Briefe an Ludwig Tieck 4. Various

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Briefe an Ludwig Tieck 4 - Various

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DeinSteffens.

      XVII

Berlin, den 3. Julii 33.Lieber Tieck!

      Auf Deinen freundlichen Brief, der mir viele Freude gemacht hat, muß ich Dich doch, wenn auch nur mit einige Zeilen antworten. Das Fest war mir höchst angenehm und ich habe mir allerdings aus Gründen, die Du gewiß nicht verkennen wirst, angebothen Deine Gesundheit auszubringen. Da die Versammlung sehr zahlreich und ausgezeichnet war und eine größere Anzahl durch den beschränkten Raum ausgeschlossen, sich gemeldet hatte, so hast Du hier in Deiner Geburtsstadt eine laut ausgesprochene Anerkennung erhalten, die Dir nicht unangenehm seyn kann und da es darauf ankam diese zu veranlassen; so kann es Dir gleichgültig seyn, wenn wir uns ein wenig prostituirten.

      Du wünscht den Inhalt meiner kleinen Rede zu erfahren. Was ich wollte war folgendes: Ich wünschte auf den großen und ausgebreiteten Wirkungskreis eines bedeutenden Dichterlebens aufmerksam zu machen. So wollte ich die Belebung der Mährchenwelt erwähnen, und wie, aus einen wahren Naturgrund, durch diese, die Mythenwelt in einem jeden Gemüth wieder hervorrücke, nicht blos als ein abgetrocknetes Exemplar der geschichtsforschenden Herbarien, vielmehr lebendig und productiv, wie sie die hohle Lüge der Erziehung, wenn auch nicht ganz überwand, doch verdrängte – wie sie die alte Mythenwelt verständlich machte, der Geschichte der deutschen Poesie Bedeutung gab, einen neuen Zweig der Gelehrsamkeit, kaum dürftig angefangen, in allen Richtungen belebte und ausbreitete, in die Forschungen der frühern Geschichte der Deutschen eingriff und so, was durch Dich angeregt war, eine ausgedehnte geschichtliche Bedeutung gab. Die Menge der Schauspieler und Schauspielerinnen, die zugegen waren, was mir freilich in einer Rücksicht erfreulich war, verhinderte mich auf eine entschiedene Weise zu erwähnen, wie Dein Lehnsessel das einzige übriggebliebene Theater in Deutschland wäre, welches bereichert durch Goethe – Calderon – Shakspeare – Holberg – an die schöne verschwundene Zeit erinnerte. Ich nannte ihm aber nur Deine Kritik und Deinen Shakspeare und nun noch Manches – Wie Deine Novellen, was uns ängstigt und quält und in Verzerrungen mancherley Art krankhaft ausartet in der heitern Mitte der Dichtung ausgleichen wie Dein Prosa – aus dem Metrum erzeugt – den klaren Rythmus durchscheinen läßt, der reine Erguß, das „apte dicere“ das einfachste und klarste, als das höchste festhält und alle Manier verbannend, wohl erzeugend wirkt auf jeden Empfänglichen, aber nie nachgeahmt werden kann, wie Deine Person, mächtig, wie Deine Schriften, durch die Gastfreiheit und den freundlichen Zutritt, die Du der Jugend verstattest, in weiten Kreisen thätig war, wie keiner in Deiner Nähe traht, der nicht durch Dich erregt, befruchtet, Dich wieder verließ, wie viele Deiner Ideen, wissentlich und ohne Wissen, gut oder schlecht, immer merkwürdig und reich, wenn auch nie das was gewesen wären, wenn Du sie ausgesprochen hättest – seit so vielen Jahren, in so vielen Schriften – in weiten Kreisen ausgebreitet sind, und selbst in den geselligen eingedrungen auf den Ton der geistigen Unterhaltung einen bedeutenden Einfluß gehabt haben. Ich habe dieses Alles gesagt – und mehr – aber meine Rede taugte nicht. Ich muß freilich frey sprechen, wenn ich erträglich sprechen soll. – Aber der Gegenstand muß mich ganz durchdringen – in bestimmten Umrissen, in sicherer Gestaltung mir vorschweben. So aber war Allerlei vorangegangen – Du hast das Zeug von den eingesalzenen Heering gelesen – denn es ist gedruckt und als nun die Bühnenhelden und Grazien diesseits und jenseits der Spree die Romanze und ihre hingehauchte Begleitung mit plumpen Zungen zertrampelten, trat ich völlig zerstreut auf – und sagte zwar Alles, aber nicht so, daß das früher Gedachte ein neues Leben erhielt, wie ich es sonst wohl vermag, vielmehr mit großer Anstrengung, als eine dunkle Erinnerung. —6

      Nur noch dieses. Was ich jetzt that würde ich, zu jeder frühern Zeit grade so und unter günstigern Umständen, viel besser gethan haben. Ich bin – was man so nennt – böse gewesen – weil ich unzufrieden war, weil Du mich entschieden mißverstanden hast und weil Dein erstes öffentliches Wort über mich – eben dieses Mißverstandene laut werden ließ und die ganze Heerde der Gemeinheit nun sich mit Dir verbunden glaubte. – Ich sprach das, wie ich pflege, heftig und wenn Du willst, übertrieben aus. – Aber nicht bloß solche Sachen, die für heute und morgen sind, gelten mir nichts, auch was man Literatur nennt, und wir leider wohl auch so nennen müssen – gilt mir in Innersten nichts – wo die Geschichte, der Geist, die unsterbliche Persönlichkeit allein das Recht haben zu reden. Hast Du, weil ich einmahl die Sprache einer Gemeinde führte, ein andermal ein Confession schrieb, weil mir die Religion – eben Religion ist – alles – oder nichts, geglaubt daß diese nach allen Richtungen reinigende, keine ausschließende Persönlichkeit in mir nach einer dummen Ecke hingeschleppt sey, und da so zusammengepreßt, daß ihr der Geist aus der Brust entschlüpfte – so kann ich das nur bedauern, aber es kann nichts ändern in meiner Ansicht von Deiner Person, denn eben, daß ich das Unveränderliche in Dir erkannte hat mich an Dich gefesselt.

      Es ist glaube ich gut – daß dieses ausgesprochen ist – ehe wir uns sehen. Es hat mich innig gerührt, daß Du den scheinbaren Zwiespalt so ernsthaft genommen hast – Dein Zorn war doch Liebe und ich muß Dir doch wichtiger seyn, als Deine öffentliche Aeußerungen errathen lassen. – Verständigen werden wir uns gewiß und mit Gottes Hülfe sehen wir uns im Herbst.

      Grüß Deine Frau, Dorothea und Agnes und die Gräfin Henriette von mir und meine Frau und Tochter.

Dein treuerSteffens.

      XVIII

Berlin, d. 16. Octbr. 33.

      Es ist grob, lieber T.! daß ich einen ganzen Monath in Deinem Hause zugebracht, dort so vieles Gute genossen, eine mir auf immer unvergeßliche Zeit, die ich tagtäglich rühmend und preisend gegen alle Welt hervorhebe und in der ich noch lebe und schwelge – und noch keinen Brief schrieb, was ich Allen sage, dem nicht mittheile, der es zuerst erfahren sollte.

      Und doch scheint es mir fast natürlich – Denn in diesen vierzehn Tagen war ich noch immer in Dresden, vermochte es nicht mich hier heimisch zu fühlen – und betrachtete mich fortdauernd als Deinen Gast.

      Jetzt zerren Senats- und Facultätssitzung, Rectorats-Wechsel und Mahnbriefe von Max so mächtig an mich, daß wohl inne werden muß, wie ich wirklich in Berlin lebe. Am ärgsten ist das Harren auf Zuhörer, die sich freilich noch nicht melden können, das unangenehme Gefühl – es quälte mich immer – seine innerste Lage alle Halbejahr von Neuem in Frage gestellt zu sehen.

      So bin ich nun wirklich zu Hause gekommen, habe in der That aufgehört Dein Gast zu seyn und eile Dir zu sagen, wie lieb und theuer die Zeit mir war, die ich nach so langer Zeit in Deiner Nähe zubrachte. – Es ist Dir, lieber Fr.! gelungen, in einer Stadt, die am wenigsten dazu geeignet schien, einen Kreis zu bilden, der lebendiger, umfassender, wie er seyn soll, beweglicher, als irgend ein anderer ist. Hier ist nichts dergleichen. Das stille Gespräch in Deiner einsamen Stube, ist ein wirksames Privatissimum und gewiß lehrreicher, als die Kette der Vorträge. Es ist nicht die Religion allein, die jene gefährliche, ausschließende Richtung erzeugt, die wir gemeinschaftlich bekämpfen. – Hier in Berlin sehe ich es nur zu deutlich, wie eine jede Wissenschaft einen fanatischen Kern trägt, einen Wurm, der sie selbst verzehrt, indem sie die wahre Wissenschaft, die alle versteht und ehrt und fördert, ausschließt. Eine wirklich geistreiche Geselligkeit – man scheut sich selbst diese Benennung der höchsten irdischen Güter zu brauchen – so abgenuzt ist auch sie – würde mehr als Alles die engherzige, geistlose, vereinzelnde Einseitigkeit, die neben der leeren Universalität einherschreitet, verdrängen. – Ich habe Dieses recht lebhaft in Deinem Hause gefühlt, wo ich doch einmahl, wie in heiterer Luft, recht frisch aufathmen konnte.

      Wird Deine Novelle bald fertig – des Dichters Sterben meine ich – Ich sehne mich unbeschreiblich nach diesem Genuß – Sie verspricht so viel, sie ist so durchaus im tiefsten Sinne wahr.

      Ich bitte Dich mir Alle Deine Hausgenossen recht herzlich zu grüßen – die Comtesse Henriette, die mich so freundlich aufnahm und deren

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<p>6</p>

Wir meinen diese ungerechten Aeußerungen über unser Berliner Tieckfest eben auch mittheilen zu sollen. Sie entsprangen ganz einfach daraus, daß Steffens, der sonst so hinreißend zu sprechen verstand, an jenem Abende nicht gut disponirt war, und mit seiner Rede weniger Wirkung erzielte, als andere Sprecher vor und nach ihm, mit den ihrigen machten. (Siehe den Bericht über denselben Gegenstand im Briefe I. von Holtei.) Vielleicht auch rührte die Mattigkeit der Steffens’schen Ansprache daher, daß er lange mit Tieck gegrollt, wegen dessen nicht eben schonender Beurtheilung seiner Romane? und daß die Verstimmung, ihm unbewußt, nachwirkte?