Der Zauberberg. Volume 1. Томас Манн
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Frühstuck
«Tag», sagte Joachim. «Das war ja nun deine erste Nacht hier oben. Bist zu zufrieden?»
Er war fertig zum Ausgehen, sportlich gekleidet, in kräftig gearbeiteten Stiefeln, und trug über dem Arm seinen Ulster, in dessen Seitentasche sich die flache Flasche abzeichnete. Einen Mut hatte er heute nicht.
"Danke", erwiderte Hans Castorp, "es geht. Ich will weiter nicht urteilen. Etwas konfus geträumt habe ich, und dann hat das Haus ja den Nachteil, daß es sehr hellhörig ist, das ist etwas lästig. Wer ist denn die Schwarze da draußen im Garten?"
Joachim wußte sogleich, wer gemeint war.
"Ach, das ist 'Tousles-deux'", sagte er. "So wird sie allgemein genannt hier von uns, denn das ist das einzige, was man von ihr zu hören bekommt. Mexikanerin, weißt du, kann kein Wort deutsch und auch französisch fast gar nicht, nur ein paar Brocken. Sie ist seit fünf Wochen hier bei ihrem ältesten Sohn, einem vollständig hoffnungslosen Fall, der jetzt ziemlich rasch eingehen wird, – er hat es schon überall, durch und durch ver-giftet ist er, kann man wohl sagen, das sieht dann zuletzt unge-fähr wie Typhus aus, sagt Behrens, – scheußlich für alle Beteilig-ten jedenfalls. Vor vierzehn Tagen kam nun der zweite Sohn herauf, weil er den Bruder noch sehen wollte – , bildhübscher Kerl übrigens, wie auch der andere, – beide sind bildhübsche Kerle, so glutäugig, die Damen waren ganz aus dem Häuschen.
Na, der jüngere hatte unten ja wohl schon ein bißchen gehustet, war aber sonst ganz munter gewesen. Und kaum ist er hier, was meinst du, kriegt er Temperatur, – aber gleich 39,5, höchstes Fieber, verstehst du, legt sich ins Bett, und wenn er noch auf-kommt, sagt Behrens, dann hat er mehr Glück als Verstand. Je-denfalls sei es die höchste Zeit gewesen, sagt er, daß er herauf-kam … Ja, und seitdem geht die Mutter nun so herum, wenn sie nicht bei ihnen sitzt, und wenn man sie anspricht, sagt sie immer nur 'Tous les deux!', denn mehr kann sie nicht sagen, und hier ist im Augenblick niemand, der spanisch versteht."
"So ist es also mit der", sagte Hans Castorp. "Ob sie es wohl auch zu mir sagen wird, wenn ich sie kennenlerne? Das wäre doch sonderbar, – ich meine, es wäre komisch und unheimlich zu gleicher Zeit", sagte er, und seine Augen waren wie gestern: sie schienen ihm heiß und schwer, als habe er lange geweint, und jenen Glanz hatten sie wieder, den der neuartige Husten des Herrenreiters darin entzündet. Überhaupt kam es ihm vor, als habe er jetzt erst den Anschluß ans Gestrige gefunden, als sei er gleichsam wieder im Bilde, was nach seinem Erwachen zu-nächst so recht nicht der Fall gewesen war. Er sei übrigens fer-tig, erklärte er, indem er etwas Lavendelwasser auf sein Ta-schentuch träufelte und sich die Stirn und die Gegend unter den Augen damit betupfte. "Wenn es dir recht ist, können wir tous les deux zum Frühstück gehen", scherzte er mit einem Gefühl von ausschweifendem Übermut, worauf Joachim ihn sanft an-blickte und eigentümlich dazu lächelte, melancholisch und etwas spöttisch, wie es schien, – warum, das war seine Sache.
Nachdem Hans Castorp sich überzeugt, daß er zu rauchen bei sich habe, nahm er Stock, Mantel und Hut, auch diesen, trotzi-gerweise, denn er war seiner Lebensform und Gesittung allzu gewiß, um sich so leicht und auf bloße drei Wochen fremden und neuen Gebräuchen zu fügen – und so gingen sie denn, gin-gen die Treppen hinab, und auf den Korridoren wies Joachim auf diese und jene Tür und nannte die Namen der Inwohner, deutsche Namen und solche von allerlei fremdem Klang, indem er kurze Anmerkungen über ihren Charakter und die Schwere ihres Falles hinzufügte.
Sie begegneten auch Personen, die schon vom Frühstück zu-rückkehrten, und wenn Joachim jemandem Guten Morgen sagte, lüftete Hans Castorp höflich den Hut. Er war gespannt und nervös wie ein junger Mensch, der im Begriffe ist, sich vielen fremden Leuten zu präsentieren und der dabei von dem deutli-chen Gefühl geplagt ist, trübe Augen und ein rotes Gesicht zu Ilaben, was übrigens nur teilweise zutraf, denn er war vielmehr blaß.
"Ehe ich es vergesse!" sagte er plötzlich mit einem gewissen Minden Eifer. "Du kannst mich gern der Dame im Garten vor-stellen, wenn es sich gerade so macht, dagegen habe ich nichts. Sie soll nur immerhin 'tous les deux' zu mir sagen, das macht mir gar nichts, ich bin ja vorbereitet und verstehe den Sinn und werde schon das richtige Gesicht dazu machen. Aber mit dem russischen Ehepaar wünsche ich nicht bekanntzuwerden, hörst du? Das will ich ausdrücklich nicht. Es sind überaus unmanierli-che Leute, und wenn ich schon drei Wochen lang neben ihnen wohnen soll und es nicht anders einzurichten war, so will ich sie doch nicht kennen, das ist mein gutes Recht, daß ich mir das mit aller Bestimmtheit verbitte …"
"Schön", sagte Joachim. "Haben sie dich denn so gestört? Ja, es sind gewissermaßen Barbaren, unzivilisiert mit einem Wort, ich hab' es dir ja im voraus gesagt. Er kommt immer in einer Lederjoppe zum Essen, – abgeschabt, sage ich dir, mich wundert immer, daß Behrens nicht dagegen einschreitet. Und sie ist auch nicht die Properste, trotz ihrem Federhut … Übrigens kannst du ganz unbesorgt sein, sie sitzen weit von uns fort, am Schlechten Russentisch, denn es gibt einen Guten Russentisch, wo nur feinere Russen sitzen – , und es gibt kaum eine Mög-lichkeit, daß du mit ihnen zusammentriffst, selbst wenn du wolltest. Es ist überhaupt nicht leicht, Bekanntschaften zu machen, schon weil so viele Ausländer unter den Gästen sind, und ich selbst kenne persönlich nur wenige, so lange ich hier bin."
"Wer ist denn krank von den beiden?" fragte Hans Castorp. – Er oder sie?"
"Er, glaube ich. Ja, nur er", sagte Joachim merklich zerstreut, während sie an den Garderobeständern vorm Speisesaal ableg-ten. Und dann traten sie ein in den hellen, flachgewölbten Raum, wo Stimmen schwirrten, Gerät klapperte und die Saal-töchter mit dampfenden Kannen umhereilten.
Sieben Tische standen im Speisesaal, die meisten in Längs-richtung, nur zwei in die Quere. Es waren größere Tafeln; für lehn Personen jede, wenn auch die Gedecke nicht überall vollzählig waren. Nur ein paar Schritte schräg in den Saal hinein, und Hans Castorp war schon an seinem Platz; er war ihm an der Schmalseite des Tisches bereitet, der mitten vorn stand, zwi-schen den beiden querstehenden. Aufrecht hinter seinem Stuh-le, verbeugte Hans Castorp sich steif und freundlich gegen die Tischgenossen, mit denen Joachim ihn zeremoniell bekannt machte, und die er kaum sah, geschweige daß ihm ihre Namen ins Bewußtsein gedrungen wären. Einzig Frau Stöhrs Person und Namen faßte er auf, und daß sie ein rotes Gesicht und fetti-ge aschblonde Haare hatte. Man konnte ihr die Bildungsschnit-zer wohl zutrauen, so störrisch unwissend war ihr Gesichtsaus-druck. Dann setzte er sich und nahm beifällig wahr, daß man das erste Frühstück hier als eine ernste Mahlzeit behandelte.
Es gab da Töpfe mit Marmeladen und Honig. Schüsseln mit Milchreis und Haferbrei, Platten mit Rührei und kaltem Fleisch; Butter war freigebig aufgestellt, jemand lüftete die Glasglocke über einem tränenden Schweizer Käse, um davon abzuschnei-den, und eine Schale mit frischem und trockenem