Old Surehand III. Karl May
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Читать онлайн книгу Old Surehand III - Karl May страница 13
»Bleibt hier, und haltet mein Pferd und meine Gewehre,« raunte ich den beiden zu, indem ich abstieg und Apanatschka meinen Schwarzen und Hammerdull die Gewehre gab. Dann eilte ich nach links hinüber, wo ich, wenn mich mein Gehör nicht täuschte, auf den Nahenden treffen mußte. Er kam; ich duckte mich nieder, ließ ihn so weit vorüber, daß ich einen Anlauf nehmen konnte, holte aus und sprang von hinten auf sein Pferd. Ich hatte, als er an mir vorbeikam, gesehen, daß er ein Indianer war. Der ahnungslose Mann war, als er mich so plötzlich hinter sich fühlte, in der Weise überrascht, daß er nicht die geringste Bewegung zu seiner Verteidigung machte. Ich nahm ihn so fest bei der Kehle, daß er die Zügel fallen und die Arme sinken ließ. Leider verhielt sich sein Pferd weniger passiv als er. Es fühlte die plötzlich verdoppelte Last, stieg vorn empor und begann dann zu bocken und mit allen vieren auszuschlagen. Das war für mich keine Kleinigkeit. Ich saß hinter dem Sattel, hatte den Reiter festzuhalten und mußte versuchen, die Zügel zu erwischen. Am Tage wäre das leichter gewesen, aber in der jetzt herrschenden Dunkelheit konnte ich die Zügel nicht sehen und war nur darauf angewiesen, mich zu bemühen, ja nicht abgeworfen zu werden. Da tauchte an meiner Seite eine Gestalt auf, welche nach dem Maule des Indianerpferdes griff. Ich machte meine rechte Hand frei, langte mit derselben nach dem Revolver in meinem Gürtel und fragte:
»Wer ist das? Soll ich schießen?«
»Ich bin Apanatschka,« antwortete der Gefragte. »Old Shatterhand mag den Osagen herabwerfen!«
Er hatte aus dem Stampfen der Hufe gehört, in welcher Lage ich mich befand, war von seinem Pferde gesprungen, hatte Hammerdull die Zügel des meinigen gegeben und sich dann beeilt, mir zu Hilfe zu kommen. Es gelang ihm, den Zaum des Indianerpferdes zu erfassen und dieses zum Stehen zu bringen. Ich ließ den Gefangenen herabfallen und sprang nach, um ihn sofort wieder zu packen, da seine Bewegungslosigkeit nur eine Finte sein konnte, mit welcher er mich täuschen wollte. Er leistete aber auch jetzt keinen Widerstand. Er war nicht etwa besinnungslos; der Schreck schien ihm die Gewalt über sich genommen zu haben.
»Apanatschka hat mich erkannt?« fragte ich den Komantschen.
»Als du mir dein Pferd zum Halten gabst, glaubte ich, deinen Hatatitla zu sehen,« antwortete er. »Sodann bemerkte ich, daß dein Gefährte nicht ein sondern zwei Gewehre von dir empfing, und wenn ich dann noch im Zweifel war, so mußte ich, als ich dich hier hinter dem roten Krieger sitzen sah, endlich wissen, wer du bist. So einen Sprung pflegt, noch dazu des Nachts, nur Winnetou oder Old Shatterhand zu wagen, obgleich der letztere weiße Jäger leider nicht mehr hören kann! Was soll mit diesem Gefangenen, der jedenfalls ein Osage ist, geschehen?«
»Ich ahne, daß er ein Kundschafter ist, den wir mit uns nehmen müssen.«
Wir riefen Hammerdull herbei. Der Indianer bekam jetzt seine Beweglichkeit wieder; er versuchte, Widerstand zu leisten, der ganz unnütz war; er wurde auf sein Pferd gebunden, und dann setzten wir den unterbrochenen Ritt fort.
Man denke ja nicht, daß nun, wie es unter Weißen unvermeidlich gewesen wäre, zwischen mir und Apanatschka viel Worte gemacht wurden. Wenn sich zwei Freunde so lange nicht gesehen haben und unter Umständen, wie die heutigen, sich so unerwartet wiedersehen, so sollte man meinen, daß zunächst die Herzen in ihr Recht zu treten hätten. Das war ja auch der Fall, aber sie machten von diesem Rechte nicht durch überflüssige Worte Gebrauch. Als wir uns wieder in Bewegung gesetzt hatten, lenkte der Naiini-Komantsche sein Pferd dicht an das meinige heran, langte zu mir herüber, ergriff meine Hand und sagte im Tone innigster Freude:
»Apanatschka dankt dem großen, guten Manitou, daß er ihm erlaubt hat, den besten unter allen weißen Kriegern wiederzusehen. Old Shatterhand hat mich vom sichern Tode errettet!«
»Seit ich von meinem jungen Freunde, dem tapfern Häuptling der Naiini, scheiden mußte, hat meine Seele sich stets nach ihm gesehnt,« antwortete ich. »Der große Geist liebt seine Kinder und erfüllt ihre Wünsche grad dann, wenn sie es für unmöglich halten!«
Weiter wurde nichts gesprochen. Er hielt mich fest, und so ritten wir Hand in Hand eng nebeneinander, bis die Nacht dem grauenden Morgen wich und ich sehen konnte, daß ich auch auf diesem Ritte die rechte Richtung nicht verfehlt hatte. Das war mir sehr lieb, weil ich gern noch vor Winnetou am Ziele ankommen wollte.
Das Kih-pe-ta-kih liegt im Westen von Kansas, welcher bekanntlich zur Kreideformation gehört. Dort und im Südwesten wird in neuerer Zeit viel Salz gewonnen. Tritt an einer Stelle das Salz in größerer Menge auf und wird vom Regen- oder von irgend einem Quellwasser ausgelaugt, so können unterirdische Höhlungen entstehen, deren Decke nachstürzt, weil sie keinen festen Halt besitzt. Diese Einstürze haben gewöhnlich tiefe, senkrechte Wände und sehr scharfe Kanten; sind die Wände dicht, so bildet sich mit der Zeit ein See, welcher die ganze Vertiefung ausfüllt; sind sie aber porös, so sickert das Wasser durch, und nur der tief gelegene Boden hält eine Feuchtigkeit fest, welche das Entstehen und Gedeihen eines mehr oder minder kräftigen Pflanzenwuchses begünstigt. Hat diese Vegetation erst aus salzbegehrenden Pflanzen bestanden, so siedeln sich später in demselben Grade salzfeindliche Pflanzen an, als der Salzgehalt des Bodens verschwindet. Liegt eine solche Senkung in einer vollständig ebenen Gegend, so macht sie von weitem einen eigenartigen Eindruck, weil nur die Wipfel der Bäume zu sehen sind, welche unten im tief liegenden Grunde Wurzel geschlagen haben.
Eine solche Stelle war das Kih-pe-ta-kih, welcher Dakotaname »alte Frau« bedeutet. Der von der unfruchtbaren Ebene scharf abgegrenzte, vegetationsreiche Ort zeigte nämlich in seinen Umrissen die Konturen einer am Boden hockenden Indianer-Squaw.
Die Sonne stieg eben hinter uns am Horizonte auf, als wir diese grüne Squaw vor uns erscheinen sahen. Wir erreichten die Stelle an der linken Hüfte der Figur, während Winnetou von rechts her zu erwarten war. Ich ließ aus Vorsicht halten und ging einmal um die ganze Frau herum. Es war keine Spur eines menschlichen Wesens zu sehen, und so führten wir unsere Pferde an einer weniger steilen Stelle auf den Grund hinab, wo wir den Gefangenen von seinem Gaule nahmen und an einen Stamm festbanden. Der Ausdruck Gaul war eigentlich eine Beleidigung für dieses Pferd, welches jedenfalls zu den besten der Osagen gehörte. Erwähnen muß ich, daß der Rote wirklich ein Osage war. Er hatte sich mit den Kriegsstreifen bemalt und ließ auf keine der an ihn gerichteten Fragen eine Antwort hören.
Ich hätte nun Zeit gehabt, Apanatschka nach seinen Erlebnissen zu fragen, welche zwischen unserer Trennung und dem jetzigen Wiedersehen lagen, zog es aber vor, lieber zu warten, bis er selbst anfangen würde, davon zu sprechen. Einem Charakter, wie er war, gegenüber durfte ich keine Neugierde verraten. Mein dicker Hammerdull war von weniger vornehmer Gesinnung. Er hatte sich kaum niedergesetzt, so wendete er sich mit der Frage an ihn:
»Ich höre, daß mein roter Bruder ein Häuptling der Komantschen ist. Wie konnte es geschehen, daß er in die Gefangenschaft der Osagen geriet?«
Der Gefragte deutete, indem ein leises Lächeln über sein Gesicht ging, mit der Hand nach seinen beiden Ohren.
»Hat ein Kampf zwischen dir und ihnen stattgefunden?« erkundigte sich der zudringliche Dick weiter.
Apanatschka antwortete mit derselben Gebärde. Da wendete sich Hammerdull an mich:
»Er scheint mir nicht antworten zu wollen; fragt Ihr ihn doch einmal, Mr. Shatterhand!«
»Das würde auch vergeblich sein,« erwiderte ich.
»Warum?«
»Versteht Ihr denn nicht, was er meint? Er kann nicht hören.«