Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Die Zwillingsschwestern von Machecoul - Александр Дюма страница 3
Der Marquis von Souday erreichte das Ufer der Loire und ließ sich von einem Fischer zur Landspitze von St. Gildas führen.
Eine Fregatte war in Sicht. Es war eine englische Fregatte. Für einige Louisd’or mehr führte der Fischer den Marquis bis zur Fregatte.
Er war gerettet.
Einige Tage nachher rief die Fregatte ein Kauffahrteischiff an, welches dem Canal La Manche zusteuerte.
Es war ein holländisches Schiff.
Der Marquis von Souday wünschte sich an Bord desselben zu begeben; der englische Capitän ließ ihn in der Schaluppe hinüber bringen.
Der holländische Dreimaster setzte ihn in Rotterdam ab.
Von Rotterdam begab sich der Marquis nach Blankenburg im Herzogthum Braunschweig, wo Ludwig XVIlI. damals wohnte.
Er hatte die letzten Befehle Charette’s zu vollziehen.
Ludwig XVIII. war eben bei Tische; die Stunde der Tafel war für ihn ein höchst wichtiger Theil des Tages.
Der vormalige Page mußte warten. Nach der Tafel wurde er vorgelassen.
Er erzählte die Ereignisse, die unter seinen Augen stattgefunden hatten, insbesondere die letzte Katastrophe mit solcher Beredsamkeit, daß der sonst eben nicht leicht zu rührende König ihn unterbrach:
»Genug! genug! der Chevalier de Charette war ein braver Diener, wir erkennen es an.«
Der Bote wurde entlassen. Beim Fortgehen hörte er, wie Ludwig XVIII. mit verdrießlichem Tone sagte: »Der alberne Souday erzählt mir solche Dinge nach der Tafel: er stört meine Verdauung!«
Der Marquis war empfindlich; er hatte sechs Monate sein Leben aufs Spiel gesetzt, und fand den Lohn nicht ganz angemessen.
Er hatte noch etwa hundert Louisd’or in der Tasche. Noch denselben Abend reiste er von Blankenburg ab; er begab sich über Holland nach England.
Dort begann ein neuer Abschnitt in dem Leben des Marquis von Souday. Er gehörte zu den Menschen, deren Stimmung von Umständen und äußeren Eindrücken abhängt, die stark oder schwach, muthig oder zaghaft sind, je nach den Verhältnissen, in welche der Zufall sie versetzt. Sechs Monate hatte er tapfer gekämpft in dem Kriege der Riesen, wie Napoleon den Krieg in der Vendée nannte. Er hatte die Gebüsche und das Heideland von Ober- und Niederpoitou mit seinem Blute gefärbt, er hatte nicht nur das Unglück der blutigen Kämpfe, sondern auch die mit diesem Guerillakriege verbundenen zahllosen Entbehrungen mit stoischem Gleichmuth ertragen; er hatte im Schnee übernachtet, war ohne Brot, ohne Obdach in den Wäldern der Vendée umhergeirrt, ohne eine Klage laut werden zu lassen.
Aber in London, wo er einsam und verlassen umherirrte, verlor er den Muth; das Elend, welches ihn in der Verbannung erwartete, raubte ihm seine Fassung. Der junge Mann, der mit einer Handvoll Chouans gegen zehnfach überlegene republicanische Colonnen gekämpft hatte, wußte den Einflüsterungen der Langweile nicht zu widerstehen; er suchte überall Zerstreuungen, um die Lücke auszufüllen, die in seinem Leben entstanden war, seitdem er nicht mehr in dem rasenden Getümmel eines Vernichtungskampfes war.
Der Verbannte war zu arm, um feinere, höhere Genüsse zu wählen, und so verlor er nach und nach die cavaliermäßige Eleganz, welche die Bauernkleider nicht vermindert hatten, und mit jener äußern Eleganz verlor er den Sinn für feinere Genüsse. Da er keinen Champagner bezahlen konnte, trank er Ale und Porter, und der junge liebenswürdige Marquis, dem vielleicht manche Herzogin hold gewesen war, fand Gefallen an den bebänderten Dirnen von Haymarket und St. Giles.
Bald führten ihn die immer dringender werdenden Bedürfnisse des Lebens zu Auskunftsmitteln, die seinem Rufe schadeten. Er nahm auf Borg, was er nicht mehr bezahlen konnte, und machte Cameradschaft mit Wüstlingen geringeren Standes. Seine Unglücksgenossen zogen sich daher von ihm zurück und je mehr er sich verlassen sah, desto weiter ging er auf dem einmal betretenen schlechten Wege.
Als er dieses Leben bereits zwei Jahre geführt hatte, machte ihn der Zufall in einer Kneipe der City mit einem jungen Mädchen bekannt, welches von den in London so häufigen sittenlosen Dirnen zum ersten Male aus dem Dachstübchen hervorgeholt worden war und gezeigt wurde.
Ungeachtet der Veränderungen, die mit dem jungen Marquis vorgegangen waren, hatte er noch nicht allen Adel in seinem Benehmen verloren; die junge Arbeiterin faßte Vertrauen zu ihm, fiel ihm zu Füßen und bat ihn mit Thränen, sie dem schmachvollen Gewerbe, zu welchem man sie zwingen wollte, zu entreißen.
Eva – so hieß das Mädchen – war schön; der Marquis erbot sich, sie in Schutz zu nehmen.
Sie fiel ihm um den Hals, pries ihn als ihren Retter und sagte ihm ihre treue Liebe zu.
Der Marquis vereitelte also die schändliche Speculation, ohne daß er dabei eine gute Absicht hatte.
Eva hielt Wort. Der Marquis war ihre erste und letzte Liebe.
Die Zeit war übrigens für Beide recht günstig. Der Marquis fing an, der Hahnenkämpfe, des Biertrinkens, der Händel mit den Constabeln überdrüssig zu werden; er fand Erholung in der Liebe der schönen Eva, deren Besitz zugleich seiner Eigenliebe schmeichelte. So änderte er allmälig seine Lebensweise, und ohne gerade seinem Range gemäß zu leben, benahm er sich doch als Ehrenmann.
Er bezog mit Eva eine Dachstube in Piccadilly. Sie war eine geschickte Arbeiterin und fand Beschäftigung in einem Putzladen; er gab Fechtunterricht. Sie waren wenigstens vor Mangel geschützt und ihre gegenseitige Liebe war groß genug, um ihnen das Leben nicht nur erträglich, sondern sogar genußreich zu machen.
Die Liebe begann bald zu erkalten; aber die Gewohnheit hatte eine solche Gewalt über ihn bekommen, daß er weder die Kraft noch den Muth hatte, ein Verhältniß abzubrechen, in welchem sein zerrüttetes Gemüth einige Ruhe und Zufriedenheit gefunden hatte.
So führte der vormalige Wüstling, dessen Ahnen durch drei Jahrhunderte despotisch auf ihren Besitzungen geherrscht hatten, so führte der vormalige Genosse des »Wegelagerers« Charette zwölf Jahre lang das kärgliche traurige Leben eines armen Schreibers oder Handwerkers.
Der Himmel hatte lange gezögert, diesen ungesetzlichen Bund zu segnen; aber endlich ging der sehnliche Wunsch der armen Eva in Erfüllung: sie beschenkte den Marquis mit Zwillingstöchtern.
Aber Eva genoß dieses ersehnten Glückes nur einige Stunden. Sie starb im Wochenbette.
Sie liebte den Marquis nach zwölf Jahren noch eben so zärtlich, wie in den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft. Aber trotzdem erkannte sie, daß Frivolität und Selbstsucht der Grundzug in dem Charakter ihres Geliebten waren. Sie schied daher mit dem doppelten Schmerz einer ewigen Trennung und der Besorgniß um die Zukunft ihrer beiden Kinder.
Dieser Verlust machte auf den Marquis von Souday einen eigenthümlichen Eindruck, den wir zu schildern versuchen, weil er den Maßstab für die Beurtheilung des Mannes gibt, der in dieser Erzählung eine wichtige Rolle zu spielen berufen ist.
Anfangs beweinte er aufrichtig den Verlust seiner Lebensgefährtin, weil er nicht umhin konnte, ihre guten Eigenschaften und das Glück, welches er ihrer Liebe verdankt, anzuerkennen. Ein hartes, von Selbstsucht verknöchertes Herz bekommt da immer eine weiche Stelle, wenn es von einem andern liebenden Herzen auf ewig getrennt wird.
Als dieser erste Schmerz beruhigt war, fühlte der Marquis eine Anwandlung von der Freude eines Schülers, der sich auf einmal seines