Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма

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Die Zwillingsschwestern von Machecoul - Александр Дюма

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Jägern nachgeführt wurden, waren zu Jedermanns Verfügung.

      Die Treiber sollten Abends glänzend bewirthet werden, und in seiner Bescheidenheit lehnte er sogar den Ehrenplatz unter den Schützen ab. Er wollte das Loos entscheiden lassen, und als ihm der Zufall einen Platz am äußersten Ende der Schützenlinie zuwies, ertrug er dieses Mißgeschick mit einer Heiterkeit, welche die übrigen Schützen entzückte.

      Die Treibjagd war glänzend; es kam so viel Wild, daß die Schützen ein förmliches Rottenfeuer eröffneten. Die erlegten Wölfe und Wildschweine bildeten bald hohe Haufen auf den Karren neben den Weinfässern des Barons. Die Contrebande, die an Hasen und Rehböcken gemacht wurde, versteckten die Schützen, um sie nach Einbruch der Nacht abzuholen.

      Der Freudentaumel war so groß, daß man den Baron Michel, der den ganzen Tag nicht zum Vorschein gekommen war, erst gegen Abend vermißte. Man fragte nach ihm: Niemand hatte ihn seit dem ersten Treiben, in welchem er am äußersten Ende der Schützenlinie gestanden, wiedergesehen. Man vermuthete, er habe die Jagdlust verloren oder sey in übertriebenem Eifer für die Bewirthung seiner Gäste in das Städtchen Légé gegangen, wo er den Abendschmaus bestellt hatte.

      Aber die Jäger fanden ihn nicht in Légé. Die sorglosesten unter ihnen setzten sich zu Tische; aber einige Schützen, die ein Unglück ahnten, begaben sich mit Fackeln und Laternen in den Wald zurück.

      Nach langem fruchtlosen Suchen fand man ihn in einem Graben. Er war todt, eine Kugel hatte sein Herz durchbohrt.

      Die Sache machte großes Aufsehen. Die Gerichtsbehörde zu Nantes leitete eine Untersuchung ein, und der Schütze, welcher dem Baron zunächst gestanden, wurde sogleich verhaftet.

      Er erklärte, nichts gesehen oder gehört zu haben, denn er sey von dem Baron durch eine Ecke des Waldes getrennt gewesen. Es wurde überdies bewiesen, daß das Gewehr des Angeklagten den ganzen Tag nicht abgeschossen worden war; er hätte den Baron auch nur von der rechten Seite treffen können, und die Kugel war ihm in die linke Seite gedrungen.

      Die Untersuchung wurde eingestellt; man vermuthete, er sey von einer abgeprallten Kugel getroffen worden.

      Allein es ging in der Umgegend lange das Gerücht, der Baron Michel sey ein Opfer der Rache geworden. Man munkelte, einer der alten Soldaten Jolly’s oder Charette’s habe den unglücklichen Lieferanten zur Strafe für seine Verrätherei erschossen; aber es waren zu viele Leute an dieser Angelegenheit betheiligt und es wurde nie eine Anklage erhoben.

      Die Baronin Michel de La Logerie war also Witwe. Sie besaß, wie so viele Frauen der höheren Stände, weder Tugenden noch Laster, noch Leidenschaften. Sie war im Alter von siebzehn Jahren an den Ehestandspflug gespannt worden und in der Furche gegangen, ohne an eine Ausschreitung zu denken, ja ohne sich zu fragen, ob es einen andern Weg gebe. Als sie des Joches entledigt war, fürchtete sie sich vor ihrer Freiheit und sah sich instinctmäßig nach neuen Fesseln um.

      Diese neuen Fesseln fand sie in einer übertriebenen, irregeleiteten, wenn auch aufrichtigen Frömmigkeit. Sie hielt sich für eine Heilige, weil sie sehr regelmäßig die Kirche besuchte und gewissenhaft fastete; wer ihr gesagt hätte, daß sie täglich siebenmal sündige, würde sie sehr in Erstaunen gesetzt haben. Und doch wäre dieser Vorwurf vollkommen gegründet gewesen: sie sündigte unaufhörlich gegen das Gebot der christlichen Demuth; denn wie wenig Ursache sie auch dazu hatte, so trieb sie doch den Adelstolz bis zur Verrücktheit.

      Diese Schwäche war dem schlauen Courtin wohlbekannt; wir haben gesehen, daß er ihren Sohn schlechtweg »Monsieur Michel,« sie aber »Frau Baronin« nannte.

      Die Baronin de La Logerie hatte natürlich einen Abscheu vor dem Zeitgeiste und dem Fortschritte. So oft als sie die Gerichtsverhandlungen in der Zeitung las, gab sie dem Zeitgeist die tiefste Sittenverderbniß schuld. Nach ihrer Behauptung hatte das eiserne Zeitalter mit dem Jahre 1800 begonnen. Es war daher ihre größte Sorge, ihren Sohn gegen die verderblichen Wirkungen des Zeitgeistes zu schützen und jede Berührung mit der bösen Welt zu meiden. Zu dem Besuche öffentlicher Lehranstalten wollte sie ihre Zustimmung durchaus nicht geben, und selbst die Anstalten der Jesuiten schienen ihr nicht genügend abgesperrt gegen die äußere Welt. Sie selbst wollte seine Studien leiten und seine Ideen in eine Bahn lenken, welche nach ihrer Meinung allein heilbringend war, und der nothwendige Unterricht in Wissenschaften und Künsten durfte nur in ihrer Gegenwart und nach einem von ihr gutgeheißenen Programme ertheilt werden.

      Es bedurfte wirklich einer starken Dosis gesunden Verstandes, um das jugendliche Gehirn aus dieser zehn Jahre langen Tortur gesund und frisch hervorgehen zu lassen.

      Aber ganz ohne Folgen war diese Tortur doch nicht geblieben: es fehlte dem jungen Baron die Willenskraft und Entschlossenheit, die des Mannes Würde zeigt.

      IX.

      Salon d’or und Allegro

      Wie Michel erwartet und gefürchtet hatte, war er von seiner Mutter tüchtig ausgezankt worden.

      Sie hatte sich durch die Erzählung Courtin’s nicht täuschen lassen; die Kopfwunde ihres Sohnes war keine von einem Dorne geritzte Schramme.

      Da sie nicht wußte, was ihren Sohn bewegen könne, die Ursache dieser Verwundung zu verbergen, und in der Ueberzeugung, daß sie die Wahrheit nicht herausbringen würde, warf sie nur von Zeit zu Zeit einen Blick auf die räthselhafte Wunde und schüttelte dabei seufzend den Kopf.

      Der junge Mann fühlte sich bei Tische sehr unbehaglich; er schlug die Augen nieder und murrte kaum; aber die scharfe Beobachtung, die er von seiner Mutter zu ertragen hatte, war keineswegs die einzige Ursache seiner Befangenheit.

      Zwischen seinen gesenkten Augenlidern und dem Auge seiner Mutter sah er fortwährend gleichsam zwei Schatten schweben: die Erinnerung an Bertha und an Mary.

      An Bertha dachte er allerdings mit einer gewissen Ungeduld. Wer war sie denn, die Amazone die mit dem Gewehre umzugehen wußte, wie ein echter Jäger, die eine Wunde verband, wie ein Chirurg, und den widerstrebenden Patienten mit ihren zarten weißen Händen so festhielt, wie es nur Jean Oullier mit seinen derben schwieligen Fäusten vermocht hätte?

      Aber wie reizend war auch Mary mit ihrem langen: blonden Haare und ihren großen blauen Augen! Wie sanft und einschmeichelnd war der Ton ihrer Stimme! Mit welcher Leichtigkeit hatte sie die Wunde berührt, das Blut abgewaschen, die Binde umgelegt!

      Im Grunde war Michel gar nicht böse über seine Wunde, wenn er bedachte, daß die beiden Mädchen sonst nicht die mindeste Ursache gehabt haben würden, ihn anzureden und sich mit ihm zu beschäftigen.

      Weit bedenklicher als die Wunde war freilich die Verstimmung seiner Mutter, welche ihre Zweifel und Besorgnisse nicht ganz zu verbergen vermochte. Aber der Aerger seiner Mutter konnte nicht von langer Dauer seyn; unvergänglich hingegen war der Eindruck, den der Händedruck Mary’s in seinem Herzen zurückgelassen hatte.

      Er sehnte sich, wie jeder junge Mann, der mit seinen Gefühlen noch nicht im Klaren ist, nach Einsamkeit. Nach Tische benutzte er einige Augenblicke, wo seine Mutter mit einem Diener sprach, und entfernte sich, ohne ihre Worte zu beachten.

      Die Worte der Baronin de La Logerie waren indeß nicht ohne Bedeutung: sie verbot ihrem Sohne, sich in die Nähe von St. Christoph zu begeben, weil daselbst, nach der Aussage des Dieners ein bösartiges Fieber ausgebrochen sey.

      Sie wünschte sogar um La Logerie einen Sanitätscordon ziehen zu lassen, um den Bewohnern des Dorfes den Zutritt in das Schloß unmöglich zu machen.

      Der Befehl sollte sogleich vollzogen werden, in Bezug auf ein Mädchen, welches für den fieberkranken Vater bei der Baronin um

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