Akte. Александр Дюма
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Junger Mann, unterbrach der Greis die Stille, du nennst dich Römer, doch kann ich kaum daran glauben. Wenn du in der Kaiserstadt gelebt hättest, würdest du besser gelernt haben, den Befehlen der kaiserlichen Stellvertreter zu gehorchen. Der Prokonsul ist hier unumschränkter Herr und steht in demselben Ansehen wie Claudius Nero in Rom.
Hast du vergessen, daß die Götter mich zu Beginn des Festes für den Augenblick dem Kaiser gleichgestellt haben, indem sie mich zum König erwählten? Hast du je gesehen, daß ein König von seinem Thron herabstieg, um den Befehlen eines Prokonsuls nachzukommen?
So hast du dich geweigert? fragte Akte erschreckt.
Nein, aber ich habe Lentulus geschrieben, daß er sich herbemühen möge, wenn es ihn gelüste, meinen Namen zu erfahren und die Absicht, welche mich nach Korinth geführt hat.
Und glaubst du, daß er kommen wird? rief der Greis.
Ohne Zweifel, antwortete Lucius.
Hierher in mein Haus?
Hörst du? sagte Lucius.
Was denn?
Er ist hier und klopft an die Türe. Ich kenne das Geräusch der Liktorenbündel. Öffne, mein Vater, und laß uns allein!
Der Greis und seine Tochter standen verwundert auf und gingen selbst zur Türe; Lucius rührte sich nicht von seinem Lager.
Er hatte sich nicht getäuscht. Lentulus war es selbst, und seine schweißtriefende Stirn bezeugte, mit welchem Eifer er der Einladung des Fremden gefolgt war. Er fragte in erregtem Ton, wo der edle Lucius zu finden sei; als man ihm den Raum wies, wo er sich aufhalte, legte er seine Toga ab und trat in das Triklinium, das sich hinter ihm schloß, und dessen Türe die Viktoren bewachten. Niemand erfuhr, was sich bei dieser Begegnung ereignete. Erst nach Verlauf einer Viertelstunde verließ der Konsul das Haus, und Lucius gesellte sich mit ruhig lächelndem Antlitz zu Amykles und Akte, die in der Säulenhalle auf und ab wandelten.
Mein Vater, sagte er, der Abend ist schön, möchtest du deinen Gast nicht bis zur Burg geleiten, von der man eine wundervolle Aussicht haben soll? Auch bin ich neugierig zu sehen, ob die Befehle des Kaisers ausgeführt worden sind. Als er hörte, daß die Spiele in Korinth gefeiert werden sollten, schickte er die berühmte Statue der Venus zurück, damit die Göttin den Römern gnädig sei, die gekommen sind, mit euch um die Kränze zu ringen.
Ach! mein Sohn, antwortete Amykles, ich bin zu schwach und kann dir nicht mehr als Führer auf den Berg dienen. Aber hier ist Akte, leichtfüßig wie eine Nymphe, sie wird dich begleiten.
Ich danke dir, mein Vater; darum wagte ich nicht zu bitten, weil ich fürchtete, Venus möchte auf die Schönheit deiner Tochter eifersüchtig werden, und könnte sich dafür an mir rächen. Nun du selbst mir diese Gunst anbietest, habe ich den Mut, sie anzunehmen. Akte lächelte errötend; auf ein Zeichen ihres Vaters holte sie ihren Schleier und kam so schamhaft verhüllt zurück wie eine römische Matrone.
Hat meine Schwester ein Gelübde getan, sagte Lucius, oder ist sie, ohne daß ich es wußte, Priesterin der Minerva, Diana oder Vesta?
Nein, mein Sohn, sagte der Greis, indem er seinen Arm ergriff und ihn beiseite führte, aber, wie du weißt, ist Korinth die Stadt der Kurtisanen. Zum Andenken daran, daß ihre Fürsprache die Stadt bei der Eroberung durch Xerxes gerettet hat, haben wir sie in einem Gemälde verewigen lassen, wie die Athener ihre Helden nach der Schlacht bei Marathon. Seitdem sind wir immer dafür besorgt, daß es uns daran nicht fehle, und wir kaufen sie in Byzanz, auf den griechischen Inseln, selbst in Sizilien. Sie sind leicht zu erkennen an ihrem unverhüllten Gesicht und an dem entblößten Busen. Beruhige dich, Akte ist weder eine Priesterin der Minerva noch der Diana oder Vesta, aber sie fürchtet, daß man sie für eine Jüngerin der Venus halten könnte. Dann fuhr er mit erhobener Stimme fort: Geht, meine Kinder, und du, meine Tochter, zeige unserm Gast von der Höhe des Hügels alle die Orte, welche die großen Erinnerungen Griechenlands bewahren. Das einzige Gut, das dem Sklaven bleibt und welches ihm seine Herren nicht rauben können, ist die Erinnerung an die Zeit seiner Freiheit.
Lucius und Akte machten sich auf den Weg; nach wenigen Schritten hatten sie das nördliche Stadttor erreicht und bogen in die Straße ein, die nach der Burg führte. Obwohl sie aus der Ferne kaum fünfhundert Schritt von der Stadt entfernt schien, machte der Weg doch so viele Windungen, daß sie beinahe eine Stunde brauchten, um dahin zu gelangen. Zweimal hielt Akte unterwegs an, das eine Mal um ihrem Begleiter das Grab von Medeas Kindern zu zeigen, das andre Mal führte sie ihn an die Stelle, wo Bellerophon von Minerva den Pegasus empfing. Endlich kamen sie auf der Burg an und bemerkten am Eingang eines Tempels die Statue der Venus in glänzendem Schmuck; an ihrer rechten Seite war das Symbol der Liebe angebracht, links das des Sonnengottes, der zuerst in Korinth verehrt wurde. Lucius verneigte sich und verrichtete sein Gebet.
Nachdem sie so ihrer religiösen Pflicht genügt hatten, schlugen die jungen Leute einen Fußpfad ein, der quer durch den heiligen Hain auf die Spitze des Berges führte. Die Korintherin schritt voran wie Venus, als sie Aeneas auf den Weg nach Karthago leitete, Lucius folgte dicht hinter ihr und atmete den Duft, der ihren Haaren entströmte. Beim Verlassen der Stadt hatte sie den Schleier zurückgeschlagen und achtlos auf die Schultern herabgleiten lassen. Von Zeit zu Zeit wandte sie sich um, dann verschlang er mit leuchtenden Blicken das reizende Gesicht, das vom Gehen angenehm belebt war, und den jugendlichen Busen, der sich beim Atmen unter der leicht verhüllenden Tunika hob und senkte. Je höher sie stiegen, um so mehr gewann das Panorama an Ausdehnung. Endlich, als sie die Höhe des Hügels erreicht hatten, blieb Akte unter einem Maulbeerbaum stehen, an dessen Stamm sie sich lehnte, um Atem zu schöpfen. Hier sind wir am Ziele, sagte sie zu Lucius. Was denkst du von dieser Aussicht? Kommt sie nicht der von Neapel gleich?
Der Römer näherte sich ihr, ohne zu antworten, schlang seinen Arm um einen Zweig des Baumes, um sich zu stützen, und anstatt in die Landschaft hinauszusehen, betrachtete er Akte mit so liebeglühenden Blicken, daß das Mädchen sich lebhaft erröten fühlte und, um ihre Verwirrung zu verbergen, rasch zu sprechen fortfuhr:
Sieh nach Osten! sagte sie; obwohl die Dämmerung schon niederzusinken beginnt, ist dort als weißer Punkt die Burg von Athen sichtbar, und das Vorgebirge Sunium zeichnet sich wie eine eherne Lanzenspitze von dem Azurblau der Wogen ab; näher bei uns erhebt sich in der Mitte des Saronischen Meeres eine hufeisenförmige Insel, das ist Salamis, wo Äschylos kämpfte und Xerxes geschlagen wurde; mehr im Süden, in der Richtung auf Korinth zu, etwa zweihundert Stadien von hier entfernt, ist Nemea, wo Herkules den Löwen tötete, dessen Haut er als Siegeszeichen immer bei sich trug; dort in der Ferne, am Fuße der Gebirgskette, die den Horizont begrenzt, liegt Epidaurus, das dem Äskulap teuer war, und dahinter Argos, die Heimat des Königs der Könige. Im Westen, ganz in den Goldglanz der untergehenden Sonne getaucht, bemerkst du Samos und Ithaka am Ende der reichen Ebene von Sicyon und jenseits der blauen Linie, welche das Meer bildet, das dort wie ein Wolkenstreif erscheint.
Wenn du dann Korinth den Rücken wendest und nach Norden blickst, hast du rechts den Cytheron, wo Ödipus ausgesetzt wurde, links Leuktra, wo Epaminondas die Lacedämonier schlug, und uns gegenüber Platää, wo Aristides und Pausanias die Perser besiegten. Mehr gegen die Mitte zu, am Ende jener Gebirgskette, die von Attika nach Ätolien läuft, ist der Helikon mit seinen Zedern, Myrten und Lorbeerhainen und der Parnaß mit seinen zwei schneebedeckten Gipfeln, zwischen denen die kastalische Quelle fließt, welche von den Musen die Wunderkraft empfing, denen, die daraus trinken, Dichtergaben zu verleihen.
Ja, sagte Lucius, dein Vaterland ist das Land der großen Erinnerungen, und es ist zu bedauern, daß nicht alle seine Kinder sie mit solcher Treue bewahren wie du,