Ein Parcerie-Vertrag. Gerstäcker Friedrich

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Ein Parcerie-Vertrag - Gerstäcker Friedrich

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aber bei dem Winde zeigte. Plätschernde Wellen erhoben sich darum her, aber still und unbewegt verfolgte das Fahrzeug seine Bahn und eine Anzahl von Personen in rothen Hemden, die über Bord hinaus auf das Meer sahen, sollten andeuten, daß es reichlich mit Passagieren besetzt sei, die eine ruhige Fahrt nach einem fernen Welttheil hatten.

      Das Schiff selber führte eine Bremer Flagge, – die roth und weißen Streifen und Quadrate, – darüber aber im blauen Himmel stand deutlich mit goldenen Buchstaben:

Schiffsgelegenheit nach allen Welttheilen,

      und wie um das zu illustriren, waren links und rechts von der Thür noch große Tafeln aufgehangen, auf welchen die verschiedensten Reisen nach Nordamerika, Australien und Brasilien specificirt wurden.

      Außerdem schien aber Herr Kollboeker, wie der Auswanderungsagent hieß, noch außerordentlich vielseitig in anderen Geschäftszweigen. Er hatte die Agentur für Sächsische Renten-, Berliner und Gotha'sche Lebensversicherung, ebenso eine Niederlage von Daubitz's Kräuterliqueur und aromatischer Gichtwatte, und Behrens wurde ganz irr an den vielen Schildern, die überall die Wand und sogar die aufgeschlagenen Fensterladen bedeckten. Aber es konnte nichts helfen, hinein mußte er doch, denn die Zeit verging, und nachdem er und Andres – während die Beiden indessen von drinnen durch ein paar junge kichernde Leute beobachtet waren – eine Weile die verschiedenen Placate durchbuchstabirt hatten, sagte Behrens, seines Begleiters Arm ergreifend: »So komm, Andres, hier werden wir doch nicht draus klug und drinnen müssen wir ja erfahren woran wir sind. Da oben ist ja auch das Schiff gemalt, mit dem wir fahren sollen, – guck einmal wie groß es ist; das sieht ordentlich gefährlich aus – und so weit übers Wasser muß man damit.«

      Behrens schüttelte freilich mit dem Kopf, als er das Haus betrat; es war ihm noch so vieles bei der ganzen Sache, von der er sich gar keine richtige Idee machen konnte, unerklärlich, und er fühlte ordentlich das Bedürfniß, endlich einmal Jemanden darüber zu hören, der Alles ganz genau wußte.

      Gleich rechts im Hausflur war eine Thür, an welcher auf einem ovalen schwarzen Schild das Wort stand: »Comptoir«, aber weiter befand sich kein Name oder sonstiges Abzeichen daneben, und die Beiden zögerten noch, ob sie hier anklopfen sollten, als die Thür aufging und ein blutjunger Mensch mit auf der Mitte gescheitelten fuchsrothen Haaren heraussah.

      »Wollen Sie zu der Auswanderungs-Agentur?«

      »Ja wohl«, nickte Behrens.

      »Na, da kommen sie nur hier herein, – hier ist's.«

      Beide betraten das Zimmer. Es war ein nicht sehr großes und etwas düsteres Gemach. In der Mitte stand ein hohes, doppeltes Schreibpult aus polirtem Erlenholz, an dem an jeder Seite zwei Menschen arbeiten konnten, und an den Wänden waren eine Menge Gefache angebracht, in welchen die verschiedenartigsten Dinge lagen: kleine Broschüren, Papiere, etiquettirte Flaschen, Packete und Gott weiß was sonst noch. An den Wänden aber hingen, wo nur noch irgend ein Platz frei geblieben, Fahrpläne von Eisenbahnen und Dampfschiffen, eine große Karte mit den beiden Erdhälften und andere von Australien, Südamerika, Brasilien, Nordamerika, Rußland und Ungarn, denn Herrn Kollboeker's Thätigkeit war eine sehr ausgebreitete, und er schaffte Menschen fort, wohin sie eben wollten, oder – wohin er sie gerade bereden konnte. Hatte er doch intime Verbindungen in allen Theilen der Welt, wenn er auch alle Theile der Welt nur dem Namen nach kannte.

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      1

      Das Wort Parcerie, was eigentlich in den brasilianischen Verträgen Parçarie heißen sollte, nach dem portugiesischen Wort parçaria, ein Antheil, eine gemeinschaftliche Gesellschaft – bedeutet eine Art von Contract nach welchem sich hiesige Arbeiter gewöhnlich verpflichten, nach unentgeltlicher Überfahrt in einen fremden Welttheil, so lange für ihren neuen Herrn zu arbeiten, bis sie die, durch ihren Transport angewachsenen Kosten abverdient haben. Sie bekommen aber dafür keinen bestimmten Tagelohn, sondern sind auf einen Antheil am Gewinn beschränkt, der in den betrügerischen Contracten gewöhnlich so hingestellt ist, daß der Arbeiter glauben soll, er bekomme die Hälfte vom Gewinn des Ganzen, während es aber doch nur meint daß er die Hälfte dessen bekommen soll was er etwa verdient. Aber selbst das ist eingebildet, denn er verdient eben Nichts wenn sein Herr beweisen kann daß er selber keinen Nutzen in einem Jahr gehabt hat und in tausend Fällen sind deshalb schon diese Verträge von gewissenlosen Pflanzern gemißbraucht worden.

      2

      Das betreffende Document ist wörtlich – mit Ausschluß der Namen – einem derartigen Parcerie-Vertrag entnommen, und mag als Beweis dienen, wie leichtsinnig zahllose Menschen derartige Schriftstücke unterzeichnen, und sich dadurch binden, ohne eine Ahnung über deren Tragweite zu haben.

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Das Wort Parcerie, was eigentlich in den brasilianischen Verträgen Parçarie heißen sollte, nach dem portugiesischen Wort parçaria, ein Antheil, eine gemeinschaftliche Gesellschaft – bedeutet eine Art von Contract nach welchem sich hiesige Arbeiter gewöhnlich verpflichten, nach unentgeltlicher Überfahrt in einen fremden Welttheil, so lange für ihren neuen Herrn zu arbeiten, bis sie die, durch ihren Transport angewachsenen Kosten abverdient haben. Sie bekommen aber dafür keinen bestimmten Tagelohn, sondern sind auf einen Antheil am Gewinn beschränkt, der in den betrügerischen Contracten gewöhnlich so hingestellt ist, daß der Arbeiter glauben soll, er bekomme die Hälfte vom Gewinn des Ganzen, während es aber doch nur meint daß er die Hälfte dessen bekommen soll was er etwa verdient. Aber selbst das ist eingebildet, denn er verdient eben Nichts wenn sein Herr beweisen kann daß er selber keinen Nutzen in einem Jahr gehabt hat und in tausend Fällen sind deshalb schon diese Verträge von gewissenlosen Pflanzern gemißbraucht worden.

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Das betreffende Document ist wörtlich – mit Ausschluß der Namen – einem derartigen Parcerie-Vertrag entnommen, und mag als Beweis dienen, wie leichtsinnig zahllose Menschen derartige Schriftstücke unterzeichnen, und sich dadurch binden, ohne eine Ahnung über deren Tragweite zu haben.

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