Der Richter und sein Henker. Grieche sucht Griechin / Судья и его палач. Грек ищет гречанку. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Дюрренматт
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„Die notwendige Dekoration. Wir sind in einem Kulturstaat, Lutz, und brauchen Reklame. Die Verhandlungen müssen geheimgehalten werden, und das kann man mit Künstlern am besten. Gemeinsames Fest, Braten, Wein, Zigarren, Frauen, allgemeines Gespräch, die Künstler langweilen sich, sitzen zusammen, trinken und bemerken nicht, dass die Kapitalisten und die Vertreter jener Macht zusammensitzen. Sie wollen es auch nicht bemerken, weil es sie nicht interessiert. Künstler interessieren sich nur für Kunst. Aber ein Polizist, der dabei sitzt, kann alles erfahren. Nein, Lutz, der Fall Schmied ist bedenklich[135].“
„Ich kann leider nur wiederholen, dass die Besuche Schmieds bei Gastmann uns gegenwärtig unverständlich sind“, antwortete Lutz.
„Wenn er nicht im Auftrag der Polizei[136] gekommen ist, kam er in einem anderen Auftrag“, entgegnete von Schwendi. „Es gibt fremde Mächte, lieber Lucius, die sich dafür interessieren, was in Lamboing vorgeht. Das ist Weltpolitik.“
„Schmied war kein Spion.“
„Wir haben allen Grund anzunehmen, dass er einer war. Es ist für die Ehre der Schweiz besser, er war ein Spion als ein Polizeispitzel.“
„Nun ist er tot“, seufzte der Untersuchungsrichter, der gern alles gegeben hätte, wenn er jetzt Schmied persönlich hätte fragen können[137].
„Das ist nicht unsere Sache“, stellte der Oberst fest. „Ich will niemand verdächtigen, doch kann nur die gewisse fremde Macht ein Interesse haben, die Verhandlungen in Lamboing geheimzuhalten. Bei uns geht es ums Geld, bei ihnen um Grundsätze der Parteipolitik. Da wollen wir doch ehrlich sein. Doch gerade in dieser Richtung kann die Polizei natürlich nur unter schwierigen Umständen vorgehen.“
Lutz erhob sich und trat zum Fenster. „Es ist mir immer noch nicht ganz deutlich, was dein Klient Gastmann für eine Rolle spielt“, sagte er langsam.
Von Schwendi fächelte sich mit dem weißen Bogen Luft zu und antwortete: „Gastmann stellteden Industriellen und den Vertretern der Gesandtschaft sein Haus zu diesen Besprechungen zur Verfügung[138].“
„Warum gerade Gastmann?“
Sein hochverehrter Klient, knurrte der Oberst, besitze nun einmal das nötige menschliche Format dazu[139]. Als jahrelanger Gesandter Argentiniens in China genieße er das Vertrauen[140] der fremden Macht und als ehemaliger Verwaltungspräsident des Blechtrusts[141] jenes der Industriellen. Außerdem wohne er in Lamboing.
„Wie meinst du das, Oskar?“
Von Schwendi lächelte spöttisch: „Hast du den Namen Lamboing schon vor der Ermordung Schmieds gehört?“
„Nein.“
„Eben darum“, stellte der Nationalrat fest. „Weil niemand Lamboing kennt. Wir brauchten einen unbekannten Ort für unsere Zusammenkünfte. Du kannst also Gastmann in Ruhe lassen. Dass er es nicht schätzt, mit der Polizei in Berührung zu kommen, musst du begreifen, dass er eure Verhöre, eure Schnüffeleien[142], eure ewige Fragerei nicht liebt, ebenfalls, das geht bei unseren Luginbühl und von Gunten, wenn sie wieder einmal etwas auf dem Kerbholz haben[143], aber nicht bei einem Mann, der es einst ablehnte, in die Französische Akademie gewählt zu werden. Auch hat sich deine Berner Polizei ja nun wirklich ungeschickt benommen, man erschießt nun einmal keinen Hund, wenn Bach gespielt wird. Nicht dass Gastmann beleidigt ist, es ist ihm vielmehr alles gleichgültig, deine Polizei kann ihm das Haus zusammenschießen, er verzieht keine Miene; aber es hat keinen Sinn mehr, Gastmann zu belästigen, da doch hinter dem Mord Mächte stehen, die weder mit unseren braven Schweizer Industriellen noch mit Gastmann etwas zu tun haben[144].“
Der Untersuchungsrichter ging vor dem Fenster auf und ab. „Wir werden nun unsere Nachforschungen besonders dem Leben Schmieds zuwenden müssen“, erklärte er. „Hinsichtlich der fremden Macht werden wir den Bundesanwalt benachrichtigen. Wie weit er den Fall übernehmen wird, kann ich noch nicht sagen, doch wird er uns mit der Hauptarbeit betrauen. Deiner Forderung, Gastmann zu verschonen, will ich nachkommen; wir sehen selbstverständlich auch von einer Hausdurchsuchung ab. Wird es dennoch nötig sein, ihn zu sprechen, bitte ich dich, mich mit ihm zusammenzubringen und bei unserer Besprechung anwesend zu sein[145]. So kann ich das Formelle ungezwungen mit Gastmann erledigen. Es geht ja in diesem Fall nicht um eine Untersuchung, sondern nur um eine Formalität innerhalb der ganzen Untersuchung, die unter Umständen verlangt, dass auch Gastmann vernommen werde, selbst wenn dies sinnlos ist; aber eine Untersuchung muss vollständig sein. Wir werden über Kunst sprechen, um die Untersuchung so harmlos wie nur immer möglich zu gestalten, und ich werde keine Fragen stellen. Sollte ich gleichwohl eine stellen müssen – der Formalität zuliebe – würde ich dir die Frage vorher mitteilen.“
Auch der Nationalrat hatte sich nun erhoben, so dass sich beide Männer gegenüberstanden. Der Nationalrat tippte dem Untersuchungsrichter auf die Schulter.
„Das ist also abgemacht“, sagte er. „Du wirst Gastmann in Ruhe lassen[146], Lützchen, ich nehme dich beim Wort. Die Mappe lasse ich hier; die Liste ist genau geführt und vollständig. Ich habe die ganze Nacht herumtelephoniert, und die Aufregung ist groß. Man weiß eben nicht, ob die fremde Gesandtschaft noch ein Interesse an den Verhandlungen hat, wenn sie den Fall Schmied erfährt. Millionen stehen auf dem Spiel[147], Dökterchen, Millionen! Zu deinen Nachforschungen wünsche ich dir Glück. Du wirst es nötig haben.“ Mit diesen Worten stampfte von Schwendi hinaus.
Zehntes Kapitel
Lutz hatte gerade noch Zeit, die Liste des Nationalrats durchzusehen und sie, stöhnend über die Berühmtheit der Namen, sinken zu lassen – in was für eine unselige Angelegenheit bin ich da verwickelt[148], dachte er – als Bärlach eintrat, natürlich ohne anzuklopfen. Der Alte hatte vor, die rechtlichen Mittel zu verlangen, bei Gastmann in Lamboing vorzusprechen, doch Lutz verwies ihn auf den Nachmittag. Jetzt sei es Zeit, zur Beerdigung zu gehen, sagte er und stand auf.
Bärlach widersprach nicht und verließ das Zimmer mit Lutz, dem das Versprechen, Gastmann in Ruhe zu lassen, immer unvorsichtiger vorkam und der Bärlachs schärfsten Widerstand befürchtete. Sie standen auf der Straße, ohne zu reden, beide in schwarzen Mänteln, die sie hochschlugen[149]. Es regnete, doch spannten sie die Schirme für die wenigen Schritte zum Wagen nicht auf. Blatter führte sie. Der Regen kam nun in wahren Kaskaden, prallte schief gegen die Fenster. Jeder saß unbeweglich in seiner Ecke. Nun muss ich es ihm sagen, dachte Lutz und schaute nach
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