Die Holländerin. Александр Дюма
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Holländerin - Александр Дюма страница 4
Herr Van-Dick hatte seine Lektüre beendet und war, wie es schien, nicht sonderlich davon erbaut. Nachdem er das Zeitungsblatt wieder zusammengelegt, eine Prise duftenden Tabaks geschnupft und die Brille sorgfältig in ihr Etui gesteckt, blies er die Tabakskörner von seinem Hemde und räusperte sich, wie ein Mensch, der nicht mehr weiß, was er thun soll.
Tristan, der nur in einem leisen Schlafe lag und auf einen Vorwand zum Erwachen wartete, bewegte sich und schlug die Augen auf.
– Nun, mein Herr, sprach er, haben Sie Ihre Lectüre beendet?
– So eben, und Sie, haben Sie Ihren Schlaf beendet?
– Ja!
– Was zum Teufel, wo können wir sein?
– Ich weiß es nicht.
– Der Conducteur wird doch anhalten, damit wir zu Mittag essen können?
– Hoffentlich, zumal, da es nicht viel Mühe kostet, die Rosse in ihrem Laufe zu hemmen. Ich habe mir schon oft die Frage vorgelegt, was ein Conducteur, der so viel Zeit auf der Reise zubringt, wohl eigentlich denkt.
– Er denkt nicht. Wenn er dächte, wäre er zu entschuldigen.
– Was thut er?
– Er schläft.
– Es würde vortheilhafter und bequemer für ihn sein, wenn er uns schneller führe und sich zu Hause in das Bett legte. Das Phlegma eines solchen Menschen ist zum verzweifeln.
– Mir ist es sehr gleichgültig, antwortete Herr Van-Dick mit großer Ruhe; warum, will ich Ihnen erklären: Ich reise, nicht wahr? Mit einem Platze würde ich schlecht fahren, also nehme ich mir zwei. Ich steige in den Wagen. Befinde ich mich in dem Coupé allein, so habe ich drei Plätze, obgleich ich nur für zwei bezahlt habe; dies ist ein Glück, das ich nicht erwartete und nütze es. Habe ich einen Nachbar, so plaudere ich mit ihm. Finde ich seine Unterhaltung amüsant, so höre ich, und finde ich Vergnügen zu reden, so rede ich. Sehe ich, daß wir nicht zusammen sympathisiren, so vergesse ich, daß er da ist, mache mir es auf meinen beiden Plätzen bequem, ziehe mein Journal aus der Tasche und lese. Langweilt mich mein Journal, so schlafe ich, und habe ich keine Lust mehr zum schlafen, so esse ich, denn ich führe stets einen kleinen Vorrath bei mir. Habe ich keinen Hunger, so betrachte ich die Gegend, und gefällt mir die Gegend nicht, so denke ich. Bei dem Denken komme ich indeß immer zuletzt an, denn es ist sehr ermüdend. Der Conducteur kann mich also nicht ärgern. Fährt er schnell, so freue ich mich über die Schnelligkeit, fährt er langsam, so habe ich das Vergnügen, mich wiegen zu lassen. Indem ich mich so zum Sclaven der Umstände mache, werde ich der Herr derselben.
– Sie sind ein glücklicher Mann!
– Haben Sie Unglück gehabt?
– Sehr viel!
– Auch jetzt noch?
– Immer, so lange ich lebe.
– Der Unterschied zwischen uns beiden ist mir klar. Sie lieben Niemanden, nicht einmal sich selbst. Ich liebe zwar auch Niemanden, aber ich liebe mich selbst. Sie sind Misanthrop und ich bin Egoist, bin daher glücklicher als Sie; aber da Sie noch jung sind, können Sie einst eben so glücklich werden, als ich. Warum ärgern Sie sich über den Conducteur? müssen Sie vielleicht irgend wo eilig eintreffen?
– Nein; ich würde nirgends etwas besseres vorfinden, auch weiß ich nicht einmal, wohin ich reise.
– Haben Sie Familie?
– Nein.
– Heirathen Sie.
– Um Geschöpfe zu erzeugen, die einst leiden werden, wie Hamlet sagt. Das ist unnütz, außerdem habe ich auch kein Vermögen und keine Stellung in der Welt.
– Was gedenken Sie zu beginnen?
– Bei Gott, das weiß ich nicht! Vielleicht wird das Schicksal müde, mich zu verfolgen, wenn ich ihm eine Gleichgültigkeit entgegenstelle, wie Sie sie besitzen.
In diesem Augenblicke hielt der Wagen an. Der Conducteur öffnete die Thür des Wagens und kündigte den Reisenden an, daß sie aussteigen und zu Mittag essen könnten.
Tristan und Van-Dick lenkten ihre Schritte der table d’hôte zu und setzten sich hinter die leeren Teller. Der Conducteur nahm am Ende des Tisches Platz, wo ihm die Schüsseln zur Seite standen. Kaum hatte er so rasch seine Suppe, ein Gemüse und seinen Braten gegessen, als nur ein Mensch im Stande ist, zu essen, als er auch schon ausrief:
– Beeilen Sie sich, meine Herrn, beeilen Sie sich!
– Haben Sie dergleichen schon erlebt? fragte Van-Dick unsern Tristan.
– Nein, noch nie.
– Dieser Mensch ist noch stärker, als ich.
– Beneiden Sie ihn?
– Nein, das wäre zu anstrengend; ich bewundere ihn.
– Wie finden Sie das Essen?
– Schlecht.
– Und doch essen Sie?
– Ich habe meinen Grund.
– Welchen?
– Das Bedürfniß, mich zu gewöhnen. Morgen wird mir das Frühstück weniger schlecht erscheinen, das Mittagsessen vielleicht gut und komme ich nach Hause, finde ich dort meine Lebensmittel excellent.
– Sie sind ein großer Philosoph.
– Ich weiß es. Als der Conducteur seine Mahlzeit völlig beendet, ließ er die Reisenden in den Wagen steigen. Herr Van-Dick nahm seine beiden Plätze wieder ein, zog langsam eine Pfeife hervor, lud sie mit Tabak, schlug Feuer, blies es an, legte es auf die Pfeife und begann zu rauchen.
– Geniert Sie der Tabakrauch? fragte er Tristan, als das Feuer sich dem Tabak mittheilte.
Hierauf legte er sich mit einer unbeschreiblichen Behaglichkeit in die Ecke des Wagens und athmete wollüstig den Rauch, den er aus seiner Pfeife blies. Mit wahrer Bewunderung betrachtete Tristan diesen Mann. Der Tag näherte sich dem Abend, die Sonne begann sich zu röthen, ein durchsichtiger Nebel lagerte sich wie ein Bote der Nacht auf die Felder und die Luft war so ruhig, daß der Rauch, den Herr Van-Dick ausblies, einige Augenblicke unschlüssig stehen blieb und sich dann nach und nach verzog.
Bei dem Anblicke dieses Glückes und dieses Wohlbehagens stiegen in dem Geiste unseres Helden unendlich viel Gedanken auf. Herr Van-Dick dachte nichts, er rauchte, betrachtete die verschiedenen Gestalten, welche der Rauch bildete und freute sich über die Kinder, welche in den Dörfern schreiend dem Wagen nachliefen.
Endlich verschmolz die ganze Landschaft in eine Farbe, der Mond flieg herauf, die Nacht kam und die Pfeife des Holländers ging aus, da ihr der Tabak fehlte. Dann schloß er die Augen und ein etwas starkes Athemholen kündigte