Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
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Es kam ihm ein Gedanke; er wollte eine Leiter holen, der sich La Brie, welcher zugleich Koch, Kammerdiener und Gärtner war, bediente, um Jasmin und Geisblatt an der Mauer aufzubinden. Wenn er sie an der Gallerie der Treppe anlehnen und zu dieser hinaufsteigen würde, dürfte er nichts von dem verrathenden Geräusch verlieren, das er so glühend zu behorchen wünschte. Er erreichte das Vorzimmer, dann den Hof und lief an den Ort, wo er die Leiter zu finden wußte, welche am Fuße einer Mauer lag. Doch während er sich bückte, kam es ihm vor, als hörte er ein Streifen auf der Seite des Hauses; er wandte sich um.
Da glaubte sein weit aufgerissenes Auge in der Dunkelheit durch den schwarzen Rahmen der offenen Thüre eine menschliche Form schlüpfen zu sehen, doch so rasch, so stumm, daß sie viel mehr einem Gespenste, als einem lebendigen Wesen anzugehören schien.
Er ließ die Leiter fallen und schritt mit zitterndem Herzen auf das Schloß zu.
Gewisse Imaginationen sind nothwendig abergläubisch; es sind gewöhnlich die reichsten und überspanntesten, sie lassen weniger gern die Vernunft, als die Fabel zu; durch ihre Instinkte zum Unmöglichen, oder wenigstens zur Idealität hingezogen, finden sie das Natürliche zu gemein. Sie gerathen außer sich vor Entzücken über einen schönen, düsteren Wald, weil die dunkeln Gewölbe mit Geistern und Gespenstern bevölkert sein müssen. Die Alten, welche so große Dichter waren, träumten von diesen Dingen am hellen Tage. Nur da ihre Sonne, ein Herd glühenden Lichtes, von dem wir so zu sagen höchstens noch den Rester haben, da ihre Sonne, sagen wir, die Idee der Larven und Gespenster verbannte, hatten sie die lachenden Dryaden und die leichten Oreaden erfunden.
Gilbert, das Kind einer wolkigen Gegend, wo die Gedanken trauriger sind, wähnte eine Erscheinung zu erblicken. Trotz seiner Ungläubigkeit kam ihm diesmal wieder in den Kopf, was ihm fliehend die Frau von Balsamo gesagt habe; konnte der Zauberer nicht ein Gespenst heraufbeschworen haben, er, der selbst den Engel der Reinheit zum Bösen fortzureißen vermochte?
Gilbert hatte aber immer eine zweite Bewegung, welche schlimmer war, als die erste. Er rief alle Beweissätze starker Köpfe gegen die Geister zu Hülfe, und der Artikel Gespenst des philosophischen Wörterbuchs verlieh ihm einen gewissen Muth, indem er ihm eine größere, aber mehr gegründete Angst einjagte.
Hatte er wirklich Jemand gesehen, so mußte es eine lebendige Person sein, und diese Person mußte ein großes Interesse haben, so zu lauern.
Seine Angst nannte ihm Herrn von Taverney, sein Gewissen blies ihm einen andern Namen ein.
Er schaute nach dem zweiten Stocke des Pavillon. Das Licht von Nicole war, wie gesagt, erloschen und ihre Scheiben verriethen kein Leben.
Kein Hauch, kein Geräusch, kein Schimmer im ganzen Hause, ausgenommen im Zimmer des Fremden. Er schaute, er horchte, und als er nichts mehr sah und nichts mehr hörte, nahm er wieder seine Leiter, nunmehr überzeugt, es sei eine Täuschung seiner Augen gewesen, wie dies bei einem Menschen vorkommt, dessen Herz zu schnell schlägt, und er müsse diese Vision eher als einen Nachlaß seiner Sehkraft bezeichnen, wie man technisch sagen kann, denn als einen Erfolg der Uebung seiner Fähigkeiten.
Als er seine Leiter angelegt hatte und den Fuß auf die erste Sprosse setzte, öffnete und schloß sich die Thüre von Balsamo, der Andrée hinausgehen ließ, welche ohne Licht und ohne Geräusch hinabstieg, als ob sie von einer übernatürlichen Macht geleitet und unterstützt würde.
So gelangte Andrée auf den Ruheplatz der Treppe, ging an Gilbert vorüber, an welchem sie im Schatten mit ihrem Kleide anstreifte, und setzte ihren Weg fort.
Herr von Taverney war eingeschlafen, La Brie lag im Bette, Nicole befand sich im andern Pavillon, die Thüre von Balsamo hatte sich wieder geschlossen, und so sah sich der junge Mann gegen jede Ueberraschung geschützt.
Er machte eine heftige Anstrengung gegen sich selbst und folgte Andrée, seinen Gang nach dem ihrigen richtend.
Andrée durchschritt das Vorzimmer und trat in den Salon.
Gilbert folgte ihr mit zerrissenem Herzen. Er stand jedoch stille, obgleich die Thüre offen geblieben war. Andrée setzte sich auf das Tabouret vor dem Klavier, auf welchem die Kerze immer noch brannte.
Gilbert zerfleischte sich die Brust mit seinen krampfhaften Nägeln. An derselben Stelle hatte er eine halbe Stunde zuvor das Kleid und die Hand dieser Frau geküßt, ohne daß sie sich ärgerte; hier hatte er gehofft, war er glücklich gewesen! Ohne Zweifel rührte die Nachsicht des Mädchens von einer jener tiefen Verdorbenheiten her, wie sie Gilbert in den Romanen gefunden hatte, welche, den Grund der Bibliothek des Barons bildeten, oder von einer jener Verräthereien der Sinne, wie er sie in gewissen physiologischen Abhandlungen hatte auseinandersetzen sehen.
»Nun!« murmelte er, von einer dieser Ideen zur andern schwankend, »wenn dem so ist, so werde ich wie die Andern diese Verdorbenheit benützen, oder aus dieser Ueberraschung der Sinne Vortheil ziehen. Und da der Engel sein Unschuldskleid dem Winde überantwortet, so mögen mir einige Fetzen ihrer Keuschheit zufallen.«
Der Entschluß von Gilbert war diesmal gefaßt, er stürzte nach dem Salon.
Doch als er die Schwelle überschreiten wollte, griff eine kräftige Hand aus dem Schatten hervor und packte ihn beim Arme.
Gilbert wandte sich erschrocken um, und es kam ihm vor, als verrückte sich sein Herz in seiner Brust.
»Ah! diesmal habe ich Dich, Unvorsichtiger,« flüsterte ihm eine zornige Stimme in das Ohr, »versuche es noch einmal zu leugnen, Du habest Rendezvous mit ihr, versuche es zu leugnen, Du liebest sie . . .«
Gilbert hatte nicht einmal die Kraft, den Arm zu schütteln, um sich der pressenden Hand, die ihn zurückhielt, zu entziehen.
Der Druck war indessen nicht so groß, daß er ihn nicht hätte brechen können. Der Schraubstock war ganz einfach die Faust eines jungen Mädchens. Kurz, es war Nicole Legay, welche Gilbert gefangen hielt.
»Sprechen Sie, was wollen Sie denn?« fragte er ganz leise und voll Ungeduld.
»Ah! Du willst, daß ich laut rede, wie es scheint,« sagte Nicole mit der ganzen Fülle ihrer Stimme.
»Nein, nein, ich will, daß Du schweigst,« antwortete Gilbert mit den Zähnen knirschend, und zog Nicole in das Vorzimmer.
»Nun, so folge mir!«
Gilbert verlangte nichts Anderes, denn indem er Nicole folgte, entfernte er sich von Andrée.
»Es ist gut, ich folge,« sprach er.
Er ging wirklich hinter Nicole, welche ihn in den Garten führte und die Thüre hinter sich zumachte.
»Aber Fräulein Andrée wird in ihr Zimmer zurückkehren,« sagte Gilbert, »sie wird Sie rufen, damit sie ihr beim Auskleiden helfen, und Sie werden nicht da sein.«
»Wenn Sie glauben, das beschäftige mich in diesem Augenblick, so täuschen Sie sich in der That gewaltig. Was liegt mir daran, ob sie mich ruft oder nicht ruft! Ich muß Sie sprechen.«
»Sie könnten auf morgen verschieben, was Sie mir zu sagen haben, Nicole; das Fräulein ist streng, wie Sie wissen.«
»Ah! ja, Ich rathe ihr, streng zu sein, besonders gegen mich!«
»Nicole