Der Zauberberg. Volume 1. Томас Манн

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Zauberberg. Volume 1 - Томас Манн страница 17

Der Zauberberg. Volume 1 - Томас Манн

Скачать книгу

ein Kind, mit einem alten, langen Gesicht, – eine Zwergin, wie er mit Schrecken er-kannte. Er sah seinen Vetter an, aber da dieser nur gleichmütig mit Schultern und Brauen zuckte, als wollte er sagen: "Ja, nun, was weiter?", so fügte er sich in die Tatsachen, bat mit besonde-rer Höflichkeit um Tee, da es eine Zwergin war, die ihn fragte, und begann Milchreis mit Zimt und Zucker zu essen, während seine Augen über die anderen Speisen hingingen, von denen zu kosten ihn verlangte, und über die Gästeschaft an den sieben Ti-schen, Joachims Kollegen und Schicksalsgenossen, die alle in-nerlich krank waren und schwatzend frühstückten.

      Der Saal war in jenem neuzeitlichen Geschmack gehalten, welcher der sachlichsten Einfachheit einen gewissen phantastischen Einschlag zu geben weiß. Er war nicht sehr tief im Ver-hältnis zu seiner Länge und von einer Art Wandelgang umlau-fen, in dem Anrichten standen und der sich in großen Bögen gegen den Innenraum mit den Tischen öffnete. Die Pfeiler, bis zu halber Höhe mit Holz in Sandelpolitur bekleidet, dann glatt beweißt, wie der obere Teil der Wände und die Decke, wiesen buntfarbige Bandstreifen auf, einfältige und lustige Schablonen, die sich an den weitgespannten Gurten des flachen Gewölbes fortsetzten. Mehrere Kronleuchter, elektrisch, aus blankem Messing, schmückten den Saal, bestehend aus je drei übereinan-der gelagerten Reifen, welche mit zierlichem Flechtwerk ver-bunden waren und an deren unterstem wie kleine Monde Milchglasglocken im Kreise gingen. Es waren vier Glastüren da, an der entgegengesetzten Breitseite zwei, die hinaus auf eine vorgelagerte Veranda gingen, eine dritte vorn links, die gerade-wegs in die vordere Halle führte, und dann jene, durch die Hans Castorp von einem Flur aus eingetreten war, da Joachim ihn eine andere Treppe hinabgeführt hatte als gestern abend.

      Er hatte zur Rechten ein unansehnliches Wesen in Schwarz mit flaumigem Teint und matt erhitzten Backen, in der er etwas wie eine Nähterin oder Hausschneiderin sah, wohl auch weil sie ausschließlich Kaffee mit Buttersemmeln frühstückte und weil er die Vorstellung einer Hausschneiderin von jeher mit derjenigen von Kaffee und Buttersemmeln verbunden hatte. Zur Linken saß ihm ein englisches Fräulein, schon angejahrt gleichfalls, sehr häßlich, mit dürren, verfrorenen Fingern, die rundlich geschrie-bene Briefe aus der Heimat las und einen blutfarbenen Tee dazu trank. Neben ihr folgte Joachim und dann Frau Stöhr in einer schottischen Wollbluse. Die linke Hand hielt sie geballt in der Nähe ihrer Wange, während sie speiste, und bemühte sich sicht-lich, beim Sprechen eine feingebildete Miene zu machen, in-dem sie die Oberlippe von ihren schmalen und langen Hasen-zähnen zurückzog. Ein junger Mann mit dünnem Schnurrbart und einem Gesichtsausdruck, als habe er etwas Schlechtschmek-kendes im Munde, setzte sich neben sie und frühstückte voll-Mündig schweigend. Er kam herein, als Hans Castorp schon saß, senkte im Gehen und ohne jemanden anzublicken einmal zum Gruße das Kinn auf die Brust und nahm Platz, indem er es durch sein Verhalten rundweg ablehnte, sich mit dem neuen Gaste bekannt machen zu lassen. Vielleicht war er zu krank, um für solche Äußerlichkeiten noch Sinn und Achtung zu haben oder überhaupt an seiner Umgebung Interesse zu nehmen. Einen Augenblick saß ihm gegenüber ein außerordentlich mage-res, hellblondes junges Mädchen, das eine Flasche Yoghurt auf seinen Teller entleerte, die Milchspeise auflöffelte und sich un-verzüglich wieder entfernte.

      Die Unterhaltung am Tisch war nicht lebhaft. Joachim plauderte formell mit Frau Stöhr, er erkundigte sich nach ihrem Be-finden und vernahm mit korrektem Bedauern, daß es zu wün-schen übrig lasse. Sie klagte über "Schlaffheit". "Ich bin so schlaff!" sagte sie gedehnt und zierte sich auf ungebildete Wei-se. Auch habe sie beim Aufstehen schon 37,3 gehabt, und wie werde es da erst nachmittags sein. Die Hausschneiderin bekann-te sich zu derselben Körpertemperatur, erklärte aber, daß sie sich im Gegenteil aufgeregt fühle, innerlich gespannt und rastlos, als stände ihr etwas Besonderes und Entscheidendes bevor, was doch gar nicht der Fall sei, sondern es sei eine körperliche Erre-gung ohne seelische Ursachen. Sie war doch wohl keine Hausschneiderin, denn sie sprach sehr richtig und fast gelehrt. Übri-gens fand Hans Castorp diese Aufgeregtheit oder doch die Äu-ßerung davon irgendwie unangemessen, ja fast anstößig bei ei-nem so unscheinbaren und geringen Geschöpf Er fragte nach-einander die Nähterin und Frau Stöhr, wie lange sie schon hier oben seien (jene lebte seit fünf Monaten, diese seit sieben in der Anstalt), suchte hierauf sein Englisch zusammen, um von seiner Nachbarin zur Linken zu erfahren, was für einen Tee sie da trinke (es war Hagebuttentee) und ob er denn gut schmecke, was sie fast stürmisch bejahte, und sah dann in den Saal hinein, in dem man kam und ging: das erste Frühstück war keine streng gemeinsame Mahlzeit.

      Er hatte ein wenig Furcht vor schreckhaften Eindrücken gehabt, aber er fand sich enttäuscht: es ging ganz aufgeräumt zu hier im Saale, man hatte nicht das Gefühl, sich an einer Stätte des Jammers zu befinden. Gebräunte junge Leute beiderlei Ge-schlechts kamen trällernd herein, sprachen mit den Saaltöchtern und hieben mit robustem Appetit in das Frühstück ein. Auch reifere Personen waren da, Ehepaare, eine ganze Familie mit Kindern, die russisch sprach, auch halbwüchsige Jungen. Die Frauen trugen fast sämtlich eng anliegende Jacken aus Wolle oder Seide, sogenannte Sweater, weiß oder farbig, mit Fallkra-gen und Seitentaschen, und es sah hübsch aus, wenn sie, beide Hände in diese Seitentaschen vergraben, standen und plauder-ten. An mehreren Tischen wurden Photographien herumgezeigt, neue, selbst angefertigte Aufnahmen ohne Zweifel; an einem anderen tauschte man Briefmarken. Es wurde vom Wetter ge-sprochen, davon, wie man geschlafen und wieviel man morgens im Munde gemessen. Die meisten waren lustig, – ohne besonderen Grund wahrscheinlich, sondern nur, weil sie keine un-mittelbaren Sorgen hatten und zahlreich beisammen waren. Einzelne freilich saßen, den Kopf in die Hände gestützt, am Ti-sche und starrten vor sich hin. Man ließ sie starren und achtete nicht auf sie.

      Plötzlich zuckte Hans Castorp geärgert und beleidigt zusammen. Eine Tür war zugefallen, es war die Tür links vorn, die gleich in die Halle führte, – jemand hatte sie zufallen lassen oder gar hinter sich ins Schloß geworfen, und das war ein Ge-räusch, das Hans Castorp auf den Tod nicht leiden konnte, das er von jeher gehaßt hatte. Vielleicht beruhte dieser Haß auf Er-ziehung, vielleicht auf angeborener Idiosynkrasie, – genug, er verabscheute das Türwerfen und hätte jeden schlagen können, der es sich vor seinen Ohren zuschulden kommen ließ. In die-sem Fall war die Tür obendrein mit kleinen Glasscheiben ge-lullt, und das verstärkte den Chok: es war ein Schmettern und Klirren. Pfui, dachte Hans Castorp wütend, was ist denn das für eine verdammte Schlamperei! Da übrigens in demselben Au-genblick die Nähterin das Wort an ihn richtete, so hatte er keine Zeit, festzustellen, wer der Missetäter gewesen sei. Doch standen Falten zwischen seinen blonden Brauen, und sein Gesicht war peinlich verzerrt, während er der Nähterin antwortete.

      Joachim fragte, ob die Ärzte schon durchgekommen seien. Ja, zum erstenmal seien sie dagewesen, antwortete jemand, – sie hätten den Saal verlassen fast in dem Augenblick, als die Vettern gekommen seien. Dann wollten sie gehen und nicht warten, meinte Joachim. Eine Gelegenheit zur Vorstellung werde sich im Laufe des Tages ja finden. Aber an der Tür wären sie fast mit Hofrat Behrens zusammengestoßen, der, gefolgt von Dr. Kro-kowski, im Geschwindschritt hereinkam.

      "Hoppla, Achtung die Herren!" sagte Behrens. "Das hätte leicht schlecht ablaufen können für die beiderseitigen Hühneraugen." Er sprach stark niedersächsisch, breit und kauend. "So, das sind Sie", sagte er zu Hans Castorp, den Joachim mit zusam-mengezogenen Absätzen präsentierte; "na, freut mich." Und er gab dem jungen Mann seine Hand, die groß war wie eine Schaufel. Er war ein knochiger Mann, wohl drei Köpfe höher als Dr. Krokowski, schon ganz weiß auf dem Kopf, mit heraus-tretendem Genick, großen, vorquellenden und blutunterlaufe-nen blauen Augen, in denen Tränen schwammen, einer aufgeworfenen Nase und kurzgeschnittenem Schnurrbärtchen, das schief gezogen war, und zwar infolge einer einseitigen Schür-zung der Oberlippe. Was Joachim von seinen Backen gesagt hatte, bewahrheitete sich vollkommen, sie waren blau; und so wirkte sein Kopf denn recht farbig gegen den weißen Chirur-genrock, den er trug, einen über die Knie reichenden Gurtkittel, der unten seine gestreiften Hosen und ein paar kolossale Füße in gelben und etwas abgenutzten Schnürstiefeln sehen ließ. Auch Dr. Krokowski war im Berufskleide, allein sein Kittel war schwarz, aus einem schwarzen Lüsterstoff, hemdartig, mit Gummizügen an den Handgelenken, und hob seine Blässe nicht we-nig. Er verhielt sich rein assistierend und beteiligte sich auf kei-ne Weise an der Begrüßung, doch ließ eine kritische Spannung seines Mundes erkennen, daß er sein untergeordnetes

Скачать книгу