine, wenn auch nicht sehr wahrnehmbare Bewegung nach dem Abflusse hin. Ein losgerissenes Schilf wird also langsam da hinunter schwimmen. Das werden sich die Roten wohl auch sagen. In dieser Beziehung habe ich keine Sorge.«
»Aber wohl in andrer?«
»Ja.«
»Weshalb?«
»Wegen Euch.«
»Pshaw! Ich will mich jetzt nicht anstrengen. Wenn es losgeht, werdet Ihr mich ganz bei der Sache finden.«
»Hm! Vom Schwimmen will ich jetzt nichts mehr sagen; dazu komme ich noch, ehe ich den Rückweg antrete. Es handelt sich jetzt vielmehr um das Tauchen. Wenn Euch das nicht gelingt, können wir verloren sein.«
»Redet nicht, Sir! Ich habe ja weiter nichts zu thun, als im richtigen Augenblicke das Floß loszulassen, unterzutauchen und an der andern Inselseite wieder heraufzukommen. Das ist kinderleicht, zumal bei meinem Körperbau. Wer so wenig Fleisch und so viel Knochen hat, dem wird es leicht, im Tauchen Meister zu sein.«
Da hatte er freilich recht, und das Selbstvertrauen, welches er zeigte, beruhigte mich einigermaßen, obgleich ich einsah, daß es besser gewesen wäre, ihn zurückzulassen und das Vorhaben allein auszuführen.
Wir näherten uns der Insel mehr und mehr, und ich lenkte jetzt das Floß von der bisherigen geraden Richtung nach aufwärts, weil wir uns später abwärts treiben lassen mußten. Die Lagerfeuer der Comantschen leuchteten hell, doch nicht zu uns herüber; das auf der Insel war klein; es brannte hinter dem Gebüsch; darum konnten wir die Flamme nicht sehen. Die wenigen sichtbaren Sterne des heutigen Himmels blickten von dem Firmamente herab in die Flut und aus derselben wieder herauf. Ich schwamm so stät und ruhig wie möglich, um keine Wellen zu verursachen, in denen der Rückstrahl der Sterne schwankte, weil dies ziemlich weit zu sehen ist. So kam ich ohne Hast bis in solche Nähe der Insel, daß wir nun das Floß treiben lassen konnten. Ich machte Old Wabble darauf aufmerksam:
»Jetzt ist die Zeit gekommen, Mr. Cutter. Wir müssen nun unter das Schilf kriechen.«
»Well, soll gleich geschehen,« antwortete er.
»Noch einen Augenblick! Wenn wir mit den Köpfen in den Löchern stecken und uns eine Mitteilung zu machen haben, so darf das nur flüsternd geschehen.«
»Versteht sich ganz von selbst!«
»Obgleich wir das Floß treiben lassen, muß es doch leise gelenkt werden; das überlaßt Ihr mir allein!«
»Ist mir lieb. Sagt mir nur, wann das Tauchen losgehen soll! Bin dann gleich dabei.«
»Werdet Ihr es wirklich fertig bringen?«
»Ich sage Euch allen Ernstes, habt keine Angst um mich. Ich gebe Euch mein Wort, daß ich Euch gar nicht, aber auch gar nicht beschwerlich fallen werde!«
Das war ein ganz andrer Ton als vorher. Hatte er sich nur verstellt? War er wirklich ein guter Taucher?
Wir schlüpften unter das Floß und steckten die Köpfe in die dazu bestimmten Löcher; dann schoben wir die Arme in die Lederschlingen und hingen nun in aufrechter Haltung ungefähr so unten an dem Floße, wie ein Turner an den Schwingen hängt. Das Schilf trug uns; wir brauchten nicht zu schwimmen, und eine kleine Hand- oder Fußbewegung genügte zum Lenken. Es ging sehr, sehr langsam, und in der Erwartung, die uns ergriffen hatte, wurde uns die Zeit doppelt lang.
»Verwünschte Eilschiffahrt!« raunte mir der Alte zu. »Könnt Ihr gut sehen, Sir?«
»Ja.«
»Ich