Ein Parcerie-Vertrag. Gerstäcker Friedrich

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein Parcerie-Vertrag - Gerstäcker Friedrich страница 4

Ein Parcerie-Vertrag - Gerstäcker Friedrich

Скачать книгу

Zweifel, und der kleine Mann, mager, wie eigentlich nur ein Schulmeister sein kann (und mit der vollen Berechtigung dazu, denn sein Gehalt stellte ihn nicht viel über den Tagelöhner, und dabei hatte er eine Frau und sechs Kinder zu ernähren, und außerdem noch sechszig zu unterrichten) wischte sich plötzlich die Hände an den fettglänzenden, alten schwarzen Hosen ab, ehe er das ihm dargereichte Papier nahm, und sagte nun, völlig aufgelöst in Bewunderung:

      »Nach Brasilien? – ja, freilich, Behrens, wenn Ihr dahin kommen könntet. – Du lieber Gott, da möchte ich gleich selber mit. Aber wie wollt Ihr das möglich machen?«

      »Das steht Alles in dem Papier da, Schulmeister,« sagte der Mann, »und ich wollte Sie nur einmal bitten es durchzulesen und mir Ihre Meinung darüber zu sagen.«

      »Hm,« nickte der kleine Mann, indem er einen flüchtigen Blick über das Blatt warf, »ich habe aber meine Brille drinnen. Kommt mit hinein, Behrens, meine Alte hat mich doch eben zum Kaffee gerufen, und der Rücken thut mir auch von dem vielen Schaufeln weh, – kommt nur mit hinein.«

      »Ach, wenn Sie jetzt Kaffee trinken wollen,« sagte der Mann zurückhaltend, »so komme ich lieber später wieder; stören wollte ich ja nicht.«

      »Ach, was,« nickte der Schulmeister, denn der Tagelöhner hatte durch das eine Wort »Brasilien« einen ganz neuen Nimbus bekommen, »Ihr trinkt eine Tasse mit, – so viel wird schon da sein, und wenn Ihr erst in Brasilien seid, schickt Ihr mir einmal gelegentlich einen Sack Kaffee herüber, – da kommt er ja her, Behrens, und dort giebts ganze Wälder von lauter Kaffeebäumen.«

      »Wenn Sie's erlauben,« sagte der Mann, indem er etwas verlegen den Hut zwischen den Händen drehte, denn es war das eine Ehre, die ihm widerfuhr, und er nicht gewöhnt, von irgend einem Menschen eingeladen zu werden.

      Schulmeister Peters, nachdem er sich vorher erst ein paar Mal gestreckt und gedehnt und dabei ein sehr schmerzhaftes Gesicht geschnitten, weil ihm der Rücken noch vom langen Krummstehen weh that, konnte endlich wieder aufrecht gehen, und das Papier noch immer in der Hand haltend, schritt er seinem Gast voraus in das kleine Häuschen, wo ihn seine Frau schon mit der dampfenden Kanne erwartete. Als sie freilich den Tagelöhner Behrens mit ihrem Manne eintreten sah, wollte sie die Kanne wieder zurück auf den Ofen stellen, weil sie glaubte der Arbeiter hätte etwas mit Peters zu sprechen, und der Kaffee sollte indessen nicht kalt werden.

      Der Schulmeister aber, mit seinem Steckenpferd »Brasilien« im Kopf, rief ihr lachend zu: »Laß stehen, Alte, und gieb uns noch eine Tasse für Behrens her. Denk Dir einmal, der ist unterwegs nach Brasilien.«

      »Nach Brasilien?« sagte die Frau, setzte die Kanne wieder auf den Tisch und schlug die Hände zusammen, »es ist doch die Möglichkeit.«

      »Und nun setzt Euch, Behrens, – da drüben ist ein Stuhl, stellt Euren Hut nur dort auf die Kommode, – Alte, hast Du meine Brille nicht gesehen? Ich habe sie doch vorhin hierher gelegt, – ach, da ist sie, – setzt Euch nur, und nun wollen wir einmal sehen was hier in dem Papier steht. Das ist wohl der Überfahrts-Contract? – aber, Behrens, das wird schmähliches Geld kosten. Brasilien liegt in gerader Richtung etwa tausend deutsche Meilen von uns entfernt, und was für einen Umweg müßt Ihr da noch vorher machen. Seht einmal her, hier ist Deutschland,« sagte er, auf eine kleine, an der Wand hängende Weltkarte zeigend, »hier, wo ich den Finger halte, und da müßt Ihr nun erst nach Norden hinauf, damit Ihr an die Nordsee kommt, und dann geht's hier hinaus, in gerader Linie nach Westen, durch den britischen Canal – La Manche heißt er – hinaus in das weite Weltmeer, und dann geht's hier quer hinüber, über all die Striche weg, immer da hinunter, bis Ihr da ganz unten an Brasilien anfahrt. Da liegt's und unterwegs ist's so heiß, daß Euch die Butter vom Brod herunterschmilzt. So eine Reise kostet vieles Geld.«

      »Bitte, lesen Sie nur einmal das Papier durch,« sagte Behrens, »da drin steht Alles, und dann wollte ich Sie um Ihren Rath dabei fragen, was ich thun und wie ich mich verhalten soll.«

      Behrens täuschte dabei sich selber und den Schulmeister, denn im eigenen Herzen war er schon fest entschlossen den Schritt, der über sein ganzes künftiges Lebensglück entscheiden sollte, zu wagen, und eigentlich nur zum Schulmeister gekommen, um sich von diesem in dem gefaßten Plan bestärken – nicht davon abrathen zu lassen, was er übrigens auch kaum zu fürchten brauchte.

      »Na,« meinte Peters, »dann wollen wir also erst einmal sehen was hier geschrieben steht. Schenk derweil ein, Alte, und trinkt nur, Behrens, genirt Euch nicht, es ist gern gegeben.«

      Die Frau Schulmeisterin schenkte, noch immer den Kopf über das eben Gehörte schüttelnd, dem Tagelöhner den Kaffee, der eine frappante Farbenähnlichkeit mit schwachem Thee hatte, in eine henkellose Tasse, denn eine von ihren »guten« Tassen konnte sie doch nicht dazu von der Kommode nehmen, wo sie zur Schau ausstanden. Behrens nahm aber auch selbst das auf das Dankbarste an, – besseres Geschirr war er ja zu Hause auch nicht gewöhnt, ja nicht einmal das, denn seinen Kaffee trank er daheim aus einem kleinen Topf, und daß er etwas dünn war, merkte er ebenfalls nicht; er wußte wahrscheinlich nicht einmal, wie besserer Kaffee schmeckte.

      Während er aber trank und der Schulmeister las, sah er sich ein wenig im Zimmer um, wo ihm besonders die Bücher auffielen, von denen Peters wohl zwölf bis vierzehn auf einem Regal zwischen den beiden Fenstern stehen hatte. Auch die Landkarte an der Wand imponirte ihm. Darauf konnte der Mann nur mit seinem Zeigefinger über die ganze Welt herum fahren und dabei jeden Platz und Ort mit Namen nennen, und beschreiben wie es dort aussah. Sonst freilich bot das Zimmer nicht viel Besonderes. Die Möbel bestanden aus einfachem, weißtannenem Holz und waren nicht einmal angestrichen; auf der Kommode stand noch eine kleine, blaugemalte Glasvase mit einem Büschel Schilfblüthen und Strohblumen darin, und über dem entsetzlich hart gepolsterten Sopha hing ein kleiner Spiegel, und rechts und links davon die Bilder von Peters und seiner Frau, als Braut und Bräutigam, mit einer wahren Verschwendung von bunten Farben und rothen Backen gemalt. Wo aber waren jetzt die rothen Backen hingekommen? wo der üppige Haarwuchs des kleinen Mannes und das frische, fröhliche Gesicht? – Nur die große Warze über dem linken Auge hatte er noch als einzige Ähnlichkeit behalten, sonst war Alles verschwunden und gebleicht.

      Und auch die Frau Schulmeisterin.

      »Lieber Gott,« seufzte Behrens in Gedanken vor sich hin, »wie sich der Mensch doch verändern kann, man sollte es nicht für möglich halten.«

      »Hm, Behrens,« sagte da Peters, der das Blatt erst einmal leise für sich durchgelesen hatte, »nach dem Schreiben scheint es, als ob die ganze Überfahrt für Euch bezahlt würde und Ihr den Betrag nur einfach abzuarbeiten habt.«

      »Ja wohl, Schulmeister, das sind die Bedingungen.«

      »Hm – und da könntet Ihr ohne einen Pfennig Geld und ganz umsonst nach Brasilien herüberkommen?«

      »Ja so umsonst doch nicht,« lächelte Behrens etwas verlegen. »Was die Herren jetzt für uns bezahlen, müssen wir später Alles wieder bei Heller und Pfennig abverdienen.«

      »Na, das versteht sich von selbst,« sagte Peters, »schenken werden sie's Euch nicht. Wer schenkt einem Anderen heut zu Tage auch wohl noch was; aber Ihr seid doch einmal nachher an Ort und Stelle, und wenn Ihr Euch da nichts verdient, verdient Ihr Euch auf der ganzen Welt nichts.«

      »Also meinen Sie daß Alles in Ordnung wäre,« frug Behrens, dem die Zustimmung doch fast ein wenig zu schnell kam.

      »Ja, wenn Ihr gar nichts zu bezahlen braucht,« rief Peters »und frei hinübergeschafft werdet, was wollt Ihr denn noch mehr? Wenn ich nur könnte wie ich wollte, meiner Seel, ich ginge heutigen Tages mit, denn die Schinderei hier soll der Böse holen. Aber ich bin schon zu alt, – arbeiten wird mir schwer und mein Rückgrat will nicht mehr so recht mit fort.«

      »Aber

Скачать книгу