Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич
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»Und wieder wirst du, Vater, dem Michael ein Balsam sein,« sagte Skrzetuski.
»Wie ich es auch dir gewesen bin – denkst du noch? Wenn ich ihn nur bald fände, denn ich fürchte, daß er sich irgendwo in der Wüstenei oder in der fernen Steppe, an die er von Jugend auf gewöhnt ist, versteckt. Ihr, Herr Kmiziz, habt mich wegen meines Alters verspottet: ich sage Euch, wenn je ein Sendbote einen Brief so schnell fortgebracht hat, wie ich jetzt fortkommen werde, so heißt mich, wenn ich wiederkehre, Charpie zupfen, Erbsen lesen, oder gebt mir die Spindel. Mich sollen weder Unbequemlichkeiten hindern, noch soll mich fremde Gastfreundschaft in Versuchung führen, oder Essen und Trinken in meiner Eile hemmen. Solch einen Flug habt Ihr noch nicht gesehen; ich halte es auch nicht aus, hier zu sitzen, gerade als wenn jemand unter der Bank steckte und mich forttriebe. Ich habe auch schon befohlen, mein Reisehemd mit Ziegentalg einzuschmieren, um die Insekten davon abzuhalten.«
Herr Sagloba reiste doch nicht so schnell, wie er es sich und den Freunden versprochen hatte. Je mehr er sich Warschau näherte, desto langsamer kam er vorwärts. Es war die Zeit, in welcher König Johann Kasimir, der große Politiker und Heerführer, nachdem er die Feuerbrände außerhalb gelöscht und die Republik gleichsam aus der Sturmflut gerettet hatte, auf die Regierung verzichtete. Alles hatte er in Geduld getragen, alles überstanden, all den Streichen hatte er kühn die Brust entgegengestellt, welche von dem auswärtigen Feinde kamen; als er aber dann innere Reformen anstrebte und statt der erwarteten Hilfe von der Nation nichts als Widerstand und Undank erfuhr, da nahm er freiwillig von dem geheiligten Haupte die Krone, die ihm eine unerträgliche Last geworden war.
Die Kreistage und die Generalversammlungen hatten bereits stattgefunden, und der Fürst-Primas Praschmowski hatte den Wahlreichstag auf den 5. November angesetzt.
Groß waren die Anstrengungen der verschiedenen Kandidaten, groß der Wettstreit der mannigfachen Parteien, und obgleich erst die Königswahl die Entscheidung bringen sollte, begriff doch jeder die außerordentliche Wichtigkeit des Wahlreichstages. Und so zogen die Sendboten nach Warschau zu Wagen und zu Pferde mit Gesinde und Knechten, so zogen die Senatoren mit prächtigem Gefolge. Auf den Wegen war es eng, die Wirtshäuser besetzt, und die Auffindung eines Nachtquartiers war mit Mühe und Zeitverlust verbunden. Zwar räumte man Herrn Sagloba mit Rücksicht auf sein Alter leicht einen Platz ein, aber sein außerordentlicher Ruf brachte häufig wiederum einen Verlust an Zeit mit sich. Es kam wohl vor, daß er an einem Gasthof vorfuhr, in dem die Menschen wie die Heringe zusammengepfercht waren. Da kam die Herrschaft, die es samt dem Gefolge bewohnte, aus Neugier heraus, um zu sehen, wer vorgefahren sei, und wenn sie den Greis mit weißem Bart und Haupthaar erblickten, sagten sie beim Anblick solcher Würde:
»Wir bitten den Herrn, mit uns aufs Zimmer zu kommen und einen Imbiß zu nehmen.«
Herr Sagloba war kein Grobian und sagte nicht Nein, denn er wußte, daß die Bekanntschaft mit ihm jedem angenehm sein würde. Wenn also der Wirt, nachdem er ihn über die Schwelle geführt, sagte: »Wen habe ich die Ehre …« – so stemmte er die Hände in die Seiten und sagte, der Wirkung seiner Worte sicher, nur: »Sagloba sum. Ich bin Sagloba.«
Und es kam kaum vor, daß diesen Worten nicht eine große Freude folgte, ein Schwenken der Arme: Diesen Tag zähle ich zu den glücklichsten meines Lebens, und ein lautes Rufen der Genossen oder der Hofleute: »Schaut her, das ist die Zierde, gloria et decus der gesamten Ritterschaft der Republik«, und alles lief herbei, um Herrn Sagloba zu bewundern, und die Jüngeren kamen und küßten die Schöße seines Reisemantels. Und dann schleppte man von den Wagen die Tönnchen und die Anker herbei, und dann folgte ein Festgelage, das bisweilen tagelang dauerte.
Allenthalben glaubte man, er reise als Abgesandter zum Reichstag, und als er sagte, daß dies nicht der Fall sei, war das Erstaunen ein allgemeines. Aber er erklärte dann, er habe sein Mandat an Herrn Domaschewski abgetreten, damit auch die Jüngeren an den öffentlichen Angelegenheiten teilnähmen. Manchen sagte er auch die wahre Ursache seiner Reise, andere wiederum fertigte er, wenn sie ihn fragten, mit den Worten ab:
»Seht, von Kindheit auf bin ich den Krieg gewohnt, und so wollte ich auf meine alten Tage mit dem Doroschenko einen Gang machen.«
Nach solchen Worten bewunderte man ihn noch mehr. Er wurde auch für niemand minder teuer darum, weil er nicht als Abgesandter reiste, denn man wußte, daß unter den Neutralen sich Männer befanden, die mehr vermochten als die Landboten selber. Überdies gedachte jeder Senator, auch der hervorragendste, dessen, daß in wenigen Monaten die Wahl stattfinde, und daß dann jedes Wort eines Mannes, der einen solchen Ruf in der Ritterschaft habe, ein unschätzbares Gewicht haben würde.
Und man umarmte Herrn Sagloba und zog den Hut vor ihm, hoch und niedrig. Herr Podlaski bewirtete ihn drei Tage, die Herren Paz, die er in Kaluschin traf, trugen ihn auf den Händen.
Mancher ließ ihm auch im geheimen bedeutende Geschenke in seinen Korbwagen hineinlegen, Schnaps, Wein, ja auch kostbar beschlagene Kästchen, Säbel und Pistolen. Auch die Dienerschaft Saglobas hatte es dadurch gut, aber er selbst reiste gegen den eigenen Entschluß und gegen sein Versprechen so langsam, daß er erst in der dritten Woche in Minsk eintraf.
Dafür aber hielt er in Minsk nicht Rast. Als er auf den Markt kam, sah er ein so großes und schönes Schloß, wie er es nirgends unterwegs getroffen hatte. Die Hofleute in prächtigen Gewändern, ein halbes Regiment zwar nur zu Fuß, denn zum Wahlreichstag durfte man nicht bewaffnet kommen, aber so schmuck, daß auch der König von Schweden keine schmuckere Garde haben konnte. Eine Menge vergoldeter Wagen mit Matten und Decken, um die Gasthäuser unterwegs zu belegen, Wagen mit Speiseschränken und Mundvorräten, zudem eine fast ganz ausländische Dienerschaft, so daß kaum einer im ganzen Haufen eine verständliche Sprache sprach.
Endlich bemerkte Sagloba unter der Dienerschaft einen polnisch Gekleideten. Er ließ also Halt machen und steckte schon, einer guten Rast sicher, einen Fuß aus seinem Korbwagen und sagte:
»Wem gehört das schöne Herrenhaus, wie es auch der König nicht schöner haben kann?«
»Wem kann es gehören,« antwortete der Diener, »wenn nicht unserem Herrn, dem Fürst-Stallmeister von Litauen.«
»Wem?« wiederholte Sagloba.
»Seid Ihr taub? Dem Fürsten Boguslaw Radziwill, der zum Reichstag fährt und, so Gott will, nach der Wahl gewählt sein wird.«
Sagloba zog schnell den Fuß in den Wagen zurück.
»Weiter!« schrie er dem Kutscher zu, »hier haben wir nichts zu suchen.«
Und er reiste weiter, am ganzen Körper vor Entrüstung bebend.
»Großer Gott!« sprach er, »unerforschlich sind deine Wege, und wenn du diesem Verräter nicht mit einem Blick den Nacken spaltest, so hast du gewiß verborgene Absichten damit, die der Verstand nicht fassen kann, obgleich, die Dinge menschlich betrachtet, einem solchen aufgeblähten Fant eine gehörige Strafe ziemt. Aber es steht schlecht in dieser herrlichen Republik, wenn solche Schächer ohne Ehre und Gewissen nicht bloß ungestraft umherlaufen, sondern auch in Sicherheit und voller Macht umherreisen – bah, sogar hohe Ämter bekleiden. O gewiß, wir gehen zugrunde, denn in welchem Lande, in welchem anderen Staate könnten solche Dinge geschehen! Er war ein guter König, der Johann Kasimir, aber er verzieh zu viel und gewöhnte die Bösen daran, auf Straflosigkeit und Sicherheit zu pochen; aber es ist nicht allein seine Schuld; auch in der Nation ist das bürgerliche Gewissen und das Gefühl für Tugend ganz und gar verschwunden. Pfui, pfui! – er ein Reichsbote! In seine nichtswürdigen Hände legen die Bürger die Unversehrtheit und die Sicherheit des Vaterlandes, in dieselben Hände, mit welchen er es zerrissen und