Bestimmt . Морган Райс
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Als Kyle die Stufen hinaufstieg, hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen. Er marschierte geradewegs auf die riesengroße, eiserne Flügeltür zu und betätigte forsch viermal den Metalltürklopfer – das Signal für Vampire – und wartete dann.
Kurz darauf wurde die schwere Tür einen Spalt breit geöffnet, und Kyle sah ein unbekanntes Gesicht. Die Tür öffnete sich gerade eben weit genug, um Kyle einzulassen, dann wurde sie schnell wieder zugemacht.
Der große, kräftige Wachposten – er war noch größer als Kyle – sah auf ihn hinunter.
»Wirst du erwartet?«, fragte er misstrauisch.
»Nein.«
Kyle ignorierte den Wachposten einfach und ging an ihm vorbei. Doch dann spürte er plötzlich einen eiskalten Griff an seinem Arm und blieb stehen. Kochend vor Wut drehte er sich um.
Der fremde Vampir war genauso wütend.
»Ohne Termin kommt hier niemand rein«, knurrte er. »Du musst wieder gehen und ein anderes Mal wiederkommen.«
»Ich gehe hin, wohin ich will«, erwiderte Kyle schäumend vor Wut. »Und wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt, wirst du es bitter bereuen.«
Der Wachposten erwiderte seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, und gab keinen Deut nach.
»Wie ich sehe, ändern manche Dinge sich nie «, sagte plötzlich jemand. »Es ist in Ordnung, du kannst ihn loslassen.«
Der Griff um Kyles Arm lockerte sich, und als er sich umdrehte, sah er ein vertrautes Gesicht: Es war Lore, einer der Hauptberater des Großen Rates. Lächelnd sah er Kyle an und schüttelte langsam den Kopf.
»Kyle«, sagte er dann, »ich hätte nicht gedacht, dass ich dich noch mal wiedersehen würde.«
Immer noch kochend vor Wut zog Kyle seine Jacke glatt und nickte bedächtig. »Ich muss etwas mit dem Rat besprechen«, erwiderte er. »Und es duldet keinen Aufschub.«
»Tut mir leid, alter Freund«, fuhr Lore fort, »der Terminplan für heute ist komplett. Einige Vampire warten schon seit Monaten. Anscheinend gibt es in jedem Winkel der Welt dringende Probleme. Aber wenn du nächste Woche wiederkommst, kann ich vielleicht dafür sorgen …«
Jetzt trat Kyle einen Schritt vor. »Du verstehst mich nicht«, widersprach er angespannt. »Ich bin nicht aus dieser Zeit gekommen, sondern aus der Zukunft – von heute ausgehend in zweihundert Jahren. Aus einer ganz anderen Welt. Es geht um alles – wir stehen kurz vor dem Sieg, dem Gesamtsieg. Und wenn ich nicht sofort mit dem Großen Rat sprechen kann, wird das schwerwiegende Folgen für uns alle haben.«
Lores Lächeln verblasste, als er begriff, wie ernst es Kyle damit war. Nach einem kurzen angespannten Schweigen räusperte er sich schließlich und forderte ihn auf: »Komm mit.«
Als er sich umdrehte und ging, folgte Kyle ihm dicht auf den Fersen.
Der lange, breite Gang mündete in einen großen, offenen Saal. Er hatte eine hohe Kuppeldecke, und der Boden bestand aus glänzendem Marmor. Der Raum war rund, und am Rand befanden sich kunstvoll verzierte Säulen sowie Statuen, die auf Sockeln platziert waren.
An den Wänden standen Hunderte von Vampiren aus allen Teilen der Welt und von allen möglichen Clans. Kyle wusste, dass die meisten von ihnen Söldner und genauso böse waren wie er selbst. Geduldig beobachteten sie, wie der Große Rat, der am anderen Ende des Saales an der Richterbank saß, seine Urteile fällte. Die Luft vibrierte vor gespannter Erwartung.
Kyle trat ein und nahm die Szene in sich auf. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sich an den Rat zu wenden. Natürlich hätte er sich auch dagegen entscheiden und Caitlin auf eigene Faust aufspüren können, doch der Rat verfügte über geheime Informationsquellen und würde ihn sicherlich schneller zu ihr führen. Zudem brauchte er ihre offizielle Genehmigung, denn Caitlin war nicht nur eine persönliche Angelegenheit für ihn, sondern eine Sache von äußerster Wichtigkeit für die gesamte Vampirwelt. Wenn der Rat ihn unterstützte – und dessen war er sich vollkommen sicher -, dann würde er nicht nur ihre Genehmigung bekommen, sondern auch auf ihre Ressourcen zurückgreifen können. Er könnte sie schneller töten und um so schneller wieder zurückkehren, um den Krieg zu Ende zu führen.
Ohne ihre Billigung wäre er nichts weiter als ein abtrünniger Einzelgänger. Eigentlich würde das Kyle nichts ausmachen, aber er wollte nicht ständig auf der Hut sein müssen: Wenn er gegen ihren Willen handelte, würden sie ihm vielleicht Jäger auf den Hals hetzen, die ihn töten sollten. Obwohl er zuversichtlich war, dass er gut auf sich aufpassen konnte, wollte er keine Zeit und keine Energie darauf verschwenden.
Doch falls sie sein Begehren abweisen sollten, war er bereit, alles zu tun, um Caitlin trotzdem zur Strecke zu bringen.
Letztendlich war das Ganze nur eine weitere Formsache unter endlos vielen anderen Formsachen. Diese Etikette war sozusagen der Klebstoff, der für den Zusammenhalt unter den Vampiren sorgte – aber trotzdem ärgerte Kyle sich maßlos darüber.
Als er nun in den Saal hineinging, musterte er die Ratsmitglieder. Sie sahen genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Die zwölf Richter des Großen Rates saßen erhöht auf einem Podium und trugen schlichte, schwarze Roben mit schwarzen Kapuzen, die auch ihre Gesichter bedeckten. Trotzdem wusste Kyle, wer diese Männer waren. Im Laufe der Jahrhunderte hatte er oft genug vor ihnen gestanden. Einmal – nur ein einziges Mal – hatten sie ihre Kapuzen abgesetzt, sodass er ihre unheimlichen, greisenhaften Gesichter hatte sehen können. Er zuckte innerlich zusammen, als er daran dachte. Sie waren hässliche Geschöpfe der Nacht.
Doch sie bildeten den Großen Rat und hatten immer schon hier residiert, seit das Pantheon erbaut worden war. Dieses Bauwerk war geradezu ein Teil von ihnen, und niemand, nicht einmal Kyle, wagte es, das Gericht in Frage zu stellen. Dafür war ihre Macht einfach zu groß, die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einfach zu unermesslich. Selbst wenn Kyle versuchen würde, einen oder zwei der Richter zu töten, würden sie ihm ihre Armeen, die überall auf der Welt saßen, auf den Hals hetzen. Irgendwann würden sie ihn dann doch zur Strecke bringen.
Die zahlreichen Vampire im Saal waren gekommen, um Zeugen der Urteilsverkündungen zu sein und ihre eigene Audienz zu erwarten. Sie stellten sich immer ordentlich in einem großen Kreis an den Wänden auf und ließen das Zentrum des Raumes frei. Dort befand sich jeweils nur eine einzige Person – diejenige, die gerade vor Gericht stand.
Im Augenblick war das ein armer Kerl, der vor Furcht zitterte, während er auf die undurchschaubaren Kapuzen starrte und den Urteilsspruch der Richter erwartete. Kyle wusste, wie es sich anfühlte, an diesem Fleck zu stehen – es war alles andere als angenehm. Wenn ihnen die Angelegenheit nicht gefiel, wegen der man sich an sie gewendet hatte, konnte es sein, dass sie den Antragsteller aus einer Laune heraus einfach töteten. Man durfte das Ganze nie auf die leichte Schulter nehmen – es ging immer um Leben und Tod.
»Warte hier«, flüsterte Lore Kyle zu und verschwand dann in der Menge. Kyle blieb am Rand des Saals stehen und wartete.
Während Kyle den Burschen beobachtete, der gerade vor dem Richtergremium stand, nickte einer der Richter ganz leicht, und sofort tauchten zwei Vampire auf. Sie ergriffen die Person vor dem Gremium an beiden Armen.
»Nein! NEIN!«, schrie der Mann.
Doch es nützte ihm nichts. Sie zerrten ihn davon, obwohl