Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма страница 57
Mehr als ein Jahr verging bei dieser Arbeit, welche, in Ermangelung aller anderen Werkzeuge, mit einem Meißel, mit einem Messer und mit einem hölzernen Hebel ausgeführt wurde, und unter dieser Arbeit fuhr Faria fort, Dantes zu unterrichten, wobei er bald in der einen, bald in der andern Sprache sich mit ihm unterhielt, und ihn die Geschichte der Nationen und der großen Menschen lehrte, welche von Zeit zu Zeit eine von den leuchtenden Spuren hinter sich lassen, die man den Ruhm nennt. Der Abbé, ein Mann der Welt, und zwar der großen Welt, besaß überdies in seinen Manieren eine gewisse schwermütige Majestät, aus welcher Dantes durch den anschmiegsamen Geist, mit dem ihn die Natur begabt hatte, die ihm fehlende elegante Artigkeit und die aristokratischen Manieren zu ziehen wußte, welche dem Menschen nur durch längeren Umgang mit den höheren Klassen oder in der Gesellschaft erhabener Männer zur Gewohnheit werden.
Nach Verlauf von fünfzehn Monaten war das Loch vollendet, die Höhlung war unter der Galerie gemacht, Man hörte bereits die Schildwache hin und her gehen, und die zwei Arbeiter, welche eine dunkle Nacht ohne Mond abwarten mußten, um ihre Flucht zu sichern, befürchteten nur Eines: es könnte der Boden zu frühzeitig von selbst unter den Füßen des Soldaten einstürzen. Man begegnete diesem Mißgeschick dadurch, daß man einen kleinen Ballen, den man in den Grundfesten gefunden hatte, als Stütze aufstellte.
Dantes war eben an der Arbeit, den Balken fest zu stellen, als er hörte, wie ihn der Abbé Faria. der in dem Zimmer des jungen Mannes geblieben war und sich hier damit beschäftigte, einen Pflock zuzuspitzen, welcher die Strickleiter halten sollte, ihn mit schmerzlichem Tone rief. Dantes kehrte rasch zurück und sah den Abbé, welcher bleich, Schweiß auf der Stirne und die Hände krampfhaft zusammengezogen mitten im Zimmer stand.
»Oh. mein Gott!« rief Dantes, »was gibt es denn, was haben Sie?«
»Rasch, rasch!« sprach der Abbé. »hören Sie mich!«
Dantes erblickte das leichenbleiche Gesicht von Faria. seine mit einem bläulichen Kreise umzogenen Augen, seine weißen Lippen, seine gesträubten Haare, und ließ aus Schrecken den Meißel, welchen er in der Hand hielt, auf den Boden fallen.
»Aber was gibt es denn?« rief Edmond.
»Ich bin verloren,« sprach der eine, »ein furchtbares, vielleicht tödliches Übel erfaßt mich. Der Anfall kommt, ich fühle es. Schon ein Mal wurde ich davon das Jahr vor meiner Einkerkerung ergriffen. Für dieses Übel gibt es nur ein Mittel, ich will es Ihnen nennen. Eilen Sie zu mir, heben Sie den Fuß des Bettes auf; dieser Fuß ist hohl. Sie finden darin ein Kristallfläschchen, halb mit einer roten Flüssigkeit gefüllt; bringen Sie es mir, oder vielmehr nein, man könnte uns hier überraschen, helfen Sie mir in mein Zimmer zurückkehren, während ich noch einige Kräfte besitze, Wer weiß, was geschieht und wie lange der Anfall dauern wird?«
Dantes verlor den Kopf nicht, obgleich das Unglück, das ihn traf, ungeheuer war. Er stieg in den Gang hinab, schleppte seinen unglücklichen Gefährten nach sich, führte ihn mit unsäglicher Mühe bis an das entgegengesetzte Ende, und befand sich in dem Zimmer des Abbé, den er auf fein Bett legte.
»Ich danke.« sprach der Abbé. an allen Gliedern zitternd. als käme er aus einem Eiswasser. »Das Übel tritt ein, ich verfalle in die Starrsucht; vielleicht werde ich keine Bewegung machen, keine Klage ausstoßen; vielleicht werde ich aber auch schäumen, schreien. Geben Sie sich Mühe, daß man mein Geschrei nicht hört; es ist von Wichtigkeit, denn man könnte mir dann ein anderes Zimmer geben und uns für immer trennen. Wenn Sie mich unbeweglich, kalt und gleichsam tot sehen, dann, aber auch dann erst, hören Sie wohl, drücken Sie mir die Zähne mit dem Messer auseinander, flößen Sie mit acht bis zehn Tropfen von diesem Tranke in meinen Mund, und vielleicht komme ich wieder zu mit.«
»Vielleicht!« rief Dantes schmerzlich.
»Zu Hilfe, zu Hilfe!« rief der Abbé, »ich . . . ich . . . ster . . . «
Der Anfall kam so rasch und so heftig, daß der unglückliche Gefangene nicht einmal das begonnene Wort vollenden konnte. Eine Wolke zog schnell und düster wie die Stürme des Meeres über seine Stirne hin. Die Krise erweiterte seine Augen, verdrehte seinen Mund, färbte seine Wangen purpurrot. Er arbeitete mit Händen und Füßen, schäumte, brüllte; aber Dantes erstickte, wie er es ihm selbst empfohlen hatte, sein Geschrei unter seiner Decke. Dies dauerte zwei Stunden. Dann aber fiel er, träger als eine tote Masse, kälter als der Marmor, mehr gebrochen, als ein mit den Füßen getretenes Rohr, zurück, erstarrte in einer letzten Convulsion und wurde leichenbleich.
Edmond wartete, bis dieser scheinbare Tod den Körper erfaßt, und bis zum Herzen vereist hatte. Dann nahm er das Messer, drang mit seiner Klinge zwischen die Zähne, löste mit unsäglicher Mühe die zusammengepreßten Kinnbacken, zählte, einen nach dem andern, zehn Tropfen von dem röthlichen Safte, und wartete.
Es verlief eine Stunde, ohne daß der Greis die geringste Bewegung machte. Dantes befürchtete, zu lange gewartet zu haben, und betrachtete ihn, beide Hände in seinen Haaren. Endlich erschien eine leichte Färbung auf seinen Wangen; beständig offen und matt geblieben, nahmen seine Augen ihren Blick wieder an; ein leichter Seufzer entstieg seinem Munde und er machte eine Bewegung.
»Gerettet! Gerettet!« rief Dantes.
Der Kranke konnte noch nicht sprechen, aber er streckte mit sichtbarer Angst die Hand nach der Thüre aus. Dantes horchte und vernahm die Tritte des Gefangenenwärters; es war nahe an sieben Uhr und Dantes hatte nicht Muße gehabt, die Zeit zu messen.
Der junge Mann sprang gegen die Öffnung, drang in dieselbe, legte die Platte wieder über seinen Kopf und kehrte in sein Zimmer zurück.
Einen Augenblick nachher öffnete sich seine Thüre, und der.Kerkermeister fand den Gefangenen wie gewöhnlich auf seinem Bette sitzend.
Kaum hatte er ihm den Rücken gewendet, kaum hatte sich das Geräusch der Tritte in der Flur verloren, als Dantes von Ungeduld verzehrt, ohne an das Essen zu denken den Weg wieder einschlug, den er kurz zuvor gemacht hatte, und, die Platte mit seinem.Kopfe aufhebend, in das Zimmer des Abbé zurückkehrte.
Dieser war wieder zum Bewußtsein gekommen; aber er lag immer noch träge und.kraftlos auf seinem Bette ausgestreckt.
»Ich dachte, ich wurde Sie nicht wiedersehen,« sagte er zu Dantes.
»Warum dies?« fragte der junge Mann; »glaubten Sie sterben zu müssen?«
»Nein, aber Alles ist zu Ihrer Flucht bereit, und ich glaubte, Sie wurden fliehen.«
Die Rothe der Entrüstung färbte die Wangen von Dantes.
»Ohne Sie!« rief er, wähnten Sie mich wirklich dessen fähig?«
»Jetzt sehe ich, daß ich mich getäuscht habe,« sprach der Kranke. »Ah! ich bin sehr schwach, sehr entkräftet.«
»Mut! Ihre Kräfte werden wiederkehren,« sagte Dantes, setzte sich neben sein Bett und nahm ihn bei den Händen.
Der Abbé schüttelte den Kopf und erwiderte:
»Das letzte Mal dauerte der Anfall eine halbe Stunde, wonach ich Hunger hatte und allein aufstand; heute kann ich weder mein Bein, noch meinen rechten Arm rühren; mein Kopf ist eingenommen, was eine Ergießung des Gehirns andeutet. Das dritte Mal werde ich völlig gelähmt bleiben oder auf der Stelle sterben.«
»Nein, nein, beruhigen Sie sich, Sie werden nicht sterben; der dritte Anfall, wenn er Sie wirklich faßt, wird Sie frei finden,