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»Er reitet am Schlage einer schönen vergoldeten Carrosse.«
»Ah! ah!« machte Balsamo, der zu begreifen schien; »und was ist in dieser Carrosse?«
»Eine junge Frau. Oh! wie majestätisch, wie anmuthreich, wie schön sie ist! Oh! das ist seltsam, es kommt mir vor, als hätte ich sie bereits gesehen; nein, nein, ich täuschte mich, Nicole gleicht ihr.«
»Nicole gleicht dieser so schönen, so majestätischen, so stolzen jungen Frau?«
»Ja! ja! wie der Jasmin der Lilie gleicht.«
»Sprechen Sie, was geht in diesem Augenblick in Nancy vor?«
»Die junge Frau neigt sich aus dem Kutschenschlage und bedeutet Philipp durch ein Zeichen, er möge sich ihr nähern; er gehorcht, er reitet heran, er entblößt sich ehrfurchtsvoll.«
»Können Sie hören, was sie sprechen?«
»Ich werde horchen,« erwiederte Andrée, Balsamo mit einer Geberde zurückhaltend, als sollte kein Geräusch ihre Aufmerksamkeit ablenken. »Ich höre! ich höre!« murmelte sie.
»Was sagt die junge Frau?«
»Sie befiehlt ihm mit einem sanften Lächeln, den Gang der Pferde zu beschleunigen. Sie sagt ihm, die Escorte müsse am andern Morgen um sechs Uhr bereit sein, weil sie im Verlaufe des Tages anhalten wolle.«
»Wo dies?«
»Das fragt sie mein Bruder. Oh! mein Gott! in Taverney will sie anhalten. Oh! eine so vornehme Prinzessin will in einem so armseligen Hause anhalten . . . Wie werden wir es machen, ohne Silbergeschirr, beinahe ohne alles Leinengeräthe?«
»Beruhigen Sie sich. Wir werden hiefür sorgen.«
»Ah! ich danke! ich danke!«
Und das Mädchen, das sich halb erhoben hatte, fiel erschöpft auf seinen Lehnstuhl zurück und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Sogleich näherte sich Balsamo Andrée, veränderte durch magnetische Gänge die Richtung der electrischen Strömungen und verlieh die Ruhe des Schlafes diesem schönen Körper, der sich gebrochen neigte, diesem beschwerten Kopfe, der auf die keuchende Brust herabfiel.
Andrée schien sodann in eine völlige wiederherstellende Ruhe zurückzukehren.
»Sammle Deine Kräfte wieder,« sprach Balsamo, indem er sie mit einer düstern Extase anschaute; »sogleich würde ich Deiner Hellsichtigkeit abermals bedürfen. O Wissenschaft!« fuhr er mit dem Charakter der überzeugtesten Begeisterung fort, »du allein täuschest nicht! dir allein muß der Mensch Alles opfern. Diese Frau ist sehr schön, mein Gott, dieser Engel ist sehr rein! Doch welchen Werth hat in diesem Augenblick die Schönheit für mich? welchen Werth hat die Unschuld? den Werth einer einfachen Auskunft, die nur die Schönheit und die Unschuld allein mir geben können. Es sterbe das Geschöpf, so schön, so rein, so vollkommen es auch sein mag. Es sterben die Genüsse der ganzen Welt, Liebe, Leidenschaft, Extase, wenn ich nur immer mit sicherem, erleuchtetem Schritte gehen kann! Und nun, Mädchen, da Dir durch die Macht meines Willens einige Sekunden Schlummer so viel Kräfte gegeben haben, als wenn Du zwanzig Jahre geschlafen hättest, nun erwache, oder versenke Dich vielmehr wieder in Deinen hellsichtigen Schlummer. Ich bedarf noch Deiner Sprache: nur wirst Du diesmal für mich sprechen.«
Und abermals die Hände gegen Andrée ausstreckend, nöthigte Balsamo diese, sich unter einem allmächtigen Hauche zu erheben.
Als er sie bereit und unterwürfig sah, zog er ein viereckig zusammengelegtes Papier, in welchem eine schwarze Haarlocke enthalten war, aus seinem Portefeuille hervor. Die Wohlgerüche, mit denen die Locke geschwängert, hatten das Papier durchsichtig gemacht.
Balsamo legte die Haarlocke in die Hand von Andrée.
»Sehen Siel« befahl er.
»Oh! abermals?« sprach das junge Mädchen voll Bangigkeit. »Oh! nein, oh! nein, lassen Sie mich in Ruhe; ich leide so sehr. Oh! mein Gott! mein Gott! ich fühlte mich vorhin so wohl.«
»Sprechen Sie!« entgegnete Balsamo, und legte unbarmherzig das Ende seines stählernen Stäbchens auf die Brust von Andrée.
Andrée rang die Hände, sie suchte sich der Tyrannei des Experimentenmachers zu entziehen. Der Schaum trat auf ihre Lippen, wie einst auf den Mund der auf dem heiligen Dreifuß sitzenden Pythia.
»Oh! ich sehe, ich sehe,« rief sie mit der Verzweiflung des besiegten Willens.
»Was sehen Sie?«
»Eine Frau.«
»Ah!« murmelte Balsamo mit einer wilden Freude, »die Wissenschaft ist also kein leeres Wort, wie die Tugend? Mesmer hat Brutus besiegt. Schildern Sie mir diese Frau, damit ich weiß, ob Sie richtig gesehen haben.«
»Braun, groß, blaue Augen, schwarze Haare, nervige Arme.«
»Was macht sie?«
»Sie eilt, sie fliegt, sie scheint von einem herrlichen, schweißbedeckten Pferde fortgetragen zu werden.«
»In welcher Richtung reitet sie?«
»Dorthin, dorthin,« sprach das Mädchen, nach Westen deutend.
»Auf der Landstraße?«
»Ja.«
«Nach Châlons?«
»Es ist gut,« sagte Balsamo; »sie verfolgt den Weg, den ich machen werde. Sie geht nach Paris, wohin ich ebenfalls gehe. Es ist gut, ich werde sie in Paris wiederfinden. Ruhen Sie nun aus,« sagte er zu Andrée, während er ihr die Locke wieder abnahm, die sie nicht losgelassen hatte.
Die Arme von Andrée fielen unbeweglich an ihrem Körper herab.
»Nun kehren Sie zum Klavier zurück,« sprach Balsamo.
Andrée machte einen Schritt gegen die Thüre; doch durch eine unaussprechliche Anstrengung gelähmt, weigerten sich ihre Beine, sie zu tragen: sie wankte.
»Sammeln Sie wieder Kraft und gehen Sie weiter,« sagte Balsamo und umhüllte sie mit einer neuen Aussendung von Fluidum.
Andrée ahmte den edeln Renner nach, der sich anstemmt, um den Willen seines Herrn zu erfüllen, und wäre dieser Willen auch ungerecht.
Sie ging.
Balsamo öffnete seine Thüre, und Andrée stieg, immer noch eingeschlafen, langsam die Treppe hinab.
X.
Nicole Legay
Gilbert hatte die ganze Zeit, welche das Verhör von Balsamo dauerte, in unaussprechlicher Angst zugebracht.
Unter das Treppengehäuse gekauert, weil er es nicht mehr wagte, zur Thüre hinaufzusteigen, um zu behorchen, was in dem rothen Zimmer gesprochen wurde, gerieth er am Ende in eine Verzweiflung, welche bei dem Charakter von Gilbert jeden Augenblick eine gewaltsame Entwicklung herbeizuführen drohte.
Diese Verzweiflung vermehrte sich durch das Gefühl seiner Schwäche und seiner