Waldröschen V. Ein Gardeleutnant. Karl May
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Читать онлайн книгу Waldröschen V. Ein Gardeleutnant - Karl May страница 13
Der Flügeladjutant blickte den jungen Mann, der so zwingend zu sprechen wußte, verwundert an und sagte dann:
»Sie behaupten also, Wichtiges und Unaufschiebbares zu bringen?« – »So ist es.« – »Und wollen diese Angelegenheit dem Grafen von Bismarck in Gegenwart des Königs vortragen?« – »Ja.« – »Nun, wenn Sie das sagen, so bin ich gezwungen, Sie anzumelden. Aber, junger Mann, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie sich und vielleicht auch Ihrer Karriere sehr im Wege stehen, wenn Sie sich bei Seiner Majestät Zutritt erzwingen in einer Angelegenheit, die nicht so wichtig ist, als Sie denken. Die Verantwortung mögen Sie tragen.« – »Gern«, erwiderte Kurt höflich, aber selbstbewußt.
Der Adjutant ging nun in das Gemach seiner Majestät und erschien nach kurzer Zeit wieder. Auf seinen Wink trat Kurt ein. Er befand sich den beiden größten Männern Deutschlands gegenüber.
König Wilhelm hatte damals vor erst einigen Wochen Österreich und Süddeutschland besiegt, er hatte gezeigt, daß er ein würdiger Sohn des großen Friedrich sei und daß er sich im stillen Männer herangebildet habe, die recht wohl die Kraft hatten, die Traditionen seiner großen Ahnen mit Wort und Schwert kräftig zur Geltung zu bringen. Er war zwar noch nicht auf der Höhe seines Ruhmes angelangt, die er einige Jahre später zu Versailles nach einem der blutigsten Kriege der Weltgeschichte erstieg, doch fühlte er sich den Gegnern recht wohl gewachsen, die jetzt, nachdem er seine Feinde niedergeworfen hatte, heimlich und öffentlich gegen ihn machinierten.
Er war mit einem Schlag ein gefürchteter, einflußreicher Monarch geworden, und zwar mit Hilfe des Mannes, der jetzt an seiner Seite stand. Der eiserne Kanzler mit den ihm vom Kladderadatsch angedichteten drei Haaren war die Seele der preußischen Politik. Kein Diplomat wagte einen Schritt zu tun, ohne zuvor bei ihm sondiert zu haben. Er war der Beamte, aber auch der Freund seines erhabenen Monarchen, und sein Auge, das bisher alle Intrigen seiner Feinde durchschaut hatte, blickte jetzt mit Verwunderung auf den jungen, kaum zwanzigjährigen Menschen, der es wagte, sich in so unscheinbarer Kleidung eine Audienz zu erzwingen.
Auch des Königs Auge ruhte in ernster Erwartung auf Kurt, der nach einem ehrfurchtsvollen Gruß ruhig den Blick erhob, um zu warten, bis er angeredet werde.
»Man hat mir den Leutnant Helmers gemeldet?« sagte der König. – »Ich bin es, Majestät«, antwortete Kurt in bescheidenem Ton. – »Von welcher Truppe?« – »Bisher im Dienste Seiner Durchlaucht des Großherzogs von Hessen, jetzt aber eingetreten bei den Gardehusaren Eurer Majestät.«
Das Auge des Königs belebte sich mehr und wurde milder.
»Ah«, sagte er, »mein Kriegsminister hat mir von Ihnen gesprochen. Sie sind sehr warm empfohlen, dennoch aber mag man es in gewissen Kreisen sehr kühn von Ihnen halten, in das Gardekorps eingetreten zu sein.« – »Man hat mich dies bereits merken lassen, Majestät.«
Ein leises, bedauerndes Lächeln ging über das offene Gesicht des Herrschers.
»So haben Sie Ihre Visiten bereits absolviert?« fragte er. – »Ich habe meine Pflicht getan«, antwortete Kurt vielsagend. – »Ich hoffe, daß Sie dieselbe auch weiterhin erfüllen. Wie aber kommen Sie zu einer Kleidung, die hier an dieser Stelle höchst unpassend erscheinen muß?« – »Hier, Majestät, meine Entschuldigung.«
Kurt zog den Vertrag hervor und überreichte denselben mit einer tiefen, ehrfurchtsvollen Verbeugung dem König. Dieser nahm das Schriftstück in Empfang, öffnete es und warf einen Blick darauf. Sofort nahm sein Gesicht den Ausdruck der größten Überraschung an, er trat ans Fenster, las und las, bis er zu Ende war, reichte dann die Blätter dem Grafen von Bismarck hin und sagte:
»Lesen Sie, Exzellenz, lesen Sie! Es ist eine außerordentliche Mitteilung, welche uns da von diesem Herrn gemacht wird.«
Bismarck hatte bis jetzt ganz unbeweglich dagestanden und den Leutnant kaum mit einem oberflächlichen Blick beachtet. Jetzt nahm er die Schrift zur Hand und las sie. Kein Zug seines eisernen Gesichtes verriet den Eindruck, den die Lektüre auf ihn machte. Als er geendet hatte, warf er den ersten, wirklich vollen Blick auf Kurt und fragte:
»Herr Leutnant, wie kommen Sie zu diesem Dokument?« – »Durch Diebstahl, Exzellenz«, antwortete der Gefragte. – »Ah!« lächelte der Minister. »Was nennen Sie Diebstahl?« – »Die rechtswidrige Aneignung fremden Eigentums.« – »So ist es sehr möglich, daß ich Sie vom Verbrechen des Diebstahles freispreche. Mir scheint, diese Papiere seien Eigentum Seiner Majestät, und die Aneignung derselben ist vielleicht auf einem sehr gesetzmäßigen Weg geschehen. Wer war der bisherige Inhaber derselben?« – »General Douay brachte sie einem Mann, der scheinbar ein Amerikaner, in Wirklichkeit aber ein Spion Spaniens ist.« – »Wo befindet er sich?« – »Hier in Berlin, im Gasthof zum Magdeburger Hof. Wenn Majestät und Exzellenz erlauben, bitte ich, den Vorgang, der mich in den Besitz des Dokumentes brachte, berichten zu dürfen.« – »Erzählen Sie!« gebot der König mit gespannter Miene.
Kurt begann seinen Bericht. Er erwähnte, daß der Kapitän von einer ihm sehr werten Person als ein gefährlicher Verbrecher erkannt worden sei, weshalb er sich zu ihm in die Restauration begeben habe, um vielleicht zu erfahren, welche Absicht diesen Menschen nach Berlin geführt habe. Dann folgte das übrige.
Als er geendet hatte, trat der König mit raschen Schritten zu ihm, reichte ihm die Hand und sagte mit außerordentlichem Wohlwollen:
»Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen, Leutnant, ich danke Ihnen. Ich lobe es, daß Sie uns das Original brachten und nicht eine Abschrift nahmen. Wir werden uns sofort der Person Douays und dieses Parkerts bemächtigen. Doch wer ist die Person, die in dem letzteren einen gefährlichen Verbrecher erkannte?« – »Frau Sternau, die vormalige Gräfin de Rodriganda.« – »Eine Gräfin Rodriganda jetzt eine einfach Frau Sternau? Wie kommt das?« – »Majestät, dieser einfache Sternau ist jedenfalls der Sohn des Herzogs von Olsunna, der jetzt hier in Berlin wohnt.« – »Das klingt ja höchst interessant!« – »Es ist auch so ungewöhnlich, daß ich es wage, Eure Majestät zu bitten, einen kurzen Umriß der Geschichte dieser Personen gnädigst anzuhören.« – »Sie haben sich ein Anrecht auf unseren Dank erworben, ich geben Ihnen gern die erbetene Erlaubnis. Erzählen Sie!«
Der König gab dem Grafen Bismarck einen Wink, mit ihm Platz zu nehmen. Sie taten es, und Kurt begann, einen kurzen, jedoch hinlänglichen Bericht von den Erlebnissen und Verhältnissen der ihm so nahestehenden Personen zu geben. Die hohen Herren hörten ihm mit wachsender Spannung zu. Als er geendet hatte, erhob sich der König in sichtbarer Erregung und sagte:
»Das ist außerordentlich; das ist ja fast wie ein Roman! Fast sollte man behaupten, daß solche Dinge unmöglich seien! Sie sagen, daß Seine Großherzogliche Hoheit diese höchst interessanten Familien kennt?« – »Allerdings. Sämtliche Bewohner von Schloß Rheinswalden hatten Zutritt am Hof, und Ihre Hoheit interessierten sich ganz vorzüglich für Rosa de Rodriganda.« – »Nun wohl, der Großherzog ist hier anwesend. Ich höre, daß er heute abend Gäste bei sich sieht, und werde diese Gelegenheit benutzen, das, was Sie mir erzählten, zur Sprache zu bringen. Für jetzt will ich Sie entlassen, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen, uns der beiden Emissäre zu bemächtigen. Es freut mich, Sie in meiner Garde zu wissen. Sie haben sich gut bei mir eingeführt und sich so sehr empfohlen, daß Sie meiner Gewogenheit versichert sein dürfen. Glauben Sie, daß ich Sie nicht aus dem Auge lassen werde. Adieu!«
Der König reichte Kurt abermals die Hand, die dieser demütig ergriff, aber im Herzen voll Glück an seine Lippen zog. Auch Bismarck trat heran und gab ihm die Rechte.
»Leutnant«,