Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich
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»Senhor – fremder Mann hat andern fremden Herrn gepackt – hier,« erklärte er deutlicher und griff sich selber nach dem Halse – »so fest. Eine Senhor schreit und andere…«
»Was ist da vorgegangen?« rief der Brasilianer erstaunt, aber die Frau war todtenbleich geworden. Eine Ahnung der Wahrheit schoß ihr durch die Seele, und mit gefalteten Händen emporspringend, rief sie aus.
»Schützen Sie mich um Gottes willen; das ist mein Mann, der mich aufgefunden hat!«
»Hm,« sagte der brasilianische Geistliche – »das wäre möglich, aber haben Sie keine Furcht. Hier kann Ihnen Nichts geschehen, denn Sie sind unter meinem Dache.«
Er behielt aber keine Zeit weiter, sie zu beruhigen, denn durch die Thür herein flogen noch ein paar Negerjungen, und dicht hinter ihnen erschien eine Gruppe, vor welcher die Mädchen erschreckt von ihrer Arbeit aufsprangen und die allerdings mit der bisherigen freundlichen Ruhe des Platzes im grellsten Widerspruche stand.
In dem breiten Thore, durch welches erst vor wenigen Minuten wieder der Karren geschoben war, welcher den neuen Vorrath in die Mühle gebracht, erschien unser alter Bekannter, der Colonist Pilger aus Santa Clara, aber nicht mehr der ruhige, stille Mann, wie wir ihn dort gesehen, sondern mit erhitztem Gesichte, zornfunkelnden Augen, die dunkelbraunen Haare wirr um die Schläfe hangend, das Hemd durch das Raufen vorn aus einander gerissen: so trat er ein und seine rechte Hand hatte sich fast krampfhaft in die Halsbinde des früheren Delegado von Santa Clara gekrallt, den er, weiter gar nicht mehr seiner achtend, hinter sich herschleifte.
Der arme Delegado sah bös aus. Seine beiden hübschen Pantoffeln hatte er unterwegs verloren und war in bloßen Strümpfen durch die oft schmutzigen Stellen der Straße hergeschleppt; sein Rock hing ihm nur noch in Fetzen vom Leibe, sein Hemd war zerrissen, sein Hut ebenfalls verloren und im Gesichte blutete er an drei bis vier verschiedenen Stellen.
Die Neger, die ebenfalls herbeigesprungen waren, starrten dabei von der Gruppe zu ihrem Herrn, denn sich in den Kampf zweier Weißen zu mischen, schien ihnen nicht räthlich; aber der Eine von diesen war doch der Gast des Herrn selber, und dessen Befehl erwarteten sie jetzt. Ehe dieser aber nur einen solchen geben, ja, vielleicht selber einen Entschluß fassen konnte, hatte Pilger's wild umherschweifender Blick die Frau erspäht. In dem Moment war der Gefangene, war seine ganze Umgebung vergessen, und den Portugiesen loslassend, der in Angst und Scham hinter dem Geistlichen Schutz suchte, eilte er auf sie zu und rief:
»Margareth! Margareth! und muß ich Dich hier finden?«
Er wollte auf sie zugehen und ihre Hand fassen, der Brasilianer aber, der indessen mit ruhigem Blick das Ganze überschaut hatte und den Zusammenhang vollkommen gut begriff, trat zwischen ihn und Margareth, und den Arm gegen ihn hebend, sagte er ruhig:
»Halt, lieber Freund – dies ist mein Haus – hier ringsum stehen meine Leute, mir Ordnung zu halten, wenn Jemand dieselbe gegen meinen Willen stören wollte, und ich bitte Sie deshalb jetzt, mir ganz leidenschaftslos zu sagen, was Sie hier wünschen, was Sie hergeführt und weshalb Sie meinen Freund, Dom Franklin, auf so rohe Weise mißhandelt haben.«
»Was ich will? Was mich hergeführt?« sagte Pilger, erstaunt zu dem Brasilianer aufsehend, »fragen Sie die Frau da, welche ohne einen Blutstropfen im Gesichte hinter Ihnen steht und sich mit ihren Augen in den Boden eingraben möchte. Wissen Sie, was die Beiden verschuldet, die Frau da und jener blutige Schuft, der dort scheu in die Ecke gekrochen ist?«
»Mein Herr,« sagte der Brasilianer ruhig – »Sie häufen da schwere Anklagen auf zwei Leute, welche, was auch früher Ihre Anrechte gewesen sein mögen, jetzt vollkommen unabhängig unter dem Schutz der brasilianischen Gesetze stehen und von keinem Menschen, am Wenigsten von einem fremden Protestanten, beleidigt werden dürfen. Bedenken Sie das, oder vielmehr, Sie hätten es früher bedenken sollen, ehe Sie die Hand an einen brasilianischen Bürger legten.«
»Und in niederträchtiger Weise hat er mich überfallen!« rief der Delegado jetzt hinter dem Geistlichen vor; »langsam kam ich den Weg entlang, der hier nach der Hacienda führt, als dieser Mensch wie ein Bär über mich her stürzte, mich zu Boden schlug, würgte und mich dann hieherschleppte. Da müßte ja doch keine Gerechtigkeit mehr in Brasilien sein, wenn sich ein brasilianischer Bürger so von einem hergelaufenen Lump behandeln zu lassen brauchte.«
Pilger erwiederte kein Wort, aber der Blick, mit dem er auf den zurückweichenden Delegado zuschritt, schien diesem einen neuen und vielleicht gefährlicheren Angriff zu versprechen, als der erste gewesen. Ein Wink des Hausherrn brachte aber die Neger auf diese Seite herüber, hinter denen der Delegado Schutz fand, und Pilger, nur noch einen verächtlichen Blick nach dem feigen Patron hinüber werfend, sagte in deutscher Sprache:
»Was ärgere ich mich auch noch mit dem Schuft! Komm, Grethe – Du hast hier Nichts mehr zu thun. Wir Beide wollen gehen, und unser Herr Pfarrer daheim mag nachher die Sache in Ordnung bringen. Du scheinst Dich mit mir nicht länger glücklich zu fühlen – gut – ich will und werde Dich nicht zwingen bei mir zu bleiben. Aber Deinen Eltern habe ich versprochen, wie ein ehrlicher Mann an Dir zu handeln – was Du versprochen hast, weißt Du selber am Besten – und so will ich Dich ihnen wenigstens zurück nach Deutschland schicken, daß sie sehen, ich habe mein Wort gehalten. Nun?« fuhr er erstaunt fort, als er sah, daß sich Margarethe gar nicht regte und nicht einmal das Auge aufschlug – »eine volle Woche bin ich in wahrer Todesangst Deinetwegen in der Gegend hier herum gefahren und habe gehungert und gedurstet, nur mit dem Gedanken an Dich – Dich zu retten aus dem Verderben, in das Dich jener Bube gelockt, und jetzt – jetzt hast Du nicht einmal einen Blick für mich, Grethe?«
»Ich weiß nicht, was Sie Beide noch in Deutsch zu verhandeln haben,« mischte sich hier der Brasilianer ein, »denn ich verstehe die Sprache nicht; erlauben Sie mir aber, zu bemerken, mein Herr, daß Sie mit dieser Frau Nichts weiter im Geheim verhandeln dürfen, so lange ich wenigstens dabei bin, und unter meinem Dache – Sie haben mich doch hoffentlich verstanden?«
»Mit meiner Frau nicht?« lachte der Deutsche bitter – »das wäre nicht übel. Außerdem werde ich Sie nicht länger hier belästigen; daß auch Sie mir aber noch Rechenschaft geben sollen, eine ihrem Manne weggelaufene Frau versteckt zu haben, darauf können Sie sich verlassen. Komm, Grethe, mir wird die Luft zu schwül hier; ich muß fort!«
»Niemand hält Sie,« sagte der Brasilianer kalt – »so viel aber diene Ihnen außerdem zu wissen, daß diese Frau nicht mehr die Ihrige ist, sondern daß ich sie vorgestern schon mit Dom Franklin Brasileiro Lima nach dem Ritus unserer Kirche verbunden habe.«
»Sie? Meine Frau mit dem da?« rief Pilger, kaum seinen Ohren trauend.
»Ich bin Geistlicher,« sagte der Brasilianer, sich hoch emporrichtend, »und nachdem Ihre frühere Frau den katholischen Glauben angenommen hat, habe ich sie mit Dom Franklin nach dem Ritus unserer Kirche zu unlöslicher Verbindung zusammengegeben.«
»Eine verheirathete Frau?« rief Pilger wieder, dem sich fast die Sinne bei dem eben Gehörten verwirrten.
»Eine protestantische Ehe ist nach unseren Gesetzen kein canonisches Hinderniß,« sagte der Geistliche kalt, »und wenn Sie in ein fremdes Land kommen, müssen Sie sich auch den da bestehenden Gesetzen fügen.«
»Bin