Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters. Александр Дюма

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Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters - Александр Дюма

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Entwickelung ihrer Erziehung, deren Plan sie entworfen hatte, nur eine Anwendung dieser großen Ideen. Demnach hatte Konstantin, für das orientalische Reich bestimmt, nur griechische Ammen, und wurde nur von griechischen Lehrern umgeben, während dem daß Alexander für das abendländische Reich bestimmt nur von Engländern umringt war. Was den gemeinschaftlichen Lehrer der beiden Brüder anbelangt, so war es ein Schweizer, Namens Laharpe, ein Vetter des tapferen Generals Laharpe, der in Italien unter den Befehlen Buonapartes diente. Aber die Lehren dieses würdigen Meisters wurden von seinen beiden Zöglingen nicht mit einem gleichen Eifer aufgenommen, und die Saat, obgleich dieselbe, brachte verschiedene Früchte hervor, denn auf der einen Seite sie sie auf ein bearbeitetes und fruchtbringendes Land, und auf der anderen auf einen rohen und wilden Boden. Während

      dem daß Alexander im Alter von zwölf Jahren seinem Professor der Experimental-Physik, Graft,

      welcher zu ihm sagte, daß das Licht ein immerwährendes Ausströmen der Sonne wäre, antwortete: »Das ist nicht möglich, denn dann würde die Sonne mit jedem Tage kleiner werden;« antwortete Konstantin seinem Privat-Erzieher Sacken, der ihn aufforderte lesen zu lernen: »Ich will nicht lesen lernen, weil ich sehe, daß Sie alle Tage lesen, und daß sie alle Tage einfältiger werden.«

      Der Charakter und der Geist der beiden Kinder lag ganz in diesen beiden Antworten.

      Eben so viel Widerwillen, als Konstantin für die wissenschaftlichen Studien hatte, eben so viel

      Geschmack hatte er dagegen für die militairischen Uebungen. Fechten, reiten, ein Heer manövrieren

      lassen, schienen ihm weit nützlichere Kenntnisse für einen Prinzen, als das Zeichnen, die Botanik oder die Astronomie. Das war noch ein Zug, in welchem er Paul glich, und er hatte eine solche Leidenschaft für die militairischen Manöver gefaßt, daß er am Tage seiner Hochzeit um fünf Uhr Morgens aufstand, um das sich als Wache bei ihm befindende Peloton Soldaten manövrieren zu lassen.

      Der Bruch Rußlands mit Frankreich kam Konstantin erwünscht. Nach Italien unter den Befehlen des Feldmarschalls Suwarow gesandt, der beauftragt war, seine militairische Bildung zu vervollständigen, wohnte er seinen Siegen an dem Mincio und seiner Niederlage in den Alpen bei. Ein solcher Lehrer, der zum mindesten eben so berühmt durch seine Sonderbarkeiten, als durch seinen Muth, war eine üble Wahl, um die natürlichen Eigenheiten Konstantins zu verbessern. Die Folge davon war, daß diese Eigenheiten, anstatt zu verschwinden, sich auf eine so außerordentliche Weise vergrößerten, daß man sich mehr als einmal fragte, ob der junge Großfürst die Aehnlichkeit mit seinem Vater nicht so weit triebe, daß er wie dieser ein wenig von der Narrheit befallen sey.

      Nach dem Französischen Feldzuge und dem Frieden von Wien, war Konstantin zum Vice-König von Polen ernannt worden. An die Spitzes eines kriegerischen Volkes gestellt, hatte sein Geschmack fürs Militair sich noch verdoppelt, und in Ermangelung jener wahren und blutigen Kämpfe, denen er eben beigewohnt hatte, machten Paraden und Revüen, diese Schein-Schlachten, seine einzige Zerstreuung aus. Im Winter oder im Sommer, sey es, daß er den Brühlschen Palast neben dem sächsischen Garten bewohnte, oder sey es, daß er im Palast Belvédère residierte, stand er um drei Uhr morgens auf, und zog seine Generals-Uniform an; kein Kammerdiener hatte ihm jemals bei seiner Toilette geholfen. Dann setzte er sich in einem Zimmer, in welchem auf jedem Felde das Kostüm eines der Regimenter der Armee abgemalt war, an einen mit Regimentslisten und Militair-Befehlen bedeckten Tisch, las die am Abende zuvor durch den Obristen Axamilowski oder von dem Polizei-Präfekten Lubowidzki überbrachten Rapporte, billigte, oder verwarf sie, und fügte aber allen irgend eine Bemerkung hinzu. Diese Arbeit beschäftigte ihn bis neun Uhr morgens; er nahm dann in der Eile ein Soldaten-Frühstück, nach welchem er auf den sächsischen Platz hinabging, wo ihn gewöhnlich zwei Regimenter Infanterie und eine Eskadron Kavallerie erwarteten, deren Musik ihn sobald er erschien mit dem von Kurpinski über das Thema: Gott segne den König! componierten Marsche begrüßte. Die Revue begann sogleich. Die Pelotons marschierten in einer gleichen Entfernung und mit einer mathematischen Genauigkeit vor dem Großfürsten, der zu Fuß sie vorübergehen sah; gewöhnlich trug er dabei die grüne Chasseur-Uniform und einen mit Hahnenfedern überladenen Hut, den er so auf den Kopf setzte, daß dessen eine Ecke seine linke Epaulette berührte, während dem die andere sich gen Himmel richtete. Unter seiner schmalen und mit tiefen Furchen, die von immerwährenden und sorgenvollen Gedanken zeugten, durchzogenen Stirn verbargen zwei lange und dichte Augenbrauen, welche das eigenthümliche Runzeln seiner Haut unregelmäßig zeichnete, seine blauen Augen fast gänzlich. Die seltsame Lebhaftigkeit seiner Blicke gaben mit seiner kleinen Nase und feiner verlängerten Unterlippe seinem Kopfe etwas befremdend wildes, der von einem außerordentlichen kurzen und von Natur nach vorn gebogenen Halse getragen auf seinen Schultern zu ruhen schien. Bei dem Tone dieser Musik, bei dem Anblicke dieser Männer, die er gebildet hatte, bei dem abgemessenen Schalle ihrer Schritte, entfaltete sich alles an ihm. Eine Art von Fieber ergriff ihn, das ihm Flammen in das Gesicht steigen ließ. Seine verkürzten Arme, deren bewegungslose und festgeschlossenen Fäuste sich krampfhaft öffneten, legten sich steif längs seinem Körper herunter, während dem daß seine Füße in einer unaufhörlichen Bewegung den Takt schlugen, und daß seine gurgelnde Stimme von Zeit zu Zeit zwischen den scharf ausgesprochenen Kommandos rauhe und gestoßene Töne hören ließ, die nichts menschliches hatten, und die abwechselnd, entweder feine Zufriedenheit ausdrückten, wenn alles nach seinem Wunsche ging, oder seinen Zorn, wenn sich etwas gegen die Disciplin ereignete. In diesem letzteren Falle waren die Züchtigungen fast immer fürchterlich, denn der geringste Fehltritt zog für den Soldaten Gefängniß, und für den Officier den Verlust seines Grades herbei. Diese Strenge beschränkte sich übrigens nicht allein auf die Menschen, sie dehnte sich auf alles, und selbst auf die Thiere aus. Eines Tages ließ er in seinem Käfig einen Affen aufhängen, der zu viel Lärm machte; ein Pferd, das einen falschen Schritt gethan, weil er ihm einen Augenblick den Zügel gelassen, empfing Tausend Stockschläge, endlich ein Hund, der ihn in der Nacht durch sein Heulen erweckt hatte, wurde erschossen.

      Was seine gute Laune anbelangt, so war sie nicht minder wild, als fein Zorn. Dann beugte er sich, indem er in Lachen ausbrach, rieb sich lustig die Hände, und stampfte abwechselnd den Boden mit seinen beiden Füßen. In diesem Augenblicke eilte er auf das erste beste Kind zu, drehete und wandte es nach allen Seiten, ließ sich von ihm küssen, kniff es in die Wangen, zwickte es bei der Nase, und endlich schickte er es fort, indem er ihm ein Goldstück in die Hand drückte. Dann hatte er auch noch andere Stunden, die weder Stunden der Freude, noch Stunden des Zornes waren, sondern Stunden einer gänzlichen Hinfälligkeit und tiefer Schwermuth; dann, schwach wie ein Weib, stieß er Seufzer aus und wand sich auf seinen Divans und auf seinen Fußböden. Niemand wagte sich dann ihm zu nähern, nur öffnete man in diesen Augenblicken seine Fenster und seine Thür, und eine blonde und bleiche Frau von schlankem Wuchs, gewöhnlich in ein weißes Gewand mit blankem Gürtel gekleidet, trat gleich einer Erscheinung herein. Bei diesem Anblicke, der auf den Großfürsten einen magischen Einfluß hatte, brach sein Nervenreiz aus, seine Seufzer wurden Schluchzen, und er vergoß reichliche Thränen. Dann war die Krisis vorüber; die Frau hatte sich neben ihn gesetzt, er legte sein Haupt auf ihre Kniee, schlief ein, und erwachte wieder geheilt.

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