Waldröschen V. Ein Gardeleutnant. Karl May

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Waldröschen V. Ein Gardeleutnant - Karl May

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ein Yankee war und die Nordamerikaner ja keinen Adel haben. Aber so ist es stets: Gibt man sich mit Pack ab, so ist man auf alle Fälle blamiert. Wir haben nun desto größere Verpflichtung, uns gegen diesen Kameraden Helmers streng ablehnend zu verhalten.« – »Mir scheint«, meinte Platen, der bereits beim Major Kurts Partei genommen hatte, »daß zwischen einem flüchtigen Verbrecher und einem brav gedienten Offizier denn doch ein kleiner Unterschied zu machen ist.« – »Pöbel bleibt Pöbel, ob in Zivil oder in Uniform, das bleibt sich gleich«, antwortete Ravenow. »Man muß ihm den Dienst verleiden. Man muß dafür sorgen, daß er so bald wie möglich seine Versetzung fordert.«

      In diesem Augenblick trat der Oberst seines Regiments ein. Er wurde hier nicht sehr oft als Gast gesehen. Er kam gewöhnlich nur dann, wenn er irgendeine dienstliche Angelegenheit in freundlich-kameradschaftlicher Weise behandeln wollte. Daher ahnte man bei seinem Eintritt sogleich, daß es sich um irgendeine Mitteilung handle, die geeignet sei, das Interesse seiner Offiziere in Anspruch zu nehmen.

      Er setzte sich zu den älteren Herren am letzten Tisch, ließ sich ein Glas Wein geben und musterte die Anwesenden, die ihn in dienstlicher Haltung begrüßt hatten. Seine Untergebenen warteten auf seine Erlaubnis, ihre vorherige Beschäftigung fortsetzen zu dürfen. Sein Blick fiel auf Ravenow, der trotz seiner Leichtlebigkeit sein erklärter Günstling war.

      »Ah, Ravenow«, sagte er, »spielen Sie immerhin Ihre Partie aus, aber sodann keine weitere.« – »Ah, Herr Oberst, ich bin im Verlust, muß also um Revanche ersuchen«, antwortete der Leutnant. – »Heute nicht; schonen Sie Ihre Beine und Ihre Kräfte!« – »So gibt es morgen wohl Extraübung?« – »Ja, aber nicht zu Pferde, sondern zu Fuß, und zwar mit jungen Damen im Arm.«

      Bei diesen Worten hoben alle die Köpfe empor.

      »Ja«, lachte der Oberst, »da gucken die Herren! Ich will Ihre Wißbegierde auf keine allzu harte Probe stellen, sondern Ihnen sogleich den Sachverhalt mitteilen, damit ich dann ungestört meine Partie Whist spielen kann.«

      So abweisend er sich gegen Kurt benommen hatte, so umgänglich konnte er sein, wenn er wollte und wenn er sicher war, seiner Ehre keinen Schaden zu tun. Als jetzt die Herren sich näher um seinen Tisch zusammenzogen, meinte er

      »Ja, es wird morgen eine leidliche Fußübung geben; man nennt diese Art Exerzieren gewöhnlich Ball.« – »Ein Ball, eine Soiree, wo, wo?« fragte es überall. – »An einem Ort, an den Sie am allerwenigsten denken werden, meine Herren. Hier habe ich ein ganzes, großes Kuvert voll Einladungskarten, die ich an sämtliche Offiziere meines Regiments und deren nähere Kameraden verteilen soll. Es sind im ganzen sechzig Karten, und die Damen sich auch mit geladen.« – »Aber von wem?« fragte ein Major, der neben dem Oberst saß. – »Ich wette zehn Monatsgagen, Herr Kamerad, daß Sie es nicht erraten. Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich bei Anbruch des Abends dieses Kuvert erhielt, den Inhalt bemerkte und dabei folgendes Schreiben fand:

      »Herrn Baron von Winslow, Oberst des ersten Gardehusarenregiments.

      Herr Oberst!

      Seine Majestät der König sind so freundlich gewesen, mir die Wohn- und Gartenräume Seines königlichen Schlosses Monbijou zu einer Soiree dansante – Abendgesellschaft mit Tanz —, die ich morgen abzuhalten gedenke, zur Verfügung zu stellen. Ich sende Ihnen die beifolgenden Karten, um sie an die Offiziere Ihres Regiments und deren nähere Kameraden zu verteilen, und bin überzeugt, daß ich Sie mit Ihrer Frau Gemahlin nebst Töchtern sowie auch die Damen der Herren Offiziere bei mir sehen werde.

      Ihr wohl affektionierter

      Ludwig III.

      Großherzog von Hessen-Darmstadt«

      Als der Oberst das großherzogliche Schreiben wieder zusammenfaltete und sein Auge über die Zuhörer schweifen ließ, begegnete er auf allen Gesichtern dem Ausdruck des Erstaunens.

      »Was hat das zu bedeuten?« fragte der bereits erwähnte Major. – »Diese Frage habe ich mir auch vorgelegt, aber ohne eine Antwort zu finden. Meine Frau – und die Herren wissen, daß die Frauen sich für äußerst scharfsinnig halten —, meine Frau meinte, daß es von oben her im Werke sei, dem Großherzog unser Husarenregiment zu verleihen. Er hat im vergangenen Krieg Preußen feindlich gegenübergestanden, und nun will Seine Majestät ihn vielleicht durch eine solche Auszeichnung an sich ketten.« – »Wie ich höre, wurde er heute telegrafisch nach Berlin gerufen«, wagte Leutnant Golzen zu bemerken. – »Woher wissen Sie das?« fragte der Oberst schnell. – »Sie wissen, Herr Oberst, daß die Herren Diener untereinander strenge Fühlung haben, und der meinige ist ein Schlaukopf, der voller Neuigkeiten steckt, wie eine Zeitung.« – »Diese telegrafische Einladung ließe, wenn sich ihre Wahrheit bewährte, auf wichtige diplomatische Konstellationen schließen. Man beginnt, sich huldvoll gegen die Südstaaten zu zeigen, man will sie also fesseln. Meine Herren, ich glaube, wir werden in einiger Zeit nach Frankreich reiten. Wenn das nur recht bald geschähe, wir sind gerade jetzt im rechten Zug. Aber zerbrechen wir uns nicht den Kopf. Die Sache ist, daß wir eingeladen sind und einen amüsanten Abend haben werden. Die Räume von Monbijou haben uns noch nie zur Verfügung gestanden; es wird uns da eine Auszeichnung zuteil, um die man uns beneiden wird. Wir werden dankbar sein, und ich bin überzeugt, daß die Herren, besonders die jüngeren, alle ihre Liebenswürdigkeit entfalten werden. Jetzt wollen wir zur Verteilung der Karten schreiten.« – »Darf ich mir die Frage gestatten, Herr Oberst, ob dieser Leutnant Helmers auch ein Exemplar erhalten wird?« fragte Ravenow.

      Diese Erkundigung war eine Keckheit, dennoch aber antwortete der Gefragte in freundlichem Ton:

      »Weshalb erkundigen Sie sich, lieber Ravenow?« – »Weil ich niemals eine Soiree besuchen würde, auf der obskure Menschen erscheinen.« – »Dann brauchten Sie lieber gar nicht zu fragen, denn wir alle hegen dieselben Grundsätze und Ansichten wie Sie. Übrigens tritt dieser Helmers erst morgen an, heute aber bereits werden die Karten verteilt, er geht uns also noch gar nichts an. Hier, lieber Branden, haben Sie die Karten. Besorgen Sie die Verteilung.«

      Der Adjutant nahm das Kuvert in Empfang, gab jedem der Anwesenden eine der Einladungen und hob die übrigen für diejenigen auf, die nicht zugegen waren.

      Kaum war er damit fertig, so ging die Tür auf, und Kurt trat ein. Aller Augen richteten sich auf ihn, glitten aber sogleich wieder von ihm fort, so daß er merken mußte, daß man nichts von ihm wissen wolle.

      Er ließ sich aber dadurch nicht beirren, behielt den Tschako auf und schritt sporenklirrend auf den ältesten der anwesenden Offiziere zu. Dies war Oberst Winslow. Vor ihm hielt er an, schlug die Fersen zusammen, legte die rechte Hand grüßend an die Kopfbedeckung, die linke an den Schenkel und sagte:

      »Leutnant Helmers, Herr Oberst. Ich bitte um die Freundlichkeit mich den Herren Kameraden vorzustellen!«

      Der Oberst hatte die Whistkarten in der Hand, drehte sich langsam um, tat, als ob er ihn nicht verstanden habe, und fragte:

      »Wie? Was wollen Sie?« – »Ich erlaube mir die Bitte, mich den Herren vorzustellen, Herr Oberst.«

      Der Oberst zog die Augenbrauen hoch empor, sah Kurt langsam vom Kopf bis zum Fuß an und sagte:

      »Vorstellen? Ah! Wer sind Sie?«

      Auf allen Gesichtern war Schadenfreude zu bemerken; nur Leutnant Platen errötete vor Verdruß darüber, daß man einen braven, jungen Mann in dieser Weise beleidigte.

      Alle wußten, daß sich jetzt entscheiden müsse, was Helmers für ein Charakter sei. Kein Kavalier konnte diesen Schimpf gut auf sich sitzen lassen. Es waren abermals aller Augen auf Kurt gerichtet. In dem Gesicht desselben zuckte keine Miene, und mit vollständig fester Stimme sagte er:

      »Ihr

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