Ein Parcerie-Vertrag. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein Parcerie-Vertrag - Gerstäcker Friedrich страница 8
»Nun, ich danke Ihnen auch schön, Herr Doctor, für Ihre Freundlichkeit,« sagte Behrens, »ich will mir gewiß merken was Sie gesagt haben, und mit dem Herrn das ausmachen.«
»Thut das,« sagte der Doctor, »aber laßt Euch auch nicht wieder breit schwatzen, – solche Contracte könnt Ihr alle Tage machen,« und damit nahm er seinen Hut und verließ das Zimmer, während Andres, der bei der ganzen Unterredung kein Wort gesprochen und nur immer, wenn der Doctor, sein Herr, etwas sagte, zustimmend mit dem Kopf genickt hatte, seinen Landsmann beim Ärmel ergriff und mit ihm langsam die Treppe hinunter und wieder auf den Hof ging.
»Siehst Du,« flüsterte er ihm dabei zu, »das ist ein Herr der Haare auf den Zähnen hat, und der verstehts. Was der sagt hat Hand und Fuß, und man kann schnurstraks darauf hingehen. Das sind faule Fische mit dem Papier; da darfst Du Dich nicht darauf einlassen.«
»Weißt Du was, Andres,« nickte da Behrens, der nachdenkend, sein Kinn mit der rechten Hand streichend, im Hof stehen geblieben war und vor sich niedergesehen hatte, »Du hast doch Alles mit angehört was der Herr Doctor gesagt, und kannst es mir bezeugen, und nun komm einmal mit zu dem Herrn der die Schrift besorgt, und dann wollen wir mit ihm sprechen, und ihm die Sache auseinandersetzen, daß es so nicht geht. Wie?«
»Meinetwegen,« sagte Andres, »ich geh' auch mit. Zwei sind immer besser als Einer, denn was der Eine nicht weiß, das fällt dem Anderen ein. Also komm, Gottlieb, dem wollen wir die Sache gleich besorgen.«
Und die beiden Freunde gingen langsam die Straße hinunter und dem Hause zu, in welchem der besagte Herr wohnte.
Da hörten sie rechts von sich in einer engen Seitengasse lautes Jubeln und Singen, und als sie erstaunt stehen blieben, um dem ungewohnten Geräusch zu horchen, sahen sie einen kleinen Trupp Menschen den engen Weg herunter kommen, die auf das Wunderlichste aufgeputzt gingen.
Es waren etwa zehn oder zwölf junge Burschen; von vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahren, Bauernsöhne wahrscheinlich ihrem ganzen Aussehen nach, die, von irgend einem Gelage kommend, mit gerötheten Gesichtern und fröhlich und keck blitzenden Augen Arm in Arm durch die Straßen wanderten. Sie trugen auch noch ihre heimischen Bauerntrachten, kurze Jacken und lederne Hosen, aber dazu aufgekrämpte Hüte mit künstlich gemachten ordinären Blumen daran, mit Glasperlen und unächtem Schmuck, und auf den Schultern einläufige Pirschbüchsen oder Doppelflinten, und Hirschfänger an den Seiten, als ob sie zu irgend einem Freicorps gehörten und augenblicklich in den Krieg ziehen wollten. Dazu sangen sie – mit oder ohne Harmonie, was kam darauf an, – ein wildes, jubelndes Lied, und neugieriges Volk hatte sich ihnen von allen Seiten angeschlossen, so daß die Menschenmenge die ganze Straße füllte.
Behrens und Andres blieben stehen um sie vorbei zu lassen, und als sie näher kamen, konnten sie auch Beide die Worte des Liedes unterscheiden, die ihnen bald keinen Zweifel mehr ließen, wen sie vor sich hätten.
»Halli, Hallo! Brasilien ist nicht weit von hier,
Halli, Hallo! Brasilien ist nicht weit.«
klang der Refrain, und bald darauf setzte wieder eine tiefe Baßstimme in Solo ein:
»Ade, ade, mein liebes Vaterland,
Ade, ade, nun lebe ewig wohl!
Was fragen wir nach Gut und Geld,
Wir wandern fröhlich in die Welt,
Brasi–lien ist unsre Seligkeit!
Halli, Hallo! Brasilien ist nicht weit von hier!
Halli, Hallo! Brasilien ist nicht weit!«
Es war ein ganz eigenes Gefühl das Behrens durchzuckte, als er die Worte hörte, die ihm wie aus der eigenen Seele heraustönten, und fast unwillkürlich rief er die ihm Nächsten an: »Heda, Kameraden, – wollt Ihr auch nach Brasilien?«
»Auch nach Brasilien? na, versteht sich,« lachte einer der jungen Burschen zurück, indem der Schwarm Halt machte. »Gehst Du auch mit, Kamerad? Das ist Recht. Halli, Hallo! Brasilien ist nicht weit von hier!«
»Na,« seufzte Behrens, »weit ist's doch wohl, aber was kann's helfen; die Reise nimmt ja auch einmal ein Ende.«
»Da hast Du Recht, alter Junge!« jubelte Einer der Burschen, »und nachher leben wir, wie der liebe Gott in Frankreich. Mit welchem Schiff gehst Du?«
»Ja, ich weiß noch nicht,« sagte Behrens, über die vertrauliche Anrede des jungen Volks weniger erstaunt, als über die bestimmte Voraussetzung seiner Reise, denn des Doctors abmahnende Worte hatten ihn doch wieder ganz schwankend gemacht.
»Und von welchem Hafen aus?«
»Doch wohl von Antwerpen, wie der Ort heißt.«
»Hurrah, ein Reisegefährte!« jubelte die Schaar. »Komm her, daß wir Eins zusammen trinken. Nun hat die elende Schinderei daheim ein Ende, und wir kommen ins Paradies.«
»Ins Paradies?« Das stimmte freilich nicht mit dem, was Behrens von dem Doctor gehört, aber er konnte auch nicht der fröhlichen Einladung folgen, denn geschenkt mochte er nichts nehmen, und Geld zum Vertrinken hatte er noch nie im Leben gehabt.
»Ich kann nicht,« sagte er deshalb freundlich, »ich muß erst noch meinen Contract in Richtigkeit bringen, daß ich mit komme; aber wohin geht Ihr?«
»In den Löwen; so komme nachher hin, daß wir den Abend beieinander sind! Hurrah, Brasilien soll leben!«
Und mit dem Halli, Hallo! des neu beginnenden Liedes setzte sich die Schaar wieder in Bewegung und marschirte die Straße hinab, dem ihrem neuen Reisegefährten bezeichneten Wirthshaus zu.
Behrens blieb mit seinem Begleiter, als ihn die Schaar verlassen hatte, noch eine ganze Weile wie betäubt auf der Straße stehen, denn wie ein Traum, wie ein Gruß aus der fernen, fabelhaften Welt, die er bis jetzt nur in seinen Träumen gesehen, kam ihm das Ganze vor. Ein Paradies! – und er selbst war im Begriff, dorthin aufzubrechen, – aber wer hatte nun Recht? Das junge, jubelnde Volk, vor dem das Leben noch offen lag und ihm nur seine bunten Bilder zeigte, oder der alte mürrische Herr, der voll Mißtrauen hinausblickte? Behrens wußte es nicht, und nur unwillkürlich legte er seine Hand wieder in Andres Arm und schritt mit ihm die Straße hinunter, dem Hause des Auswanderungsagenten zu.
Drittes Capitel.
Herrn Kollboeker's Comptoir
Sie brauchten nicht so lange mehr zu gehen, als sie das Haus, oder vielmehr das »Comptoir« des Agenten vor sich sahen, denn er selber wohnte draußen in einer kleinen Spelunke der Vorstadt, und hatte sich nur im »Geschäftstheil« der Residenz ein Local gemiethet, um inmitten des Verkehrs zu