Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band. Julius von Voss
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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band
Fünftes Buch
Erstes Kapitel.
Blick nach dem Heere
Wir wissen, daß Kuku und Tata geschlagen wurden, aber in einem Gebirge eine neue gute Stellung bezogen. Daran thaten sie besser als wären sie vorübergeflohen, und hätten dem Feinde eine große Landesstrecke zum beliebigen Nießbrauch überliefert. Nun wurde das Heer wieder ermuthigt, die Verstärkungen aus den Provinzen beeilt, und vor allen Dingen die Fechtart in Gigis Heer, und die Bewegungen, wodurch das diesseitige bei den schwachen Punkten angegriffen worden war, fleißig geübt. Kuku war die Thätigkeit selbst, er hielt sogar Reden. Darkullaner, hieß es unter andern darin, ihr seid ein Volk von Löwenkraft, von Tygergrimm, von Felsenhärte, am Feinde erblickt man nur die Stärke des Schakal, die Wuth der Zibethkatze, die Dauer der Cocosnuß. Dennoch erschlug er unsre Brüder, und zwang uns zur Flucht. Das macht, ein Geist stand ihm bei. Können wir den Geist auch beschwören, dann sind wir Ueberwinder. Und eine Zauberin hat mir schon den Kreis gezeigt, worin er zu bannen ist. Uebt nur recht fleissig die neue Kampfart, dadurch wird uns der Geist zugethan, und hört unser Rufen.
Die Darkullaner glaubten, es sei ein Gespenstergeist gemeint, Kuku verstand aber blos den im Kreise des Schädels. Flore war die Zauberin. Liebe hatte ihn gelehrig für ihre Winke gemacht, denn sie gebietet der rohesten Barbarei, und zwar in einer Regel mit wenigern Ausnahmen, wie bei der zartesten Verfeinerung. Nur noch ein Paar muthige fröhliche Schritte weiter, und dieser Sultan konnte der Manco Capac seines Volkes werden, und zum Erzieher einer wilden Menge eignete er sich darum schon, weil er von selbst darauf fiel, einigen moralischen Hokuspokus anzubringen, und dennoch nicht dabei Gefahr lief, von der Weisheit verlacht zu werden. So lernte Jetros Schäfer Gutes und Wahres in Egypten, wollte es einem Haufen verächtlicher Sklaven mittheilen, zündete bald einen Busch an, bald stieg er, ein majestätisch Ungewitter merkend, auf den Sinai. Manches Jahrtausend nachher hielten die Genies Rousseau und Schiller diesen edlen Betrügereien noch Lobreden. So wurde Romulus von einer heftigen Tendenz des Willens getrieben, ein großes Reich zu stiften, bei der Nachwelt vergöttert zu sein, und nur ein Häuflein Lumpengesindel konnte er um sich sammeln. Er log ihnen die Inspiration der Nymphe Egeria vor, (wobei, wenn man Lust fühlt, poetisch zu ahnen, sich immer eine begeisternde Geliebte denken läßt) und noch steht das Quiritenvolk als das Maaß des Größten da, wenn wir die Erscheinungen der Geschichte prüfen. So spürte ein morgenländischer Kameeltreiber dasjenige Krafttalent in seinem Innern, das das Große leicht fühlt, und die Zeit, die einen Völkerverein wollte, da anarchische Gräuel wütheten:
Die ungestüme Presserin, die Noth,
Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
Gedient ist, die die That will, nicht das Zeichen,
Den Größten immer aufsucht und den Besten,
Ihn an das Ruder stellt, und müßte sie ihn
Aufgreifen aus dem Pöbel selbst – die setzte ihn
In dieses Amt und schrieb ihm die Bestallung.
Er fütterte Tauben aus dem Ohr, und ließ den Brunnen zuwerfen, in welchem ein versteckter Sklave Gottes Stimme nachahmte. Gleichwohl wird, wenn einst die turcomannische Aufklärung hereinbricht, (unter Sultan Selim wollte ihr Morgen schon ein wenig dämmern) und Spötter lange genug den Witz eines voltairischen Stachels an dem Araber übten, doch späterhin ein Fichte im Turban auftreten, welcher beweist: nur in solcher Form hätte einst der Islamismus auftreten können, und daß besser wie alles Wissen sey, die Tauben auf Glauben für den heiligen Geist zu nehmen.
Doch unser Kuku sollte bald fallen.
Wenn aber bei aller Gelenkigkeit zum moralischen Fortschreiten, noch dann und wann ein Bleiklumpen seinen Fuß zurückhielt, darf uns das nicht befremden. So konnte er auch den Gedanken an Osmanns Kopf nicht tilgen. Gesetzt auch, er hätte es über sich vermogt, die trotzige Rache wider Gigi aufzugeben, so ging die Prophezeiung ihm zu nahe an, und daran noch nicht zu glauben, war für Kuku zu früh. Man kann also einen Strauß von Blumen, die der Geliebten Hand pflanzte, oder eine Locke ihres seidnen Haares, nicht sehnsüchtiger erwarten, wie Kuku das von der Sultanin erflehte Geschenk. Daß sie es ihm verweigern würde, glaubte er nicht.
Es muß hier nachgeholt werden, daß vor einiger Zeit Lolo, der die auswärtigen Angelegenheiten besorgende Minister, ins Lager gerufen ward. Er sollte wo möglich, mit Habesch (in unsern Geographien meistens Abyssinien genannt) einen Schirm- und Angriffsbund schließen. Er hatte in einer geheimen Unterredung aber dem Sultan gesagt, das Verfahren der Nene könnte viele Uebel über das Land bringen, selbst den Zunder innerer Kriege in Brand stecken. Viel reine Wahrheit lag darin wohl. Allein reine Wahrheit von geliebten Personen berichten, heißt bei den Liebenden sie anschwärzen. Kuku verstand, wo Nene im Spiele war, keinen Spas, und ließ seinen Minister entzungen. Daß er nun so leicht keinen Wahrheitsager wieder fand, versteht sich. Uebrigens sollte auch dabei an Lolo ein Exempel von Belang gelten, denn schon zuvor hatte sich eine Stimme gegen Nene vernehmen lassen, wenn die, welche sie erhoben, schon nicht so kühn waren, wie der Minister, und mehr zu errathen aufforderten, als sie selbst aussprachen.
Endlich wurde der langeersehnte Kürbis überbracht. Diese ausgehohlte Frucht vertrat nämlich in Darkulla die Stelle der Kisten.
Der Bote, welcher den Kürbis trug, hub an: Esel aller Esel, Sohn —
Weg mit dem Titel, unterbrach ihn Kuku, Nene liebt ihn nicht, er mag wegfallen. Nenne mich Sultan Kuku.
Wohlan, Sultan Kuku, ich bringe dir des Caffern Osmanns Kopf.
Kuku sprang so lustig umher, bei der Nachricht, wie einst der Feldherr Suwarow, wenn er ein Belobungsschreiben seiner Kaiserinn empfing. Dann riß (grelle Wildheit, die noch in dem Barbaren hauste) er den Kürbis auf, nahm den Kopf heraus, tanzte wieder und küßte ihn sogar. Woher die Hiebe auf dem Gesichte, fragte er den Mann. Der Caffer wollte sich nicht geben, setzte sich kräftig zur Wehr, und konnte nur von Wunden zerfleischt, niedergeworfen werden, hieß die Antwort.
Wenn schon, rief Kuku, ist der Kopf nun doch in meiner Gewalt. Und gleich will ich ihn auch der tückischen Feindinn hinübersenden. Ein Offizier wurde auch sogleich befehligt, ihn an die nächste Vorpost der Beduinen abzuliefern.
Als der Offizier bald seinen Weg vollendet hatte, sahe er die Königinn mit einem zahlreichen Gefolge daher reiten. Sie untersuchte die Ordnung der Wachenkette. Da für das gegenwärtige Geschenk eben keine goldene Dose, oder Diamantenaigrette zu erwarten stand, so eilte der Darkullaner um so mehr, den nächsten Soldaten zu erreichen, warf den Kopf in den Sand, und rief ihm blos zu: das deiner Königin vom Sultan Kuku. Sie darf der Geschenke mehrere hoffen. Nun wendete er sein Pferd, und trieb es schnell davon.
Gigi hatte aber den Offizier bemerkt, und da sie ohnehin an Kuku etwas sagen lassen wollte, so schickte sie einige Adjudanten ab, wie sie ihn umkehren sah, ihn wieder zu rufen. Jener spornte desto mehr, hatte aber den Unfall, mit dem Pferde über eine Vertiefung zu stürzen. Nun hielt man ihn an, sagte aber: er hätte nichts zu fürchten, solle nur eine Bothschaft an seinen Herrn mitnehmen.
Der Darkullaner fürchtete nur zu viel, denn in dem Augenblicke ging jener Soldat auch zu Gigi heran, den Kopf zu überbringen.
Gigi war so von Ahnung, Entsetzen und Abscheu durchdrungen, daß sie bei dem Anblick unvermögend war, im Sattel zu bleiben. Ohne Unterstützung wäre sie zu Boden gesunken. Sie winkte stumm gegen den Soldaten hin, noch zurückzubleiben, sie wollte erst Fassung sammeln, denn ihren ganzen zerrissenen Zustand im Gemüthe, sollte das Gefolge nicht sehn.
Doch wenn der große Charakter im Kampf mit seinem Schmerz unterläge, wäre ihm ja der gewöhnliche ganz gleich. Wenigstens muß er die harte Kunst verstehn, den Schein zu verbergen. Nach einigen Sekunden schon, fragte Gigi: wessen Kopf brachtest du, Darkullaner? –